Ausgangspunkt der vorliegenden Studie war die Erkenntnis, dass es bisher nur eine unzureichende Anzahl an Studien gibt, die das Kiefergelenk von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf adaptive und degenerative Prozesse umfassend untersuchen. Es existiert keine systematische Analyse über die verschiedenen Arten von Diskusverlagerungen, die den häufigsten Befund bei kraniomandibulären Funktionsstörungen darstellen. Als weitere Adaptionserscheinungen treten vor allem Veränderungen der Form der Pars posterior, Fibrosierungen der bilaminären Zone oder Veränderungen der Kondylenposition und -form auf. Ziel dieser Arbeit war die Analyse von adaptiven und degenerativen Prozessen des Kiefergelenks im Kindes- und Jugendalter von 7 bis 21 Jahren anhand einer Stichprobe von 300 Kindern und Jugendlichen. Viele der existierenden Studien bei Kindern und Jugendlichen zu dieser Thematik stützen sich auf Fragebögen oder Untersuchung klinischer Parameter wie zum Beispiel die Palpation der Muskeln. Diese Methoden lassen aber nur eine unzureichende Beurteilung der untersuchten Strukturen des Kiefergelenks zu. In der vorliegenden Studie wurde daher als Verfahren zur Diagnostik des Kiefergelenks die Magnetresonanztomographie gewählt. Als bildgebendes Verfahren wird sie als „Goldstandard“ zur Beurteilung von Veränderungen des Kiefergelenks und insbesondere des Discus articularis bezeichnet. Die Magnetresonanztomographie zeichnet sich durch eine hohe interindividuelle Reproduzierbarkeit aus und benötigt keine ionisierende Strahlung. In der vorliegenden Studie wurde ein systematisches zweistufiges Auswertungsverfahren der Kiefergelenke angewandt. Die erste Stufe dieses Verfahrens entsprach einer visuellen 2D-Befundung nach Bumann und in der zweiten Stufe wurden die Ergebnisse zu einem dreidimensionalen Gesamtbild zusammengefügt. Dabei wurden die verschiedenen Arten von Diskusverlagerungen jeweils in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht systematisch untersucht. Weiterhin wurde ein möglicher Einfluss von Diskusverlagerungen auf andere Strukturen des Kiefergelenks wie auf die Pars posterior, auf die bilaminäre Zone oder auf den Kondylus analysiert. In der untersuchten Stichprobe wurde ein hoher Anteil an Diskusverlagerungen festgestellt. Dabei zeigte sich allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern. Mädchen zeigten zu 67% eine Diskusverlagerung und Jungen zu 34%. In den meisten Studien, die sich mit kraniomandibulären Funktionsstörungen beschäftigen, wird eine höhere Prävalenz von Frauen bei kraniomandibulären Funktionsstörungen im Vergleich zu Männern festgestellt. In dieser Studie steigt der Anteil an Kindern ohne Reposition des Discus articularis mit zunehmendem Alter an, wobei auch hier bei Mädchen häufiger adaptierte Befunde auftraten. Die Anzahl an reponierenden Disci verschlechterte sich bei der Gegenüberstellung von Kiefergelenken mit einer Tendenz zu Diskusverlagerung und denen mit einer eindeutigen Diskusverlagerung. Bezüglich der Form der Pars posterior konnte in Übereinstimmung mit anderen Studien festgestellt werden, dass der laterale Gelenkanteil besonders von Adaptationserscheinungen betroffen war. Eine erhöhte Anzahl an adaptierten Formen der Pars posterior wurde bei Mädchen im Vergleich zu Jungen festgestellt. Bei einer vorhandenen Diskusverlagerung wiesen die untersuchten Kinder und Jugendlichen vermehrt adaptierte Formen der Pars posterior auf. Mit zunehmendem Alter nahm der Anteil an Fibrosierungen der bilaminären Zone zu. Als Besonderheit in Bezug auf das Geschlecht war festzustellen, dass Fibrosierungen die einzige Adaptationsform darstellten, bei der Jungen eine höhere Prävalenz zu Adaptationen zeigten als Mädchen. Bei den Kondylenverlagerungen, die in der vorliegenden Studie auch zu einem hohen Prozentsatz festgestellt wurde, konnten große geschlechtsspezifische Unterschiede in der Richtung der Kondylenverlagerung beobachtet werden. Während Mädchen in erster Linie zur retralen Kondylenverlagerung tendierten, zeigten Jungen vor allem ventral verlagerte Kondylen. Bei vorhandener Diskusverlagerung konnten vermehrt retral und kranial verlagerte Kondylen festgestellt werden. Mit fortschreitendem Alter stieg der Anteil an Kondylen mit Veränderungen der Form des Kondylenköpfchens stark an. Mädchen zeigten unabhängig vom untersuchten Gelenkanteil oder Alter eine höhere Prävalenz als Jungen. Im Zusammenhang mit einer Diskusverlagerung wurden erhöhte Anteile an veränderten Kondylenformen festgestellt. In der vorliegenden Studie konnte festgestellt werden, dass sich Funktionsstörungen des Kiefergelenks bereits im Kindes- und Jugendalter abzeichnen. Diskusverlagerungen scheinen weitere Adaptationen des Kiefergelenks zu begünstigen. Aus diesem Grund ist ihre frühzeitige Erkennung wichtig. Die häufig höhere Prävalenz bei kraniomandibulären Funktionsstörungen von Mädchen gegenüber Jungen sollte in weiteren Untersuchungen vertiefend analysiert werden. Dabei sollte die Erforschung möglicher Ursachen im Mittelpunkt stehen.
Magnet resonance images (MRI) of the temporomandibular joint (right and left side) from 300 children and adolescents which were moment of recording at the age between 7 and 21 years have been studied. The MRIs have been analyzed in a two-stage evaluation procedure. The first stage corresponded to the visual analysis according to Bumann in the form of 2D-diagnostic findings. As second stage 3D-diagnostic findings of the MRIs have been accomplished in order to merge the results of the individual layers into a 3D-overall picture of the respective structure. Especially the articular disk position, shaping of the pars posterior, possible fibrosis of the bilaminar zone, the condyle position and deformations of the condyle have been analyzed. Regarding all research questions a high number of diagnostic findings for the children and adolescents analyzed could be identified. In doing so significant differences between the male and female gender emerged. Girls showed more adaptations of the TMJ than boys. With increasing age of the children and adolescents the adaptations rose in numbers. Especially the increase of additional diagnostic findings of children and adolescents with disc displacement was striking. In all analyzed TMJs differences between the male and female gender could be found. Apart from the fibrosis of the bilaminar zone girls more often adapted structures of the TMJ. With increasing age the percentage of TMJ with adaptations rose for both genders. With existing disc displacements more adaptations of additional TMJ structures could be identified. The high amount of diagnostic findings shows the necessity to observe in a more intense manner beginning degenerations of the TMJ at the age of childhood and adolescence.