Hintergrund: Die Substitutionstherapie gilt als wirkungsvolle Standardtherapie der chronischen Opioidabhängigkeit. Opioidabhängigkeit und Substitutionstherapie sind häufig mit sexuellen Funktionsstörungen assoziiert. Deren Prävalenzen sind auch bei anderen Abhängigkeitserkrankungen hoch. Ob eine besondere Relevanz von sexuellen Funktionsstörungen für die Substitutionstherapie besteht, wurde bisher nach Wissen des Autors nicht im direkten Vergleich zu anderen Abhängigkeitserkrankungen untersucht. Zur Auswirkung sexueller Funktionsstörungen bei Substitutionstherapie auf Patientenbewertung und Behandlungszufriedenheit liegen kaum Daten vor. Die Datenlage zu einer Dosisabhängigkeit von sexuellen Funktionsstörungen unter Methadonsubstitution ist uneindeutig. Neben Methadon ist Levomethadon derzeit die in Deutschland am häufigsten eingesetzte Substitutionssubstanz. Unterschiede zwischen diesen Substanzen bezüglich assoziierter sexueller Funktionsstörungen wurden bisher kaum untersucht. Anliegen: Erhebung sexueller Funktionsstörungen bei mit Methadon und Levomethadon substituierten Patienten. Vergleich mit anderen Abhängigkeitserkrankungen. Erhebung von Patientenbewertung, Behandlungszufriedenheit und Beratungsbedarf. Untersuchung von Dosis- und Substanzeffekten. Methode: Befragung mit Methadon (n=41) und Levomethadon (n=54) substituierter Patienten und einer Vergleichsgruppe mit anderen Abhängigkeitserkrankungen (n=90). Erfassung der sexuellen Funktion mittels allgemeiner Selbsteinschätzung, International Index of Erectile Function und Female Sexual Function Index. Ergebnisse: 69,1 % der substituierten Patienten und 18,2 % der Patienten in der Vergleichsgruppe gaben sexuelle Funktionsstörungen an (p<0,001). Die Vergleichsgruppe war zufriedener mit ihrem Sexualleben (p=0,023). 62,4 % gaben eine Verschlechterung des Sexuallebens durch die Substitutionstherapie an. Am häufigsten wurden sexuelle Funktionsstörungen auf das Substitutionsopioid zurückgeführt. 55,6 % äußerten einen Entgiftungswunsch auf Grund sexueller Funktionsstörungen. 51,4 % der substituierten Patienten wünschten eine ärztliche Beratung wegen sexueller Funktionsstörungen, nur 15,6 % hatten schon eine solche erhalten. Patienten mit Selbstangabe von sexuellen Funktionsstörungen hatten eine im Durchschnitt um 30,3 mg höhere Dosis Methadonäquivalent (p=0,001). Vermehrte sexuelle Funktionsstörungen fanden sich insbesondere bei Dosierungen oberhalb von 120 mg. Mit Methadon substituierte Patienten zeigten im Vergleich zu mit Levomethadon substituierten eine schlechtere erektile Funktion (p= 0,032). Schlussfolgerung: Die vorliegende Untersuchung weist auf eine im Vergleich zu anderen Abhängigkeitserkrankungen hohe Relevanz von sexuellen Funktionsstörungen bei Substitutionstherapie mit Methadon und Levomethadon hin. Es fanden sich Hinweise auf einen hohen Beratungsbedarf substituierter Patienten bezüglich sexueller Funktionsstörungen. Ausgehend von den Hinweisen auf einen Dosiszusammenhang könnte vermutet werden, dass bei Auftreten von sexuellen Funktionsstörungen, insbesondere im oberen Dosisbereich, eine Dosisreduktion hilfreich sein könnte. Die Daten weisen zudem auf Vorteile von Levomethadon gegenüber Methadon bezüglich der erektilen Funktion hin. Auch fanden sich Hinweise, dass sexuelle Funktionsstörungen ein Motivationsgrund für eine langfristige Opioidabstinenz sein könnten. Die Ergebnisse dieser explorativen Beobachtungsstudie sollten an größeren Fallzahlen und in interventionellen Studien überprüft werden.
Background: Opioid Maintenance Treatment (OMT) is an effective standard therapy for chronic opioid dependence. Opioid dependence and OMT are associated with a high prevalence of sexual dysfunction (SD), just like other substance dependencies. To the author’s knowledge, the importance of SD for OMT has never been investigated in direct comparison to other substance dependencies. Little is known about patients’ appraisal of OMT regarding SD. Data on the correlation between methadone dose and SD is unclear. Apart from methadone, levomethadone is the most often prescribed substance for OMT in Germany. Investigations on differences between methadone and levomethadone regarding SD are scarce. Aim: Investigation of SD in patients on methadone (MMT) and levomethadone (LMT) maintenance treatment compared to patients with other substance dependencies (POD). Assessment of patients’ appraisal, treatment satisfaction and need for advice. Investigation of the correlation between SD and opioid dose as well as substance differences. Methods: Survey of male and female patients on MMT (n=41), LMT (n=54) and POD (n=90). Sexual function was assessed using a questionnaire including patients’ general self- rating, International Index of Erectile Function and Female Sexual Function Index. Results: 69.1 % of patients on OMT and 18.2 % of POD reported sexual dysfunction (p<0.001). POD were more satisfied with their sexual life (p=0.023). 62.4 % reported deterioration of sexual function due to OMT. 55.6 % liked to end OMT because of SD. 51.4 % expressed the wish for medical advice because of SD, which only 15.6 % had already received. A positive correlation between general self-rated SD and methadone equivalent dose was found (p=0.001), in particular in doses above 120 mg. Patients on MMT reported more erectile dysfunction than patients on LMT (p=0.032). Conclusion: The study hints at a high relevance of SD in OMT compared to other substance dependencies. It also indicates that many patients on OMT wish for more medical advice on SD. The findings suggest that SD could be associated with higher doses of methadone and levomethadone. It could be assumed that especially in patients receiving high doses and suffering from SD a dose reduction could be useful. Furthermore, the data hints at benefits of LMT compared to MMT regarding erectile function. It also suggests that SD could be an incentive to achieve opioid abstinence. The findings of this study should be confirmed by conducting studies with a greater number of cases and studies with interventional design.