Die vorliegende Arbeit untersucht aktuelle Problemfelder der gymnasialen Oberstufe und des Abiturs. Die Arbeit setzt sich aus fünf Teilstudien zusammen, die drei größeren Themenbereichen zugeordnet wurden. Themenbereich I befasst sich mit der Öffnung der Wege zur Hochschulreife. Teilstudie 1 untersucht die Entstehung und Entwicklung der beruflichen Gymnasien in Baden- Württemberg als einem hier besonders stark ausgebauten alternativen Weg zur Hochschulreife und gibt einen Überblick über die aktuelle Ausgestaltung dieser Schulform. In Teilstudie 2 wurden die im Bereich der naturwissenschaftlichen Grundbildung erzielten Leistungen von Baden-Württemberger und Hamburger Abiturienten aus unterschiedlichen Richtungen der gymnasialen Oberstufe untersucht. Die inhaltliche Interpretation der Testleistungen auf der Basis von Kompetenzstufenmodellen ergab für Baden-Württemberg insgesamt ein zufriedenstellendes Leistungsniveau. Die Leistungen der Hamburger Abiturienten fielen insgesamt niedriger aus. Bis auf die technischen Gymnasien blieben hier an allen alternativen Oberstufenrichtungen größere Schüleranteile hinter den angelegten Leistungserwartungen zurück. Themenbereich II widmet sich den aktuell in vielen Bundesländern zu beobachtenden Veränderungen in der organisatorischen Ausgestaltung der gymnasialen Oberstufe, in deren Zentrum der weitgehende Um- bzw. Rückbau des aus der großen Oberstufenreform von 1972 hervorgegangenen Kurssystems mit seiner charakteristischen Trennung von Grund- und Leistungskursen steht. Teilstudie 3 ordnet die gegenwärtigen Veränderungen in den größeren Zusammenhang der Oberstufenhistorie ein und gibt einen detaillierten Überblick über die Ausgestaltung der neuen Oberstufe in Baden- Württemberg, das in Bezug auf die jüngsten Veränderungen eine Art Vorreiterstellung übernommen hat. Teilstudie 4 untersucht mögliche Konsequenzen der neuen baden-württembergischen Oberstufenorganisation auf das mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildungsniveau der Abiturienten. Dazu wurden die in den beiden Kompetenzbereichen erzielten Leistungen von zwei baden-württembergischen Abiturjahrgängen, von denen einer die „alten“ und einer die „neuen“ Oberstufenstrukturen durchlaufen hat, gegenübergestellt. Die Ergebnisse deuten insgesamt auf nur geringe Veränderungen im Leistungsniveau und der Leistungsstreuung hin. Gegenstand von Themenbereich III ist die Vergleichbarkeit von Abiturleistungen über verschiedene Bundesländer hinweg. In Teilstudie 5 wurden die Fach- und Prüfungsnoten von Abiturienten aus Baden- Württemberg und Hamburg in Beziehung zu den mit standardisierten Leistungstests erfassten Fachleistungen gesetzt. Die Befunde ergaben für Mathematik deutliche Diskrepanzen in der Leistungsbewertung zwischen den Bundesländern. Hingegen korrespondierten die Fachnoten in Englisch recht gut mit den gezeigten Testleistungen. Die Prüfungsnoten, die in beiden Ländern auf zentral vorgegebenen Abschlussprüfungen basieren, zeigten für Mathematik eine bessere Passung mit dem Leistungsniveau als die Fachnoten. Die Befunde werden vor dem Hintergrund der Verteilungsgerechtigkeit beim Zugang zu begehrten Studien- und Ausbildungsplätzen diskutiert.
This dissertation investigates current issues relating to upper secondary schooling and the Abitur qualification in Germany. It comprises five studies addressing three broad topic areas. Topic area I investigates the opening of routes to higher education. Study 1 examines the origins and development of vocational Gymnasium schools in Baden-Württemberg, where this alternative pathway to higher education is particularly well established, and provides an overview of the current situation. Vocational Gymnasium schools were established with the dual objectives of tapping into unused “reserves of talent” to meet the social and economic demand for qualified labor and, at the same time, of reducing social barriers in access to higher level qualifications. Study 2 examines the scientific literacy of Abitur students in Baden-Württemberg and Hamburg in different types of upper secondary education. Test scores were interpreted on the basis of a proficiency level model. Findings revealed a satisfactory level of achievement overall for Baden- Württemberg. The performance of Abitur students in Hamburg was lower overall, with large proportions of students in all alternative Gymnasium types apart from those specializing in technology failing to meet minimum standards. Topic area II addresses the reorganization of upper secondary education that is currently ongoing in many of the German states. The restructuring has focused on the characteristic system of basic and advanced courses that emerged from the major 1972 reform of upper secondary education. Study 3 sets these developments within the broader historical context and gives a detailed overview of the new structure of upper secondary education in Baden- Württemberg, which has set the precedent for reform in other states. Study 4 investigates possible implications of the reorganization of upper secondary schooling by assessing the mathematics and science literacy of Abitur students in Baden-Württemberg. To this end, the performance of two cohorts of Abitur students – one educated within the “old” structures, and one within the “new” structures – in the two domains was compared. Overall, the findings indicate that there has been only slight change in the level and distribution of student performance. Topic area III is concerned with the comparability of the Abitur qualification across states. Study 5 examines the coursework and examination grades awarded to Abitur students in Baden-Württemberg and Hamburg in relation to their performance in standardized achievement tests. Clear between-state discrepancies were found in the level of students’ mathematics coursework. However, these substantial differences were not reflected in the grades awarded, which were almost identical in both states. A different picture emerged for English, where there was a high level of correspondence between performance in the standardized assessments and coursework grades, with much lower between-state differences in competency levels. The examination scores, which derived from centralized Abitur examinations in both states, corresponded much more closely with the test scores than did the mathematics coursework grades.