Sialinsäuren (Sia) spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung, Regeneration und Pathogenese verschiedener Krankheitsbilder. Die Modifikation zellulärer Sialinsäuren mittels Vorläuferanaloga wird Biochemical Engineering genannt. Sie ermöglicht die funktionelle Untersuchung der N-Acyl-Seitenkette im Hinblick auf das Expressions-, Adhäsions-, Proliferations- und Differenzierungsverhalten der Zelle. In dieser Arbeit wurden, neben der Verteilung natürlicher Sialinsäuren, erstmals die substanz- und zeitabhängigen Veränderungen nach Applikation natürlicher oder biochemisch modifizierter Sia- Vorläufer in vivo analysiert. Hierbei ergaben sich deutliche Hinweise darauf, in welchen Organen ein besonders hoher Sia-Stoffwechsel stattfindet und welche biologischen Abläufe auch in vivo gezielt beeinflusst werden können. In Anbetracht der Tatsache, dass Sialinsäuren eine entscheidende Rolle bei Zell- Zell- und Zell-Matrix-Interaktionen spielen, ist dies eine wichtige Erkenntnis für zukünftige Forschungsprojekte. Zudem stellen Befunde wie beispielsweise der bis zu 68% reichende Austausch natürlicher Sialinsäuren nach nur 45 Tagen oder die im Rahmen unserer Nebenwirkungssuche durchgeführten und als unauffällig bewerteten histochemischen Untersuchungen eine Weiterentwicklung zu potentiell pharmakologischen Anwendungen in Aussicht. Neben umfangreichen pharmakokinetischen Daten, die auch heterozygote GNE-Mangel-Mäuse berücksichtigen, wurden Ansätze für mögliche klinische Anwendungen dargelegt. So konnten wir z.B. demonstrieren, dass die Applikation von N-Propanoylmannosamin zu einer verminderten Polysialylierung des NCAM und folglich zu einer Reduzierung des metastatischen Potentials führt. Dies könnte die Grundlage für eine neue Therapieoption bei bösartigen Tumoren wie dem alveolaren Rhabdomyosarkom, dem undifferenzierten Neuroblastom, dem anaplastischen Wilms-Tumor, dem peripheren T-Zelllymphom, dem Pankreas- Carcinom sowie allen endokrinen Lungentumoren darstellen. Auch aus den Bereichen der Endokrinologie und Neurologie ergaben sich beeindruckende Beobachtungen. Nach nur wenigen Behandlungstagen konnten wir signifikant erhöhte Testosteronkonzentrationen bei gleichzeitig verbreiterter Keimzellepithelschicht und erhöhter Spermatogenese registrieren. Diese Befunde bieten neben der direkten Anwendungsmöglichkeit bei Patienten mit angeborenem oder erworbenem Testosteronmangel die Basis für eine neue Beeinflussungsmöglichkeit von pathopysiologischen Prozessen, an denen Glykoproteine beteiligt sind. Über ähnliche Mechanismen könnten schon in naher Zukunft die Steuerung von Peptidhormon- oder Transportprotein-Halbwertszeiten sowie die gezielte Veränderung von Rezeptorsensitivitäten möglich sein. In zahlreichen Verhaltenstest ergaben sich zudem interessante Hinweise auf ein schnelleres Auffassungsvermögen bei gleichzeitig verminderter Umlerngeschwindigkeit. Hierdurch wurden Ansätze zur Weiterentwicklung therapeutischer Möglichkeiten gegen Erkrankungen, die mit Störungen der synaptischen Plastizität einhergehen, bereitgestellt. Zuletzt analysierten wir Myelin-assoziierte Proteine (MOG, MBP) auf Veränderungen. In Zusammenschau mit der derzeitigen Pathogenese-Theorie ergaben sich hierbei ebenfalls hoffnungsvolle Befunde, die die Grundlage für ein neues, nebenwirkungsarmes Therapiekonzept der Multiplen Sklerose darstellen könnten.
Sialic acids (Sia) play an important role during development, regeneration and pathogenesis of different diseases. The modification of cellular sialic acids by using synthetic precursors is called Biochemical Engineering. It allows the functional examination of the N-Acyl-side-chain with regard to expression, adhesion, proliferation and differentiation of the cell. In this work the distribution of natural Sia as well as the substance- and time-dependent changes of Sia after application of modified precursors were analysed in vivo for the first time. Thereby arose clear references to the organs in which a particularly high Sia metabolism takes place and which biological processes can be influenced specifically in vivo. Considering to the fact that Sia play an essential role in cell-cell- and cell-matrix-interactions, this is an important evidence for further research. Our results promise a further development to potentially pharmacological applications. We could demonstrate an exchange of natural Sia reaching 68% after only 45 days. Furthermore the investigation into side effects showed unobtrusive histochemical findings. Next to extensive pharmakokinetic data also regarding UDP-N-acetylglucosamine-2-epimerase/N-acetylmannosamine kinase (GNE)-deficient mice, approaches for possible clinical applications were explained. So we could demonstrate that application of N-Propanoylmannosamin leads to a reduced NCAM-Polysialylation and in consequence to a reduction of the metastatic potential. This might indicate new therapeutic options for several tumor types, e.g. alveolar rhabdomyosarkoma, undifferentiated neuroblastoma, anaplastic Wilms tumor, peripheral T-cell lymphoma and pancreatic carcinoma as well as any endocrine lung tumor. In the field of endocrinology and neurology impressive observations could be made, too. After a few days of treatment we could register significantly increased levels of testosterone and an increased spermatogenesis. Besides the possibility of direct application among patients with an innate or acquired testosterone deficiency, these results give the opportunity for a completely new possibility to influence pathophysiological processes in which glycoproteins are involved. It could be possible in near future to control the half-lives of peptide-hormones or transportation- proteins as well as the sensitivity of specific receptors through similar mechanisms. Moreover, a plenty of tests regarding behaviour showed a faster on-capacity but a reduced relearn-rate. Due to these experiments, skills for a further development of therapeutic methods against illnesses which are accompanied by disturbances of the synaptic plasticity were provided. Finally, we analyzed Myelin-associated proteins (MOG, MBP) concerning modifications. Combined with the current theory of pathogenesis, some results indicate anew therapeutic concept of Multiple Sclerosis without significant side effects.