Anhand der Werke von Bernd und Hilla Becher, Albert Renger-Patzsch, August Sander und Karl Blossfeldt analysiert die vorliegende Arbeit eine Fotografie, die sich scheinbar weder auf Kunst noch Dokumentation festlegen lässt, sondern vielmehr beide Bereiche in sich vereint. Die Fragestellung, ob es tatsächlich einen fließenden Übergang zwischen Kunst und Dokumentation gibt und inwiefern diese Kategorien unterschieden werden können oder vielleicht doch deckungsgleich sind, wird anhand der vier fotografischen Werke eingehend erörtert. Die Arbeitshypothese der vorliegenden Arbeit ist, dass die Arbeiten der hier behandelten Fotografen nicht nur zwischen Ästhetik und Wissenschaft, zwischen Objektivität und Subjektivität, sondern damit vor allem auch zwischen Kunst und Dokumentation stehen. In der vorliegenden Arbeit wird der Fragestellung nachgegangen, inwiefern diese Kategorien starre Konstanten sind, die klar voneinander abgegrenzt existieren, wie die Grenze verläuft oder verlaufen könnte und ob sie überhaupt gezogen werden kann. Eine strikte Isolierung der jeweiligen Bereiche würde ein Ausblenden wichtiger Einzelaspekte bedeuten, ohne die die vier Werke nicht zu denken sind. Alle genannten Begriffe müssen im jeweiligen historischen Kontext gedacht werden und sind nicht ohne weiteres festzulegen. Eine klare Definition, Grenzziehung und damit Zuordnung ist aufgrund sich immer wieder verändernder Gegebenheiten, Rahmenbedingungen und Kontexten nicht möglich, sondern unterliegt einem ständigen Wandel. Die Thematik wird aus kunsthistorischer, kunsttheoretischer, kultureller und naturwissenschaftlicher Perspektive betrachtet. Die vorliegende Arbeit möchte den Forschungsstand um einen weit gefächerten Blick auf die Werke Bernd und Hilla Bechers, Albert Renger-Patzschs, August Sanders und Karl Blossfeldts erweitern. Die Arbeiten der Fotografen werden dabei unter werkimmanenten, historischen und zeitgenössischen Gesichtspunkten in den kunsthistorischen Zusammenhang gestellt. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung geht die vorliegende Dissertation sowohl den verschiedenen Facetten der Becher’schen Industriefotografie, als auch den Aspekten neusachlicher Fotografie in Deutschland nach. Eine Konzentration auf das Werk und Schaffen von Bernd und Hilla Becher mit den Arbeiten Albert Renger- Patzschs, August Sanders und Karl Blossfeldts als Vergleichsgegenstand dient dazu, die oben genannten Kategorien und Begriffe zu veranschaulichen und zu überprüfen. Durch die exemplarische Betrachtung des Becher’schen Werkes sowie der Arbeiten Renger-Patzschs, Sanders und Blossfeldts wird die Selbstverständlichkeit hinterfragt, mit der immer wieder auf die Objektivität und den dokumentarischen Charakter ihrer Fotografien verwiesen wird. Dafür wird zu Anfang eine Verortung des fotografischen Mediums vorgenommen, die zunächst historischer und dann theoretischer Art ist. Erstere zeigt, dass die Fotografie schon früh als Dokument auf juristischem und wissenschaftlichem Gebiet Verwendung fand. Zwischen der Fotografie und dem abgebildeten Gegenstand scheint eine physische Verbindung zu bestehen, die auf eine Spur und einen Abdruck der Realität verweist. Die Fotografie wird so zum beglaubigenden Instrument in Gerichtsprozessen, in der Wissenschaft und im Geschehen der Welt. Die theoretische Verortung macht deutlich, dass die Kategorien „Objektivität“ und „Subjektivität“ einem stetigen Wandel unterlagen. Sie bedeuteten zu anderen Zeiten an anderen Orten ganz Unterschiedliches, mitunter Gegensätzliches, und entwickeln sich in ihrer Begriffsbedeutung auch heute noch weiter. Die Bedeutung der Arbeiten von Bernd und Hilla Becher, Albert Renger-Patzsch, August Sander und Karl Blossfeldt wird vor dem Hintergrund der verschiedenen Theorien zur Fotografie, bereits bestehender Forschungsergebnisse zu den vier Werken und im Kontext wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Thema Objektivität und Optik sowie zum Thema Archiv und Ausstellungsraum herausgestellt. Die Dissertation möchte damit nicht nur den Blick auf die besprochenen Werke, sondern auch auf die Interdisziplinarität von Kunst und Wissenschaft sowie die eigene Wahrnehmung, verändern und bewusst machen.
This dissertation handles the works of Bernd and Hilla Becher, Albert Renger- Patzsch, August Sander and Karl Blossfeldt and analyzes a type of photography that eludes classification as purely art or purely documentation, but rather exists as a combination of both. Using the aforementioned photographers and their works as a foundation, the question of whether or not there is a smooth transition between art and documentation and how this difference does or does not manifest is discussed in detail. The operational hypothesis of this study is that the work of these photographers exists in a space not only between aesthetics and science, between objectivity and subjectivity, but actually straddles a larger sphere between art and documentation. The present study addresses the question of how these categories exist clearly separated, how the boundaries exist or could exist and if they can be drawn at all. Strict differentiation between these areas would mean ignoring important individual aspects of the collective oeuvre, resulting in the unthinkable exclusion of individual characteristics. Every working term must be put into an historical context, as without this consideration, definition is impossible. Clear definitions and subsequent classifications are incumbent upon historical and modern-day context, thus are subject to constant change. The topics within this work are looked at from art-historical, art-theoretical, cultural and scientific perspectives. This document aims to expand the state of research by providing a wide-ranging look at the works of Bernd and Hilla Becher, Albert Renger-Patzsch, August Sander and Karl Blossfeldt. The works of the photographers are put in the context of art history by work-immanent, historical and contemporary aspects. Given this objective, this dissertation investigates the different facets of the industrial photography of the Becher’s, as well as the aspects of the “Neue Sachlichkeit” in Germany. The oeuvre of Bernd and Hilla Becher is compared with the works of Albert Renger- Patzsch, August Sander and Karl Blossfeldt as means to illustrate and review the categories and concepts above. Through the exemplary consideration of the Becher's work as well as the work of Renger-Patzsch, Sander and Blossfeldt, the qualifications, which are repeatedly used to refer to the objectivity and the documentary character of their photographs, are questioned. To deal with these questions, first a historical and theoretical localization of the photographic medium is made. The former shows that photography was used early as a document in the legal and scientific disciplines. Between the photograph and the depicted object a physical connection seems to exist as an impression of reality. Photography then became an instrument certifying the legal process, in science and in global events. This historical and theoretical framework makes clear that the categories of "objectivity" and "subjectivity" were subject to constant change. At other times and in other places, they meant quite different things, sometimes opposites, and are terms that are still evolving in their meaning today. The importance of the works of Bernd and Hilla Becher, Albert Renger-Patzsch, August Sander and Karl Blossfeldt are presented through the lenses of the various theories of photography, existing research on the four oeuvres, the context of scientific knowledge on the subject of objectivity and optics, as well as archives and exhibition space. The thesis would thus not only like to change and raise awareness of the discussed works, but also of the general interdisciplinarity of art and science and aims to change and increase individual perception.