Die kumulative Dissertation setzt sich aus den folgenden drei Artikeln zusammen: (Artikel 1) Grobe, Christian 2009: Wie billig ist Reden wirklich? Kommunikative vs. strategische Rationalität in einem experimentellen Diktatorspiel, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 16: 2, 269-297. Seit Beginn der ZIB-Debatte hat der kommunikationstheoretische Ansatz einen interessanten Evolutionsprozess durchlaufen, der zu einer verstärkten Hinwendung zu den institutionellen Rahmenbedingungen für erfolgreiches kommunikatives Handeln geführt hat. Gleichzeitig haben behavioristische Spieltheoretiker – nahezu unbemerkt von der politikwissenschaftlichen Forschung – den rational-choice-Ansatz auf ein breiteres Fundament gestellt. Vor diesem Hintergrund verfolgt dieser Artikel ein doppeltes Ziel: Im theoretischen Teil zeigt er, dass die Ausblendung neuer rationalistischer Erklärungen die Ergebnisvalidität kommunikationstheo-retischer Arbeiten gefährdet. Sobald nämlich argumentationsbasierte Verhaltensänderungen auch aus rationalistischer Perspektive erschließbar werden, kann der kontrafaktische Nach-weis kommunikativen Handelns vornehmlich über den institutionellen Kontext in einem Kurz-schluss resultieren. Zur Minimierung dieser potenziellen bias-Gefahr bestimmt der Artikel das Verhältnis zwischen kommunikativer und strategischer Rationalität neu, um anschließend im empirischen Teil den relativen Erklärungsbeitrag dieser beiden Rationalitätskonzepte im Rahmen eines Laborexperiments verzerrungsfrei zu vermessen. Dabei wird auch deutlich, wie die experimentelle Methode die empirische Feldforschung ergänzen kann – sie sollte daher zukünftig einen gleichberechtigten Platz im Methodenkabinett der IB einnehmen. (Artikel 2) Grobe, Christian 2010: The Power of Words: Argumentative Persuasion in International Negotiations, in: European Journal of International Relations 16: 1, 5-29. Die Analyse internationaler Verhandlungen erfolgte in den letzten beiden Jahrzehnten maß-geblich unter Rückgriff auf rationalistische bargaining-Ansätze. Jüngst haben Konstruktivis- ten allerdings auf einen alternativen Kausalmechanismus verwiesen, der Übereinkünfte zwi-schen den Verhandlungsparteien herbeiführen kann: argumentative Überzeugungsprozesse. Mittlerweile existieren zahlreiche empirische Studien, die nachweisen, dass die Macht der Wort in der Tat das Kalkül der Interessen überlagern und damit einen entscheidenden Ein-fluss auf das Verhandlungsergebnis ausüben kann. Rationalistische Theoretiker sind bisher nicht in der Lage gewesen, diesen Einfluss in ihrem Ansatz konzeptionell zu fassen. Der vor-liegende Artikel schließt diese Lücke, indem er eine rationalistische Überzeugungstheorie entwickelt. Diese Theorie, die ich Theorie funktionaler Überzeugung nennen möchte, fußt auf dem Mechanismus belief-basierter Positionswechsel: Argumentativer Austausch kann für die Akteure neue Informationen mit sich bringen und so über einen Einschätzungswandel direkt das individuelle Entscheidungsverhalten verändern. Im empirischen Teil dieses Artikels teste ich die Erklärungskraft der Theorie funktionaler Überzeugung gegen die beiden prominentes-ten Alternativen konstruktivistischer Provenienz. (Artikel 3) Grobe, Christian 2011: Die Lücke, die der empiristische rational-choice-Ansatz lässt, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 18: 1, 109-124 Brückenschläge zwischen rationalistisch und konstruktivistisch inspirierten Theorien der In- ternationalen Beziehungen stehen seit Jahren im Zentrum der Disziplin. Dieser Forumsbei-trag setzt sich kritisch mit dem jüngsten Versuch in dieser intellektuellen Tradition auseinan-der. Anhand neuester Arbeiten aus dem Kreis der experimentellen Ökonomik zeigt er, warum das Vorhaben von Johannes Marx, den allgemeinen theoretischen Kern der Internationalen Beziehungen mit dem Kern von rational choice gleichzusetzen, von einer unüberwindbaren Hypothek belastet wird. Die für seinen Integrationsvorschlag notwendige Öffnung des ratio-nal-choice-Ansatzes, vor allem für Prozesse des endogenen Präferenzwandels, verspielt näm-lich nicht nur die Erklärungskraft dieses Ansatzes, sondern überdehnt ihn darüber hinaus konzeptionell. Zur Vermeidung dieser unerwünschten Nebeneffekte skizziert der vorliegende Beitrag eine alternative Konzeption von rational choice, die das essentielle theoretische Pos-tulat fixer Präferenzen unangetastet lässt, aber dennoch eine integrative Perspektive auf die handlungstheoretische Debatte zwischen Konstruktivisten und Rationalisten eröffnet.
The cumulative dissertation consists of the following three articles: (Article 1) Grobe, Christian 2009: Wie billig ist Reden wirklich? Kommunikative vs. strategische Rationalität in einem experimentellen Diktatorspiel, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 16: 2, 269-297. Since the onset of the "ZIB debate" the theory of communicative action has witnessed an in- teresting evolutionary process, with institutional explanations for argument- based changes in agent's behavior moving into focus. At the same time, behavioral game theorists – practically unnoticed by political scientists – have broadened the foundations of traditional rational choice theory. Equipped with findings from laboratory experiments, they found numerous ways to explain changes in agent's behavior as a result of strategic action. By leaving these rationalist explanations aside, the validity of commonly used counterfactual proofs of com-municative action, via the institutional context, is threatened. To avoid the resulting danger of bias, the article puts forth a new definition of the relation between communicative and strate-gic rationality. Subsequently, it builds on this definition in order to measure the relative ex-planatory power of the two approaches by means of a laboratory experiment. The article thus shows how the adopted experimental method can supplement empirical field research, and therefore deserves to become an integral part of the standard toolkit used by political scien-tists. (Article 2) Grobe, Christian 2010: The Power of Words: Argumentative Persuasion in International Negotiations, in: European Journal of International Relations 16: 1, 5-29. Throughout the last two decades international negotiations have been predominantly ana-lysed from the perspective of rationalist bargaining theory. But most recently, constructivists have pointed to a different mechanism that may facilitate agreement among multiple parties: processes of argumentation. Indeed, numerous empirical studies were successful in showing that words have the power to change the initial bargaining position of an actor and thereby impact on the outcome of multilateral negotiations. Rationalists have so far been unable to capture this important role of argumentative talk within their conceptual framework. There-fore, this article introduces a theory of rational persuasion, which I call functional persuasion theory. According to this theory argument- based changes in bargaining positions are entirely belief- driven and are not due to a reformulation of agents’ preferences, as constructivists hold. The explanatory power of functional persuasion theory is demonstrated in the empirical part of this article by testing it against the most prominent constructivist explanations of ar-gumentative persuasion. (Article 3) Grobe, Christian 2011: Die Lücke, die der empiristische rational- choice-Ansatz lässt, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 18: 1, 109-124. Building bridges between rationalist and constructivist theories of international relations has become a discipline-wide effort over the last years. This article offers a critical assessment of the latest approach in this intellectual tradition put forth by Johannes Marx. Drawing on work by experimental economists I show why it is not possible to reconstruct rational choice theory as universal hard core of IR. Since this step required theorizing an endogenous change of preferences, as Marx argues, it would overstretch the rationalist approach. In order to avoid this undesirable effect, I will introduce an alternative conception of rational action. This conception, its commitment to fixed preferences notwithstanding, offers an integrative perspective on the current debate between rationalist and constructivists with a specific focus on bar- gaining and arguing in intern