In der Anatomie wurden und werden menschliche Leichen für Forschung, Lehre und ärztliche Fortbildungen verwendet. Trotz einer langen Tradition und der inzwischen gesetzlich geregelten 'Körperspende' ist dies mit juristischen und ethischen Unsicherheiten behaftet. Daher erfordert die Verwendung von Leichen in der Anatomie eine fundierte Legitimation. Die vorgestellten Arbeiten zur Ausbildungsforschung zeigen, dass es aus methodischen Gründen schwierig bleibt, ein 'abschließendes' wissenschaftliches Urteil über die Effektivität eines Präparierkurses zu fällen. Da es andererseits keine ausreichenden Anhaltspunkte für negative Folgen solcher Kurse für die Teilnehmenden gibt, erscheint es grundsätzlich gerechtfertigt, sich ethischen Unsicherheiten auszusetzen. Die vorgestellten historischen und ethnologischen Arbeiten erlauben einen Perspektivenwechsel: Durch Untersuchung der Leichenverwendung in vergangenen historischen Epochen und in anderen Kulturen können ethische Voraussetzungen und Prinzipien dieser Praxis veranschaulicht und begründet werden. Bei diesen Untersuchungen traten vor allem zwei zentrale Themen hervor: die Kontinuität zwischen Lebenden und Verstorbenen einerseits, und die nicht reduzierbare Mehrdeutigkeit (ambiguity) der menschlichen Leiche andererseits. Das Konzept der Kontinuität äußert sich vor allem in der über den Tod hinaus geltenden Würde des Menschen sowie im Konzept der 'Körperspende', die den informed consent der klinischen Forschung am Menschen auf die Forschung und Lehre an Leichen überträgt. Damit können Körperspenderinnen und spender über die Verwendung ihres Leichnams nach dem Tod verfügen. Diese vor allem auf das Individuum blickende Perspektive reicht allerdings nicht aus, um alle ethischen Unsicherheiten zu klären, weil Anatomie als Wissenschaft sich nicht für das Individuum, sondern für das Verallgemeinerbare interessiert, weil der Verstorbene nicht mehr für sich selbst sprechen kann und weil die Bedeutung einer menschlichen Leiche nicht vom Verstorbenen allein determiniert werden kann. Die notwendige Erweiterung der Perspektive erfordert eine Auseinandersetzung mit der genannten Mehrdeutigkeit der menschlichen Leiche, die als "ambiguous man" sowohl ein Objekt mit materiellen Eigenschaften als auch ein Verstorbener mit Eigenschaften einer Person ist. Diese Ambiguität kann und soll nicht 'überwunden' werden. Sie kann aber in einem Konsens der Beteiligten überbrückt werden, dessen Tragfähigkeit sich an einer Kongruenz der Diskurse von 'Verwendern' und 'Verwendeten' ablesen lässt. Das Konzept der 'Körperspende' und das thailändische Konzept der 'Leiche als Lehrer' sind Beispiele für eine solche erfolgreiche Überbrückung. Abschließend wird aus den gewonnenen Erkenntnissen ein Vorschlag für ethische Prinzipien des Umgangs mit Körperspenden abgeleitet, der zu den Richtlinien für Forschung und Lehre an der Leiche beiträgt, wie sie von der internationalen Anatomengemeinschaft zurzeit geplant werden.
Anatomists use human bodies for research, teaching and advanced medical training. Despite a long tradition and the more recent legal regulation of 'body donation', this practise is nevertheless burdened with legal and ethical uncertainties. Therefore, modern-day anatomy still needs a well-founded legitimation of cadaver use. The educational research presented here demonstrates that, on methodological grounds, it remains difficult to produce a 'final' judgement on the effectiveness of anatomical dissection courses. On the other hand, there is no convincing evidence for negative consequences for participants of such courses, which at least justifies taking the risk of ethical uncertainties. The historical and anthropological research presented here facilitates a change of perspective: The investigation of cadaver usage in bygone historical periods and in different cultures illustrates and substantiates general ethical principles underlying this practise. In my investigations, two main themes emerged: the continuity between the living and the dead on the one hand, and the irreducible ambiguity of the human cadaver on the other hand. The concept of continuity is realised above all in the idea of human dignity extending beyond death, but also in the concept of 'body donation', which transfers the principle of informed consent – taken from clinical research on human subjects – into research on human cadavers. In this way, body donors have a say in the use of their body after death. Such a perspective aiming at the individual, however, does not remove all ethical uncertainties, because a) anatomy as a science is not interested in the individual but in generalisable facts, b) the deceased cannot speak for themselves anymore, and c) the value and meaning of a human cadaver cannot be determined by the deceased alone. The broadening of the perspective, which is therefore necessary, can be gained by an engagement with the above mentioned ambiguity of the human cadaver. The cadaver as "ambiguous man" is at the same time an object with material qualities and a deceased with personal qualities. This ambiguity cannot be simply 'overcome', but should be bridged by way of a consensus between all involved. The quality of this consensus can be deduced from the congruence of discourses of 'users' and of those 'used'. The concept of 'body donation' and the Thai concept of the 'cadaver as teacher' are examples for a successful bridging of this kind. In conclusion, a number of ethical principles for cadaver use in anatomy are suggested. These principles should contribute to the international guidelines for research and teaching on cadavers that are currently prepared by the international federation of anatomists.