Es war Ziel der vorliegenden Arbeit, durch Einsatz einer modernen Methode der assistierten Reproduktion, des Embryotransfers, die embryonale Diapause des Europäischen Rehs zu untersuchen und zu charakterisieren. Für den Nutztierbereich etablierte Regime zur hormonellen Zyklussynchronisation und Superovulation von Embryonendonoren und ?rezipienten, Techniken zur Gewinnung und zum Transfer von Embryonen sowie Techniken zum genetischen Abstammungsnachweis der Tiere kamen hierfür erstmals beim Reh zum Einsatz. Die Ergebnisse von Superovulation, Synchronisation, Embryonengewinnung und des Embryotransfers mit ihrer Bedeutung für die Diapause des Rehs werden wie folgt zusammengefaßt: (A) Die Applikation von intravaginalen Gestagen-Schwämmchen resultierte in einer Brunstsynchronisation der Embryonendonoren. Nach Entfernen der Schwämmchen setzte bei allen Tieren der Östrus mit nachfolgenden Deckakten durch den Bock ein. (B)Im Schutze der Gestagen-Schwämmchen als künstliche Lutealphase war es möglich, durch die Applikation von PMSG und dessen späterer Antagonisiering eine Superovulation der Rehe zu induzieren. Durch den Einsatz der Transrektalen Adaptersonographie war es möglich, auf sonografischem Wege die Ovardynamik zu verfolgen und die Zahl der sprungreifen Follikel bzw. der tatsächlich ausgebildeten Corpora lutea zu quantifizieren. Signifikant höhere Zahlen an Gelbkörpern bzw. aufgefundenen Embryonen in Kombination mit höheren Progesteronwerten bei superovulierten Tieren im Vergleich zu nicht-superovulierten Tieren sowie zufriedenstellende Ovulationsraten von durchschnittlich 70 % lassen PMSG/Anti-PMSG als Hormonregime zur Superovulation von Rehen geeignet erscheinen. (C) Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten des weiblichen Genitaltraktes beim Reh war es trotz des erfolgreichen Einbringens eines Katheters in das Uteruslumen nicht möglich, Embryonen auf nicht-chirurgischem Wege aus den Uterushörnern zu gewinnen. Die chirurgische Spülung der einzelnen Uterushörner der Tiere erbrachte mit Auffindungsraten von durchschnittlich 41 % (Verhältnis der Anzahl an Embryonen zur Zahl gezählter Gelbkörper) zufriedenstellende und mit den Werten anderer Cervidae vergleichbare Ergebnisse. Im Vergleich zu domestizierten Tierarten wie Ziege und Schaf schnitt die Embryonengewinnung auf chirurgischem Wege beim Reh deutlich schlechter ab. (D) Die terminorientiere Embryonenspülung der Spendertiere an Tag 7 bzw. 9 des berechneten Zyklus erbrachte eine Vielzahl ausschließlich früher embryonaler Entwicklungsstadien. Alle dieser Embryonalstadien wurden in den Uterushörnern und nicht anderen Tierarten entsprechend in den Eileitern aufgefunden. Es wurde geschlossen, daß bereits die frühe Embryonalentwicklung der Rehembryonen eine Verzögerung erfährt und nicht erst nach dem Erreichen des Stadiums der Blastozyste. (E)Die Applikation von PGF2a zur Zyklussynchronisation bei sechs von acht Empfängertieren während der Diapause resultierte innerhalb weniger Tage in einem messbaren Progesteronabfall mit anschließendem Anstieg zurück auf den Anfangswert. Parallel zum Verlauf der Progesteronkurve nach Luteolyse konnte sonographisch und makroskopisch die Rückbildung alter und die Entstehung neuer, sich am Tage des Embryotransfers in Blüte befindlicher Gelbkörper nachgewiesen werden. (F) Nach dem Embryotransfer im Herbst kam es bei drei von insgesamt acht Tieren zu Trächtigkeiten, darunter eine Zwillingsträchtigkeit. Zwei der Trächtigkeiten konnten bereits im Januar kurz nach der Implantation durch transrektale ultrasonographische Untersuchung detektiert werden. Alle der tragenden Tiere waren in ihrem Zyklus mit dem Alter der zu transferierenden Embryonen synchronisiert worden, es entwickelte sich keine Trächtigkeit bei nicht neu synchronisierten Tieren. Obwohl die Geburt der vier Kitze zur physiologischen Setzzeit der Rehe in den Monaten Mai und Juni stattfand, konnte die Hypothese, daß es durch Kryokonservierung der Embryonen und Embryotransfer zu einer künstlichen Verkürzung der Diapause gekommen war, nicht verifiziert werden. Der Blutuntersuchung der drei Rehfamilien uum Zwecke eines genetischen Abstammungsnachweises ergab eindeutig, daß es sich in allen 3 Fällen bei Putativ-Eltern und biologischen Eltern um ein und dieselben Tiere handelt. Alle Kitze sind demnach nicht das Ergebnis des Embryotransfers im Herbst, sondern das des natürlichen Brunstgeschehens im Sommer mit physiologischer Dauer von Trächtigkeit und Diapause. Eine Aussage über die Beeinflussbarkeit der embryonalen Diapause oder über ihre Abhängigkeit von externen oder internen Faktoren kann demnach nicht getroffen werden. Es bleibt weiterhin unklar, wer das Signal zur Wiederaufnahme des embryonalen Wachstums gibt, Mutter oder Embryo. Aus der Tatsache, daß es bei allen tragenden Rezipienten trotz vorangegangener neuer Zyklusinduktion mit Luteolyse, Neuanbildung von Gelbkörpern und zeitweisem Abfall der Progesteron-Werte nicht zur Beendigung der Trächtigkeiten und Resorption vorhandener Embryonen kam, wird gefolgert, daß bei Rehembryonen während des Zeitraumes der Diapause (anders als bei anderen Tierarten) eine weitgehende Unabhängigkeit vom Vorhandensein des eine Trächtigkeit aufrechterhaltenden Hormons Progesteron besteht. Darin wird eine weitere reproduktionsbiologische Besonderheit des Europäischen Rehs gesehen.
The aim of this study was to characterise embryonic diapause (eD) in the roe deer using modern techniques of assisted reproduction, especially embryo transfer. Techniques established in domestic cattle such as synchronisation and superovulation of embryo donors and recipients, recovery and transfer of embryos and techniques for the genetic allocation of parentage were applied to this wildlife species for the very first time. The results of synchronisation, superovulation, recovery and transfer of embryos and their meaning for the embryonic diapause in roe deer are summarised as follows: (A) Application of intravaginal gestagene sponges resulted in the synchronisation of all embryo donors. After removal of the sponges, all animals came into oestrus and mated. (B) Under protection of the artificial luteal phase created by the vaginal sponges, it was possible to superovulate the females by injection of ECG followed by subsequent antagonisation with anti-ECG. Transrectal adaptersonography made it possible to monitor ovarian dynamics and to quantify the number of dominant follicles, respectively the number of corpora lutea. Significantly higher numbers of corpora lutea and significantly higher numbers of recovered embryos in combination with higher values of progesterone in the superovulated animals compared to the non-superovulated animals as well as satisfying rates of ovulation of 70 % on average lead to the conclusion that hormone regimes with ECG/anti-ECG are suitable for the superovulation of roe deer. (C) Due to the anatomy of the reproductive tract of female roe deer, embryos could not be recovered non-surgically although insertion of the catheter into the uterine lumen was possible. The results of the surgical flushing of each uterine horn resulted in recovery rates of 41 % on average (relation of the number of embryos to the number of corpora lutea), which is satisfying and comparable to the results reported from other Cervidae. Compared to the recovery rate of embryos reported for domestic species like goat and sheep the surgical flushing of embryos in roe deer was less successful. (D) Flushing of embryos on estimated days 7 and 9 of cycle brought up embryos in a wide variety of developmental stages. All of those early developmental stages were found in the uterine horns and not in the oviducts. It was concluded that embryonic development in roe deer is delayed immediately after conception. (E) Application of PGF2a to synchronise cycles in six of eight recipients during diapause resulted in a measurable decrease of progesterone in the faeces followed by a return back to the starting point. Parallel to these findings it was possible to monitor the regression and the development of new corpora lutea, being at their prime on the day of embryo transfer. (F) After embryo transfer in autumn, three of eight females became pregnant (one of them carrying twins). Two pregnancies could be diagnosed in January shortly after implantation using transrectal ultrasonography. All of the pregnant females had been synchronised with the age of the embryo transferred, there was no pregnancy in the non-synchronised females. Although fawns were born at the pysiological time for roe deer births the hypothesis of an artificially shortened diapause could not be verified. Blood samples taken from all members of the three roe deer families for the genetic allocation of parentage proofed that in all three cases putative parents and biological parents were identical. In conclusion, all fawns were the result of the natural matings in summer with the physiological duration of pregnancy and not the result of the embryo transfer program in autumn. No statement can be made about the possibility to influence embryonic diapause or about the dependence of eD on external or internal factors. It is still not clear who gives the signal for the resumption of embryonic development, mother or embryo. In spite of induction of a new cycle via luteolysis going along with development of new corpora lutea and temporary decrease of progesterone concentrations, none of the pregnancies was terminated and embryos were not resorbed. All females carried their fawns to term, which leads to the conclusion that in contrast to other animal species in roe deer, during the diapause, maintenance of pregnancy must be largely independent from the presence of progesterone. This finding is considered to be another reproductive particularity of European roe deer.