Kinder repräsentieren innerhalb einer Population die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Erstmals werden für den brandenburgischen Raum archäologisch geborgene Skelette von Kindern mit medizinischen Methoden analysiert, um Einblicke in deren Lebensbedingungen und Krankheitsbelastung zu erhalten. Aus der Population von Tasdorf (Landkreis Märkisch-Oderland) stehen 123 Kinderskelette des 13. bis 19. Jahrhunderts für die Untersuchungen zur Verfügung. Ein Ausrichtungswechsel der Gräber in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ermöglicht eine relativ sichere zeitliche Einordnung der Bestatteten einerseits in das späte Mittelalter (13.-16. Jahrhundert) und andererseits in die frühe Neuzeit (17.-19. Jahrhundert). Neben der osteologischen Bestimmung der Individualdaten mit den gängigen Methoden, erfolgte die Untersuchung der Gebisse und unspezifischen Stressmarker, sowie die Diagnose von Mangel- und Infektionserkrankungen mittels Licht- und Rasterelektronenmikroskopie sowie Röntgenbildern. Die Altersverteilung zeigt in der frühen Neuzeit ein hohes Sterberisiko von Neugeborenen und Mädchen im Kleinkindalter, im Mittelalter ist die Sterblichkeit dagegen im dritten Lebensjahr erhöht. In diesem Alter wurden die Kinder abgestillt, was mit besonderen Risiken verbunden war. Es ist ein gehäuftes Auftreten von Schmelzhypoplasien und Harris-Linien in Verbindung mit einer Stagnation des Längenwachstums zu beobachten. Diese Korrelation von unspezifischen Stressmarkern mit dem Abstillalter kann in der frühen Neuzeit nicht belegt werden. Die hohe Säuglingssterblichkeit deutet eher auf lang anhaltende Subsistenzkrisen und Armut in der Bevölkerung hin, die für die mittelalterliche Kinderpopulation nicht in dem Maße angenommen werden kann. Mangelernährung stellt für die Kinder beider Epochen ein grundlegendes Risiko dar. Durch eine vitaminarme Ernährung auf Getreidebasis kommt es häufig zu chronischem Vitamin C–Mangel, der bei der Hälfte der Individuen nachgewiesen werden kann. Die nachfolgende geschwächte Immunabwehr führt zu etlichen Folgeerkrankungen, wie Infektionen der Nasennebenhöhlen sowie der Hirnhäute. Im Vergleich mit frühmittelalterlichen Kinderpopulationen sind die Krankheitshäufigkeiten meist geringer, was zum Teil mit einer verbesserten Wohnsituation seit dem Hochmittelalter in Verbindung stehen dürfte. Sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede charakterisieren die Lebensbedingungen der Kinder im Verlauf des Spätmittelalters zur frühen Neuzeit. Nahrungsmängel sowie unzureichende Hygiene und dem daraus folgenden erhöhten Infektionsrisiko stellen die größten Gefahren dar. Insgesamt kann eine Verschlechterung der Lebensumstände vom späten Mittelalter hin zur frühen Neuzeit rekonstruiert werden.
Within a population the child represents the weakest member of a society. For the first time in the Brandenburg area recovered child skeletons were analysed with medical methods to obtain an insight into their living conditions and strains from diseases. 123 child skeletons from Tasdorf (County of Märkisch- Oderland), dating from 13th-19th century were subject to this analysis. The orientation of graves that changed in the second half of the 16th century made a relatively certain dating of the skeletons possible, since they were either from the Late Middle Ages (13th-16th century) or from the Early Modern Times (17th-19th century). In addition to the osteological classification of skeleton data teeth and unspecific stress markers were analysed and deficiencies and infectious diseases were diagnosed with light and scanning electron microscopy and x-ray. The age distribution shows a high mortality risk for newborns and female infants in the Early Modern Times, whereas infant mortality increases at the age of three in the Middle Ages. Children were usually weaned at the age of three, which involved particular risks for them. An accumulation of enamel hypoplasias and Harris-lines together with a stagnation of growth in height can be observed. Such a correlation of unspecific stress markers with the age of ablactating cannot be proved for the Early Modern Times. The neonatal mortality rather indicates enduring subsistence crises and poverty of the population, which cannot be assumed for the medieval child population. Malnutrition represents an essential risk for children from both eras. The lack of vitamins in a diet that is based on cereals leads to a chronic lack of vitamin C, which could be found in 50% of the individuals. The resulting weakened immune defence leads to numerous diseases, such as sinusitis and meningitis. The frequency of diseases is less compared to early medieval child populations. This can be attributed to an improved housing situation since the early High Middle Ages. Common features and differences characterise the living conditions of children during the Late Middle Ages to the Early Modern Times. Malnutrition as well as insufficient hygienic conditions and resulting higher infectious risks are major threats to children. Altogether the analysis allows a reconstruction of the deteriorating living conditions from the Late Middle Ages to the Early Modern Times.