In zahlreichen empirischen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, daß es möglich ist, Aussagen von Kindern und Erwachsenen über reale Ereignisse durch suggestive Einflußnahmen so zu verändern, daß sie nicht mehr als zuverlässiger Bericht über den Befragungsgegenstand angesehen werden können. Als empirisch belegt gilt ferner, daß es auch möglich ist, Gedächtnisinhalte über gesamte Ereignisse, die tatsächlich nicht stattgefunden haben, zu evozieren. Von Bedeutung für die aussagepsychologische Praxis - so insbesondere bei der Beurteilung kindlicher Zeugenaussagen über sexuellen Mißbrauch - ist aber auch, wie sich wiederholte bzw. fortdauernde suggestive Beeinflussungen im Zeitverlauf in den Aussagen abbilden. Ferner interessiert, ob sich qualitative Unterschiede zwischen erlebnisbegründeten und suggerierten Aussagen nachweisen lassen und inwieweit Experten auf dem Gebiet der Glaubhaftigkeitsbegutachtung dazu in der Lage sind, zwischen erlebnisbegründeten und suggerierten Schilderungen zu differenzieren. Um die vorgenannten Fragestellungen zu beantworten, wurde ein Untersuchungsdesign entwickelt, das relevante Bedingungen der forensisch-psychologischen Praxis berücksichtigt. In die Untersuchung einbezogen wurden 67 Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren. Diese wurden insgesamt sechs Mal zu jeweils einem tatsächlich erlebten und einem fiktiven Ereignis befragt. Die Ereignisse hatten aversiven Charakter, waren körpernah und gingen mit Eigenbeteiligung und Kontrollverlust einher. Die ersten vier Interviews dienten der Induktion einer möglichst umfangreichen Aussage über ein fiktives Ereignis mittels verschiedener suggestiver Techniken. Das fünfte Interview wurde von Interviewern geführt, die über den Wahrheitsstatus der einzelnen Ereignisse nicht informiert waren. Sie hatten die Aufgabe, die Kinder neutral zu jeweils beiden Ereignissen zu befragen, um anschließend den Realitätsgehalt der Schilderungen zu beurteilen. Das sechste Interview diente der Teilaufklärung der Kinder und der Beantwortung der Frage, inwieweit es bei den Kindern zur Herausbildung von Pseudoerinnerungen gekommen ist. Die Ergebnisse zeigen, daß es im Verlauf wiederholter suggestiver Einflußnahmen zu einer erheblichen Zunahme an Zustimmungen zu den fiktiven Ereignissen gekommen ist. Dabei gewannen die suggerierten Schilderungen im Zeitverlauf derart an Qualität, daß sie sich diesbezüglich bei der neutralen fünften Befragung kaum noch von erlebnisbegründeten Schilderungen unterschieden. Dementsprechend zeigten die Experten Schwierigkeiten, zwischen erlebnisbegründeten und suggerierten Schilderungen zu differenzieren, insbesondere dann, wenn sie sich nur auf die Transkripte der Aussagen stützen konnten. Darüber hinaus ergaben sich Hinweise darauf, daß viele Kinder von dem Realitätsgehalt ihrer Schilderungen auch subjektiv überzeugt waren. Die Befunde werden im Hinblick auf ihre Relevanz für die aussagepsychologische Praxis diskutiert.
There have been numerous suggestibility studies in recent years which have demonstrated that reports of children and adults about a real event can be suggestivly influenced to such an extent that the statements are no longer reliable. It also has been shown that it is possible to evoke false memories about entire events that never occurred. Other relevant forensic issues - especially when judging statements of child witnesses about sexual abuse - are how statements develop over a course of various interviews, if there are quality differences between true and suggested accounts und to what extent experts of statement psychology are able to distinguish reliably between true and suggested statements. To answer these issues a study was designed taking into account relevant forensic factors. Sixty-seven children (aged between six and eight years) were interviewed individually six times about one real and one fictitious event. The events, individually selected for each child, were negative participant activities, wich involved the own body of the children and contained a loss of control (such as being bitten by an animal, falling off of a bicycle, cutting oneself etc.). The first four interviews served to evoke coherent statements about the fictitious event, applying various suggestive techniques. The fifth interview was conducted by different interviewers who did not know which of the events were true and which were fictitious. They questioned the children about both events in a non-suggestive manner. The sixth interview, conducted by a new informed interviewer, served to partially debrief the children, and to find out to what extent false memories had been created. Five blind experts were asked to jugde the quality and the credibility of the reports on the basis of different amounts of information (personal impression by interviewing the child, videotape of the interview, transcripts of the interview). Results show that over the course of the interviews there was a considerable increase of assents to the fictitious events. Moreover, the quality of suggested reports had increased substantially, so hardly any quality differences between true and suggested statements could be demonstrated in the fifth interview. Accordingly, experts had difficulties in discriminating between true and suggested reports, especially in identifying suggested statements. This was especially the case when they only used transcripts of the interviews. Furthermore, several children apparently were convinced of the truth of their reports and had developed false memories of the fictitious event. Results are discussed with regard to relevance to the practice of statement psychology and credibility assessment.