Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Aufklärung der physiologischen und pathophysiologischen Funktion von nicht-sensorischem, glialem Innenohrgewebe leisten. Die elektrophysiologischen Untersuchungen dienten insbesondere der Aufklärung von Regulationsmechanismen der durch Zell-Zell- Kanäle (gap junctions) verbundenen Hensenzellen des Meerschweincheninnenohres, denen eine entscheidende Rolle bei der ionalen Homöostase des Innenohres zugeschrieben wird. Die vorliegenden Untersuchungen wurden mit der elektro- physiologischen Methode der doppelten Ganzzellableitung (double whole-cell patch-clamp) an frisch dissoziierten Hensenzellen des Meerschweincheninnenohres durchgeführt, da bislang in der Literatur nur Farbstoffkopplungen beschrieben wurden. Diese elektrophysiologische Methode repräsentiert den Goldstandard bei der direkten Untersuchung der durch Zell- Zell-Kanäle vermittelten interzellulären Kopplung. Zusätzlich wurden die begleitenden Veränderungen der Kalziumionenkonzentration mittels FURA-2-Fluoreszenzmikroskopie aufgezeichnet. Erstmals gelang es in den vorliegenden Untersuchungen, die elektrische Leitfähigkeit cochleärer Zell- Zell-Kanäle unter in-vitro-Bedingungen zu bestimmen. Die so nachgewiesenen, variablen Kanaleigenschaften lassen eine heterogene Konnexin- zusammensetzung der Zell-Zell-Kanäle im Corti-Organ vermuten und machen die Grenzen funktioneller Expressionsmodelle (Xenopus laevis-Oozyte, HeLa-Zelle) für die Aufklärung der interzellulären Kommunikation unter physiologischen und pathophysiologischen Bedingungen deutlich. Da freie Radikale bei der Entstehung wichtiger pathophysiologischer Vorgänge und Krankheitszustände im Innenohr eine zentrale Rolle spielen (u.a. bei der Lärmschwerhörigkeit, Aminoglykosidototoxizität, Presbyakusis), wurde deren Einfluß auf die interzelluläre Leitfähigkeit untersucht. So fanden sich eine konzentrationsabhängige Abnahme der interzellulärer Kopplung nach Perfusion mit H2O2 ohne morphologisch eingeschränkte Vitalität der Hensenzellen bei gleichzeitiger Modulation durch kalziumabhängige Signaltransduktionswege. Pathophysiologisch von großer Bedeutung erschien die Untersuchung der Beteiligung der Hensenzellen an der zellulären Ototoxizität von Aminoglykosiden. Bei Perfusion von gepaarten Hensenzellen mit pathophysiologisch schädigungsrelevanten Konzentrationen von Gentamycin zeigte sich eine konzentrationsabhängige Abnahme der interzellulären Leitfähigkeit, die sich durch präexponentielle Inkubation der Zellen mit Katalase, einem spezifischen Radikalenfänger, verhindern ließ. Grundlage dieser ototoxischen Gentamycinwirkung, die durch freie Radikale vermittelt wird, bildet die Fenton-Reaktion. Dabei kommt es zur Komplexbildung von Gentamycin und Eisenionen, in deren Folge freie Radikale entstehen. Eine Versuchsserie mit Eisenionen und dem Eisenchelatbildner Deferoxamin wies nach, dass dem Gentamycineffekt eine eisenabhängige, H2O2-generierende Reaktion zugrunde liegt. Da bislang die sensorischen Zellen des Innenohres (äußere Haarzellen) als zelluläres Haupttarget der Gentamycinototoxizität galten, gelang in den vorliegenden Untersuchungen erstmals der Nachweis einer Beteiligung nicht- sensorischer, glialer Innenohrstrukturen. Die klinische Relevanz der vorgelegten Untersuchungen fuer die HNO- Heilkunde ergibt sich aus der Tatsache, daß 50 % aller nicht-syndromalen Innenohrschwerhörigkeiten durch Mutationen in den Genorten entstehen, die das Kanalprotein Konnexin-26 (Cx26) kodieren. Cx26 ist das quantitativ wichtigste Konnexin, welches neben weiteren Konnexinen im Innenohr Zell-Zell-Kanäle (gap junctions) bildet. Störungen der physiologischen Zellfunktionen der Hensenzellen (u.a. Kaliumpufferfunktion, EP-Generierung) haben damit unmittelbare, gravierende Auswirkungen auf den Hörvorgang und können zum irreversiblen Hörverlust beitragen. Da die klinische Manifestation der Innenohrschwerhörigkeit bei gleicher Mutation stark variieren kann, ist die Aufdeckung von Regulationsvorgängen bei Zell-Zell- Kanälen des Innenohres von besonderem pathophysiologischem Interesse. Zusätzlich wird intermittierend die Hypothese einer „2. Mutation“ diskutiert, die in verschiedenen Fällen ursächlich für Hörstörungen nachgewiesen werden konnte. In den vorliegennden Untersuchungen konnten entsprechende zusätzliche Mutationen (GJB6-D13S1830) nur in einem von 530 Fällen nachgewiesen werden und sind daher aus epidemiologischer Sicht zu vernachlässigen. In der spezifischen Mutationsanalyse der untersuchten Population fanden sich entgegen aller bisherigen mitteleuropäischen Studien die Mutation M34T als die am häufigsten vorkommende Cx26- Mutation. Bislang konnte ansonsten c35 delG am häufigsten nachgewiesen werden. Dies lässt sich nur durch die hohe Vorselektion der analysierten Patientenpopulation in einer spezialisierten Fachabteilung erklären. Bei der tiefergehenden Analyse von Konnexinmutationen konnte ein gehäuftes Auftreten innerhalb der Gruppen von Patienten mit Otosklerose und Akustikusneurinomen nachgewiesen werden Hier sollten weitere Studien mit größeren Patientengruppen und spezifischer molekulargenetischen Fragestellungen finale Evidenz erbringen.
The presented study should contribute to the clarification of the physiologic and pathophysiologic role of non-sensory, glial inner ear cells. The electrophysiologic observation helped to clarify the regulationmechanisms of the cell- cell channel (gap junctions) connected guinea pig hensencells, which are assumed to play a central role in inner ear ionic homestasis. The presented observations are performed by using the double whole - cell patch- clamp technique at fresh preperated guinea pig hensencells, since so far only dye coupling experiments are described. This electrophysiologic method is the gold standard looking at direct cell- cell coupling. Additional observed changes of the intracellular potassium concentration were recorded by FURA-2-fluoreszenzmicroscopy. For the first time it was possible to estimate the electrical conductance of cochlear gap junction in vitro. Channel abilities are shown to be variable and are therefore a indirect sign of the assumed heterogenic connexin architecture of cell- cell channels in the organ of corti and underline the limits of functional models (Xenopus laevis-oozyte, HeLa-cells) for the clarification of intercellular communication under physiologic and pathophysiologic conditions. Free radicals play important role in important pathophysiologic conditions of the inner ear (e.g. noise induced hearing loss, aminoglycosid ototoxicity, presbyacusis ..). We looked at its influence on intercellular conductance. We observed a hydrogen peroxide concentration dependent decrease of intercellular coupling without any effect on the vitality of the hensencells. This effect modulates the intracellular calcium concentration. The pathophysiologic importance of hensencells for the cellular of presentation of aminoglycosid ototoxicity was shown. Perfusing of paired hensencells with pathophysiologic relevant concentrations of gentamicin showed a concentration dependend decrease of intercellular conductance. The addition of catalase, a specific radical scavenger, inhibits this effect. The underlying reaction of gentamycin ototoxicity is called fentons reaction. Formating a complex of gentamycin and iron generates free radicals. In a series of observations with deferoxamine, we were able to show that the gentamicin effect bases on a hydrogenperoxide generating reaction Since so far only the outer hair cells were proposed to be the main targets of gentamicin otototoxicity the present observations show an effect on non-sensory, glial cells, too. The clinical importance of this study for the ENT science bases on the fact that 50 % of all non-syndromal hearing losses are caused by connexin 26 (Cx 26) mutations. Cx26 is the most important connexin which contributes to the formation of inner ear cell- cell channels. Disturbance of the physiologic intercellular conductance of the hensencells (e.g. potassium homoestasis, ep- generation ..) has a direct effect on hearing a can end in a irreversible hearing loss. Since the clinical pattern of hearing loss can be variable in the same form of mutation, the clarification of regulation mechanisms are of special pathophysiologic interest. Additional a second mutation is discussed, which was shown in different cases. In the present study this mutation (GJB6-D13S1830) was shown in one out of 350 cases and is assumed to be epidemiologically irrelevant. The specific analysis of mutations showed in our population in contrast to all so far published mideuropean studies the M34T mutation as the most common. Usually the c35 delG mutation is found to be the most frequent. We assume the highly preselection of our study population to be the cause of this finding. A specific analysis of connexin mutations showed a increased frequency in the subgroups of patients with otosclerosis and acoustic neuroma. Additional studies with larger subgroups should elucidate the correlation between this groups and specific moleculargenetic findings.