Das vorliegende Forschungsprojekt untersucht die Dynamiken, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu einer rasanten Zunahme von Bezügen auf Indigenität in politischen Kontexten geführt haben. Dabei wird der Frage nach Bedeutung und Funktion von Indigenität in diesen Zusammenhängen nachgegangen. Eine verbreitete Kritik an diesen neuen Indigenitätsdiskursen der 1990er Jahre ist, dass es ihnen nicht gelingt, sich von dem Rassismus zu lösen, der dem Konzept seit seiner Erschaffung im Kontext der Kolonialisierung innewohnt. Diese Kritik basiert jedoch auf der Annahme, dass die Debatten auf trans- und internationaler Ebene eine globale und homogene Indigenität wiedergeben. Dieser Vorstellung wird im Rahmen dieser Arbeit widersprochen. Mit Blick auf Tijuana, einem Raum der den stereotypen Vorstellungen von indigenen Räumen nicht entspricht, ist die vorliegende Arbeit von der Annahme geleitet, dass Indigenität eine starke Diversität innewohnt. Die Analyse von Akteur_innen auf unterschiedlichen Ebenen belegt, dass Indigenität letztendlich vielschichtige und teilweise auch gegenläufige Bedeutungen hat, die mit unterschiedlichen Zielsetzungen erschaffen werden. Um diese Vielschichtigkeit erfassen zu können, wird zum einen die Entwicklung von Indigenitätsdiskursen in gesellschaftspolitischen Konflikten in Tijuana untersucht. Damit wird ein Raum betrachtet, der lange Zeit als nicht-indigen rezipiert wurde. Zum anderen werden Diskurse untersucht, die auf trans- und internationaler Ebene durch Organisationen wie ILO, den WWF oder Survival International geprägt werden. Sie sind geformt durch Nationalstaaten und verschiedene Interessenvertretungen. Besonders in diesen überregionalen Diskursen, die vielfach als hegemoniale Diskurse wahrgenommen werden, lässt die Reproduktion von essentialisierenden Indigenitätsbildern deutlich erkennen. Der vergleichende Blick nach Tijuana deckt jedoch auf, dass diese trans- und internationalen Diskurse in lokalen Kontexten weitaus weniger durchsetzungsfähig sind, als Benennungen wie ,global indigenous movement‘ oder ,hegemoniale Indigenität‘ vermuten lassen. Zweifellos haben die trans- und internationalen Ereignisse auf die Diskurse in Tijuana Einfluss genommen, das heißt jedoch nicht, dass sie einfach übernommen werden. Vielmehr lässt die hier angestellte Forschung den Schluss zu, dass die lokalen Akteur_innen sich aus den zahlreich entstandenen Argumenten bedienen, die in den Debatten an anderen Orten entwickelt wurden. Ihre Wahl ist dabei jedoch sehr selektiv und angepasst an ihre spezifischen lokalen Bedingungen, was das Konzept selbst in seiner Bedeutung und Funktion verändert. Sie entwickeln somit ein eigenes Indigenitätskonzept, dass ihrem Kampf gegen bestehende Strukturen entspricht.
This research project examines specific dynamics at the end of the 20th century that led to a rapid increase of references to indigeneity in political contexts. A primary interest in this work is the search for meaning of and function of indigeneity in such political debates. One result of these new dynamics is that indigeneity becomes influential in political debates in the northern Mexican industrial city of Tijuana. A space where since the 1930s the concept was mainly shaped by national indigenist imaginations. These images are creating indigeneity as a heroic but premodern category that is used to develop a national master narration. The young and urban space 'Tijuana' is not a space for such an indigeneity. Never the less, the appearance of indigeneity in political debates in Tijuana is detectable in the 1990s. Since these changes are not explainable via the city itself or national debates, the changes in trans- and international debates are seen as a reason for the transformation of local political discourses. To understand the new meanings of indigenity that transformed the concept into a powerful political tool, discourses before and after 1989 will be analyzed. The comparative perspective on discourses which are formed on a local, national, and trans- and international level uncovers that the concepts of indigeneity created on the trans- and international level are far less capable of becoming dominant in local discourses as expressions such as 'global indigenous movement' or 'hegemonic indigeneity' suggest. There is no doubt, that trans- and international debates do have an impact on the local discourses, but the current work makes clear that these debates are not just adopted by local actors. Rather, it comes to the conclusion that arguments out of the purportedly “hegemonial” debates are selectively used in the local conflicts, but the meaning and function is transformed. A common critique against the new discourses of indigeneity in the 1990s is that – aside from changes and new ideas – they do not leave behind the racists and essentialist meanings indigeneity is based on since it's creation during colonization. This critique is based on the conclusion that indigeneity concepts (as they are produced on a trans- and international level) are representing the global indigeneity. This conclusion is critiqued in the present study as a reproduction of homogenizing categorizations by itself. Examining Tijuana as a space that does not fit into stereotype imaginations of indigenous spaces, this work outlines the extreme diversity indigeneity has come to represent in such contexts. The analysis of different actors on different spacial levels – local, national, and international – proves that indigeneity has a great variety of meanings that even can be contradictory. The meaning of the concept depends on the contexts and functions in which it is deployed.