Die Verbindung zwischen der Notwendigkeit von Anästhesien bei Früh- und Neugeborenen und dem in neonatalen Tierexperimenten festgestellten neurodegenerativen Potential einzelner Anästhetika bietet Anlass zur eingehenden Untersuchung der ursächlichen Zusammenhänge. Auch wenn Propofol und Sevofluran aus klinischer Sicht als sichere Medikamente eingeschätzt werden, so ist der Erkenntnisprozess bezüglich neurodegenerativer Effekte von Anästhetika noch nicht abgeschlossen. Deshalb war das Ziel dieser Arbeit die Untersuchung Propofol- und Sevofluran-bedingter Effekte auf primäre embryonale Neuronenkulturen der Ratte hinsichtlich eines möglichen Einflusses auf die Zellviabilität. Des Weiteren sollte der Einfluss von γ-Aminobuttersäure (GABA)-Antagonisten auf diese Effekte überprüft und eine potentielle Anästhetika-bedingte Zellschädigung mithilfe eines enzyme-linked immunosorbent assay (ELISA) zum Nachweis der Fragmentierung der Desoxyribonukleinsäure (DNA) sowie durch Inhibitoren der apoptotischen / antiapototischen Signaltransduktion spezifiziert werden. Am 18. Embryonaltag (E18) wurden primäre kortikale Neuronen aus Wistar-Ratten gewonnen und kultiviert. Zur Testung möglicher Substanzeffekte wurden die Zellen einer Exposition mit Propofol in den Konzentrationen 0,01 mg/ml, 0,1 mg/ml und 1 mg/ml bzw. über eine Modular Incubator Chamber mit Sevofluran in den Konzentrationen 4 Volumen-Prozent (Vol%) und 8 Vol% für 3, 6, 9, 12, 24, 48 Stunden ausgesetzt. Die Zellviabilität wurde mithilfe des methyl thiazol tetrazolium (MTT) Tests bestimmt und mit Werten der Kontrollgruppe verglichen. Die anschließenden Versuchsreihen wurden unter Verwendung von Propofol und Sevofluran in den Konzentrationen 1 mg/ml bzw. 8 Vol% durchgeführt. Um im Rahmen der Wirkungsentfaltung der Anästhetika eine mögliche Rolle von GABA-Rezeptoren zu evaluieren, wurden unbehandelte Neuronen mit den GABA-Rezeptor-Antagonisten Gabazine und Picrotoxin prä- und anschließend mit dem jeweils zu untersuchenden Anästhetikum koinkubiert. Die mit der MTT-Methode ermittelte Zelllebensfähigkeit wurde mit der von Zellen nach alleiniger Anästhetika- Exposition verglichen. Mittels eines ELISAs wurde eine Anästhetika-bedingte Fragmentierung der neuronalen DNA überprüft und zwischen einem apoptotischen und nekrotischen Degenerationsvorgang unterschieden. Die Untersuchung des vorherrschenden Signaltransduktionsweges erfolgte unter Prä- und Koinkubation mit dem jeweiligen Anästhetikum und spezifischen Inhibitoren der Caspasen (zVAD-FMK), der mitogenaktivierten Protein-Kinase-Kinasen (MEK1/2) sowie der Phosphoinositid-3-Kinase (PI3K) in den Konzentrationen 0,4 mM (zVAD-FMK) und 0,1 mM (MEK1/2 und PI3K). Eine Konzentration von 0,1 mg/ml Propofol zeigte ab 48 Stunden einen signifikanten Rückgang der Viabilitätswerte. Bei der höchsten Propofolkonzentration von 1 mg/ml war eine signifikante Steigerung der Überlebensrate neuronaler Zellen nach drei und sechs Stunden Expositionsdauer nachzuweisen, wohingegen die ermittelten Viabilitätswerte ab 12 Stunden Propofolexposition signifikant erniedrigt waren. Bei der Inkubation mit Sevofluran in der Konzentration von 4 Vol% zeigte sich ein signifikanter Abfall der Zellviabilitätswerte nach 12 Stunden, der bei 8 Vol% Sevofluran bereits ab 6 Stunden eintrat. Unter Verwendung der GABA-Rezeptor-Antagonisten zeigte sich eine Aufhebung der Propofol-bedingten neuroprotektiven Wirkung, während die sowohl durch Propofol als auch durch Sevofluran ausgelöste Neurodegeneration nicht beeinflusst wurde. Die Evaluation der Art des vorherrschenden Degenerationsvorganges unter Anwendung eines DNA- Fragmentierungs-ELISAs ließ auf eine signifikante Propofol-bedingte Erhöhung der Apoptose- und Nekroserate sowie eine nur tendenziell erkennbare Nekrosesteigerung durch Sevofluran schließen, wohingegen bei den verwendeten Caspase- und Proteinkinase-Inhibitoren keine signifikante Zellviabilitätsänderung nachgewiesen werden konnte. Somit konnten in der vorliegenden Arbeit konzentrations- und expositionszeitabhängige Effekte der beiden untersuchten Anästhetika Propofol und Sevofluran auf das sich entwickelnde Gehirn bei Ratten nachgewiesen werden. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse und der breiten Verwendung dieser Anästhetika in der pädiatrischen Anästhesiologie sind weitere Untersuchungen zur Spezifizierung neurodegenerativer Effekte erforderlich, um durch eine Erweiterung des Verständnisses der Wirkmechanismen die Entwicklung maximal sicherer anästhesiologischer Behandlungsprotokolle gewährleisten zu können.
The requirement of general anesthesia for newborns and infants going through diagnostic or surgical interventions is undeniable. The increasing complexity in the combination of sedative, anxiolytic and analgetic drugs used in this regard is still contradictory to the current state of research. The aim of the study was to evaluate the influence of propofol and sevoflurane on primary neuronal cultures of embryonic rats. Therefore, primary cortical neuronal cultures were prepared from Wistar rat embryos (E18), kept in 100μl Gibco Neurobasal-A medium and exposed to 0.01 mg/ml, 0.1 mg/ml and 1 mg/ml propofol respectively 4 Vol% and 8 Vol% sevoflurane for up to 48 hours. Cell viability was assessed using the methyltetrazolium assay and was related to untreated controls. To evaluate the role of GABAA-receptors untreated cells were preincubated with the GABAA-receptor antagonists (GABAA-RA) gabazine or picrotoxin, following they were exposed to 1 mg/ml propofol respectively 8 Vol% sevoflurane and the GABAA-RA. Cell viability was related to propofol respectively sevoflurane treated controls. In addition the predominant way of cell death was evaluated by using a DNA fragmentation ELISA. A propofol concentration of 0.1 mg/ml reduced cell viability until 48 hours, whereas this could already be seen as from 12 hours at a concentration of 1 mg/ml. After three and six hours (1mg/ml) cell viability was significantly higher. Up to 6 (8 Vol.%) and 12 hours (4 Vol.%) of exposure to sevoflurane cell viability was equal when compared with untreated controls. Only longer exposure times led to significantly lowered cell viability. After 12 hours of exposure no significant differences in cell viability were found between these two series. GABAA-RA did not influence neurodegenerative effects of both anaesthetics but abolished the potential neuroprotective effect of propofol. The cell death detection ELISA revealed a significant higher apoptotic and necrotic fraction of the propofol treated cells. These results confirm on the one hand that high doses of propofol can cause potential GABAA-receptor-triggered neuroprotection and a following time-dependent, but GABAA-independent apoptotic and necrotic neurodegeneration in primary cortical neurons of the rat and on the other hand that sevoflurane does not cause neurodegeneration in primary cortical neurons of the rat following clinically relevant exposure times and concentrations. Even though this study is limited as an in vitro model with neuronal cells, it could demonstrate for the first time a combination of a time-dependant neuroprotection (propofol) and -degeneration (propofol respectively sevoflurane) when the invastigated anaesthetics were applied to primary embryonic cultures. Further investigations should be done to identify the underlying mechanism of neuronal damage and so to determine to what extent established anesthetic procedures may pose significant risk to the developing human brain.