Hintergrund: Die Netzhaut ist entwicklungsbiologisch Teil des zentralen Nervensystems und stellt daher ein vielversprechendes Zielgewebe für entzündliche und neurodegenerative Prozesse bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) dar. Mit der optischen Kohärenztomographie (OCT) ist es möglich, die retinale Anatomie schnell und nicht-invasiv zu untersuchen. Bisherige OCT Studien konnten einen axonalen und neuronalen Schaden in der Retina bei MS Patienten mit und ohne vorherige Sehnervenentzündung (ON) zeigen. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den MS-Subtypen und der zeitliche Verlauf der retinalen Veränderungen bisher nur unzureichend erforscht und die Ergebnisse zum Teil widersprüchlich. Bei einem Teil der MS Patienten wurden zudem makuläre Mikrozysten in der inneren Körnerschicht (INL) festgestellt und eine Verdickung der INL konnte mit der Krankheitsprogression assoziiert werden. Für das Auftreten von Mikrozysten und der Korrelationen zwischen INL Dicke und Krankheitsprogression existieren unterschiedliche Erklärungsmodelle (z. B. Glaskörpertraktion), die bisher allerdings nur unzureichend auf Validität untersucht wurden. Zielsetzung: Ziel dieser Arbeit war eine bessere Charakterisierung retinaler Veränderungen bei Patienten mit MS mittels hochauflösender spectral-domain OCT (SD-OCT). Methodik: In den vier hier präsentierten Studien wurden Patienten mit MS, klinisch isoliertem Syndrom (CIS), Neuromyelitis optica (NMO) und Chronic relapsing inflammatory optic neuropathy (CRION) mit SD-OCT untersucht. Für den Vergleich der Kohorten untereinander und zu gesunden Kontrollen wurden durchschnittliche retinale Schichtdicken und räumliche Dickenkarten verwendet. Ergebnisse: In einer großen Multicenterstudie konnten wir zeigen, dass retinale Schädigung bei Patienten mit progressiven Verlaufsformen stärker ausgeprägt ist als bei Patienten mit schubförmiger MS. Entgegen früheren Arbeiten zeigten die Ergebnisse der intra-retinalen Segmentierung bereits bei CIS Patienten ohne vorherige ON eine Reduzierung der Ganglienzellschichtdicke. Eine retrospektive Analyse ergab, dass Mikrozysten mit hoher Sensitivität und guter Spezifität auf Fundusbildern detektiert werden können. Mikrozysten sind allerdings nicht spezifisch für MS, sondern stehen im Zusammenhang mit vorherigen ON Ereignissen und finden sich vermehrt auch bei anderen Erkrankungen wie NMO und CRION. Auch ohne sichtbare Mikrozysten führt eine ON zu Verdickung der INL. In einem Fall kam es zu dynamischen Veränderungen der Mikrozysten, die aber nicht mit einer Zugwirkung der Glaskörpermembran an der Retina (Glaskörpertraktion) erklärt werden konnte. Diskussion: Die OCT etabliert sich immer mehr als Marker von Neurodegeneration in der MS. Mit neuer hochauflösender SD-OCT Technik und retinaler Schichtsegmentierung wird die Sensitivität weiter gesteigert und klinische Studien mit OCT als primärer und sekundärer Endpunkt- Parameter laufen bereits oder stehen unmittelbar bevor. Zudem liefert die OCT in der MS Forschung neue Einblicke in den Pathomechanismus der Erkrankung.
Background: During biological development, the retina originates from central nervous system tissue and therefore offers an interesting opportunity to monitor inflammatory and neurodegenerative processes in the context of multiple sclerosis (MS). Optical coherence tomography (OCT) is a fast and non- invasive technique to investigate the retinal architecture. While previous studies could show axonal and neuronal damage in the retina of patients with and without a history of optic neuritis (ON), only scarce and in part conflicting data exist on different MS subtypes and the temporal course of retinal alterations. Macular microcysts located in the inner nuclear layer (INL) were described in a subset of MS patients and an association between INL thickening and disease progression was found. Various theories exist explaining the appearance of macular microcysts and the correlation between INL thickening and disease progression (i. e. vitreous traction), but only insufficient tests for validity of these theories were performed. Objective: To better characterize retinal alterations in patients with MS using high- resolution spectral-domain OCT (SD-OCT). Methods: In the four studies presented here, patients with MS, clinically isolated syndrome (CIS), neuromyelitis optica (NMO) and chronic relapsing inflammatory optic neuropathy (CRION) were investigated with SD-OCT. Mean retinal layer thicknesses and spatial thickness maps were applied to compare the different cohorts with each other and to healthy controls. Results: In a large multicentre study, we could show that patients with progressive MS subtypes exhibit more severe retinal neurodegeneration than relapsing-remitting MS patients. In contrast to previous works, intra-retinal layer segmentation was able to detect ganglion cell layer reduction in CIS patients even in the absence of previous ON events. A retrospective analysis showed that macular microcysts could be identified with high sensitivity and good specificity using fundus images. However, microcysts are not specific for MS but were strongly associated with a previous ON and also occurred in other diseases like NMO and CRION. Even without visible microcysts, the INL thickness increased after an ON. One case presented with dynamic changes of microcysts, which could not be explained by vitreous traction. Discussion: OCT is gradually being established as a marker for neurodegeneration in MS. New high-resolution SD-OCT technique and retinal layer segmentation further increase the sensitivity, and clinical studies using OCT derived primary and secondary outcome parameters are on-going or about to commence. Furthermore, OCT continues to be an interesting tool in MS research and is providing new insights in the pathomechanisms of MS.