dc.contributor.author
Hanebeck, Christine
dc.date.accessioned
2018-06-07T21:47:28Z
dc.date.available
2011-11-16T09:46:18.674Z
dc.identifier.uri
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/8420
dc.identifier.uri
http://dx.doi.org/10.17169/refubium-12619
dc.description.abstract
Im Ergebnis der Untersuchung zur Verbindung zwischen dem Heiligen Antonius
d.Gr. und dem Schwein bestätigte sich, dass diese nicht auf die historische
Ursprungsfigur aus dem 4. Jh. n.Chr. zurückgeht, sondern ausschließlich auf
das Wirken des größten Hospizordens des Mittelalters, des Antoniterordens. Das
Leben der historischen Ursprungsfigur Antonius ist mit der „Vita Antonii“ des
Athanasius von Alexandria ausführlich überliefert worden. In die
Lebensbeschreibung des altägyptischen Einsiedlers Antonius sind wichtige
Punkte der kirchenpolitischen und theologischen Auseinandersetzungen ihrer
Abfassungszeit mit eingeflossen. In diesen Kontext muss auch eine überlieferte
Lehrrede des Antonius eingeordnet werden, in der durch das Zitieren der
neutestamentlichen Geschichte von der Heilung des Besessenen auf das
Verständnis des Schweines als unreines Tier hingewiesen wird. Haustiere,
insbesondere das Schwein, werden in der „Vita Antonii“ ansonsten an keiner
Stelle thematisiert und können deshalb mit dem historischen Antonius nicht in
Verbindung gebracht werden. Der Hinweis auf das Schwein im Zusammenhang mit
dämonischen Mächten verweist jedoch im allgemeinen auf das jüdische und
frühchristliche Verständnis des Schweines als unreines Tier. Dieses existierte
im Orient und späterhin im gesamten Mittelmeerraum –oftmals neben dem
traditionell bestehenden wertschätzenden Verständnis dieses seit langem
domestizierten Tieres durch die jeweils angestammten Bevölkerungsgruppen. Bis
ins Mittelalter hat sich die abschätzige Wertung des Schweines als unreines
Tier teilweise halten können, obwohl es in vielen Teilen Europas zum
wichtigsten Fleischlieferanten für die Ernährung der Bevölkerung geworden war.
Die Verbindung des Heiligen Antonius d.Gr. mit dem Schwein ist zeitlich erst
im Mittelalter anzusiedeln. Der Antoniterorden, der im Jahr 1247 in Frankreich
aus einer caritativ tätigen Laienbruderschaft heraus entstand und sich zum
größten und mächtigsten Hospizorden des Mittelalters entwickelte, berief sich
auf den hl. Antonius als Ordenspatron. Der Antoniterorden widmete sich der
Pflege und Therapie von mit Mutterkorn vergifteten Menschen bzw. der Betreuung
der Genesenen, die oftmals als Krüppel weiterleben mussten. Im Rahmen ihrer
Tätigkeit spezialisierten sich die Antoniter auf die Diagnostik und Therapie
insbesondere der gangränösen Form dieser Intoxikation. Sie machten sich um das
mittelalterliche Hospizwesen, um die Entwicklung spezieller therapeutischer
Ansätze sowie um die Verbreitung speziellen medizinischen Fachwissens ihrer
Zeit verdient. Zur Absicherung der benötigten materiellen Grundlage für seine
Arbeit etablierte der Orden ein durchorganisiertes Sammelwesen, den „Quest“.
Es wurde üblich, dass die -überwiegend in agrarischen Strukturen lebende-
Bevölkerung entweder kollektiv aufgezogene Schlachtschweine oder aber Ferkel
zum weiteren Aufmästen als Naturalgabe spendete. Schweine eigneten sich
aufgrund ihrer Frohwüchsigkeit sowie ihrer unkomplizierten Aufzucht und Mast
(Waldweidemast; Speiseabfälle) besonders für eine effektive
Lebensmittelproduktion. Die Antoniter entwickelten sich in diesem Zusammenhang
zu Spezialisten in Schweinehaltung und –zucht. Von Vorteil für die Haltung von
Schweinen durch einen Hospizorden war dabei, dass die Schweine (die in
Phänotyp und Habitus dem Wildschwein noch sehr ähnlich waren) relativ
resistent gegen ansteckende Krankheiten, d.h. auch gegen eine Ansteckungen mit
Zoonosen waren. Der Orden und die Schweine wurden im Bewusstsein der
mittelalterlichen Bevölkerung so sehr in einen Zusammenhang gebracht, dass
auch dem Ordenspatron in ikonografischen und künstlerischen Darstellungen das
Schwein als Attribut zugeordnet wurde. Nicht nur im Zusammenhang mit ihren
Kompetenzen hinsichtlich der Schweinehaltung und – zucht genossen die
Antoniter ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Auch ihre Hingabe an die
Krankenpflege sowie ihre Therapieerfolge im Kampf gegen das „Heilige Feuer“
machten sie im Volk sehr beliebt und populär. Die hohe Popularität des Ordens
übertrug sich auch auf den Ordenspatron, dem selbst sowohl strafende als auch
wunderheilende Tätigkeit zugetraut wurde. Die Mutterkornvergiftung wurde
deshalb auch „Antoniusfeuer“ genannt. Entsprechend der großen Popularität des
Antoniterordens gelangte auch der hl. Antonius im Mittelalter zu einer neuen
–ganz volkstümlichen- Beliebtheit. Er wurde zum Schutzpatron gegen das
„Heilige Feuer“ sowie für die Haustiere (v.a. für das Schwein) und die
Landleute. Diese Entwicklung ist nur aus dem Kontext der Tätigkeit der
Antoniter heraus zu verstehen. Die Verehrung der Ordensbrüder war auf den
Ordenspatron übergegangen und vermischte sich mit der traditionell schon seit
langem bestehenden Verehrung als Mönchsvater. Die tiefe Verwurzelung der
Antoniusverehrung in der europäischen Bevölkerung drückt sich in der
Überlieferung vieler, z.T. heute noch gebräuchlicher, Sitten, Bräuche,
Redensarten und Wetterregeln aus, die sich auf ihn beziehen. Das
Schutzpatronat des Heiligen Antonius d.Gr. über das Schwein war ürsprünglich
–im Gegensatz zu dem Schutzpatronat des Heiligen Franziskus von Assisi- als
ein Schutzpatronat über die Menschen zu verstehen, deren Existenz vom Schwein
abhängig war und ist. Die Mutterkornvergiftung spielte im Mittelalter eine
große Rolle, aufgrund ihrer vielfältigen Symptomatik war sie oft nicht
eindeutig diagnostizierbar. An vielen Krankheitsgeschehen und Seuchenzügen
–sowohl Menschen als auch Tiere betreffend- war sie mit beteiligt. Der
Zusammenhang zwischen dem veränderten Nahrungsgetreide (vornehmlich dem
Roggen) und der Krankheit war im Mittelalter bereits bekannt. Dass es sich
beim Mutterkorn um eine Pilzerkrankung handelt, blieb aber bis 1711
unentdeckt. Damit ordneten sich Erkenntnis und Therapie des Ergotismus im
Mittelalter in den allgemeinen Stand der Medizin („Empirie“) ein. Während sich
der Ergotismus beim Menschen noch in seinen relativ deutlich unterscheidbaren
Hauptformen –der gangränösen und der convulsiven Form- beschreiben lässt, weiß
man aus neueren Forschungen (20./21. Jh.), dass die Ausprägungen der
Vergiftung bei Tieren noch vielfältiger und unspezifischer sind. Auch heute
noch gestaltet sich die Diagnostik des Ergotismus schwierig. Entsprechend gilt
für die Tierseuchen im Mittelalter, dass die Mutterkornvergiftung sehr oft als
Differentialdiagnose oder zumindest als beteiligte Erkrankung mit angenommen
werden muss. Die Ausprägungen des Ergotismus beim Tier hängen von der absolut
aufgenommenen Menge an Mutterkorn, von der Art der aufgenommenen
Futterpflanzen, vom Alkaloidmuster der Sklerotien und v.a. auch von der
Verdauungsphysiologie der jeweiligen Tierspezies ab. Deshalb gibt es keine
verlässlichen Angaben zu toxischen Minimaldosen, Grenzwerten o.ä. für die
Mutterkornaufnahme durch Tiere. Auch beim Schwein kann die Mutterkornaufnahme
zu verschiedensten Symptomkomplexen führen, so dass die Intoxikation auch für
diese Tierart als mögliche Deutung geschichtlich überlieferter Krankheiten/
Seuchen in Betracht gezogen werden kann. So käme sie auch als Erklärung für
mögliche Fehldiagnosen im Hinblick auf den Milzbrand in Frage, denn das
Schwein gilt –aus heutiger Kenntnis heraus- als relativ unempfindlich
gegenüber einer Infektion mit dem Milzbranderreger. I.d.R. kommen beim Schwein
nur die pharyngeale Form und die Darmform des Milzbrandes vor. Wenn die
Antoniter aufgrund ihrer speziellen Kenntnisse bezüglich des Schweines schon
wussten, dass die Gefahr einer Übertragung der Zoonose Milzbrand vom Schwein
auf den Menschen relativ gering ist, könnte dies ein weiterer wichtiger Grund
gewesen sein, sich (fast) ausschließlich auf das Schwein als Haustier,
Fleisch- und Fettlieferanten (Salbengrundlagen) zu konzentrieren. Während der
Ergotismus in Mitteleuropa lange Zeit keine wichtige Rolle mehr spielte, was
sich in wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Lehrbüchern der jüngeren
Geschichte niederschlägt, nimmt er heute wieder an Bedeutung zu. Die
Beschäftigung mit seinen Ausprägungen bei Mensch und Tier erscheint deshalb
wieder vermehrt geboten.
de
dc.description.abstract
As the result of the investigation of the connection between St. Antony “the
Great” and the pig is confirmed, that this is not based on the historical
original person from the 4th century, but rather exclusively it is based on
the work of the biggest hospice-order of the Middle Ages, the Antoniter-order.
The biography of the historical original person Antony has been come down with
the "Vita Antonii" of Athanasius of Alexandria in detail. Important points of
the church-political and theological discussions of it`s writing time have
slipped in onto this biography of the old- egypt hermit Antony. In this
context a traditional teaching speech of St. Antony has to be integrated in
which is citing the biblical story about the “Healing of the demented man”, in
which is pointed to understanding the pig as an impure animal. Domestic
animals, in particular the pig, are picked out as a central theme at no place
of “Vita Antonii”. Therefore domestic animals, in particular the pig, can not
be associated with historical Antonius. However, the tip on the pig in
connection with demonic power refers in general to the jewish and early-
christian understanding of the pig as an impure animal. This understanding
existed in the old Orient and later in the whole mediterranean area, often
beside the traditionally existing esteeming understanding of this for a long
time domesticated animal by the hereditary population groups. Till the Middle
Ages the disparaging judgement of the pig as an impure animal could keep
itself partial, although it had become in many parts of Europe the most
important meat supplier for population`s feeding. The connection of St. Antony
“the Great” with the pig is to be settled chronologically only in the Middle
Ages. The Antoniter-order which originated in 1247 in France and which went
out from a charitable active lay brotherhood, developed to the biggest and
mightiest hospice-order of the Middle Ages. It refers to St. Antony as the
order-patron. The Antoniter-order devoted itself to the care and therapy of
people poisoned with ergot and to the care of the recovered people, who often
had to live on as a cripple. Within the scope of their activity the Antoniter
specialized in the diagnostics and therapy in particular of the gangrenous
form of this Intoxikation. They rendered outstanding services to the medieval
hospice system, to the development of special therapeutic attempts as well as
to the spreading of medical specialist knowledge of their time. To cover the
required material basis for it`s work the order set up a highly organized
collective system, the "Quest". It became usual that the population
-predominantly living in agrarian structures- donated either collectively
drawn up battle pigs or piglets to further fatten as natural contributions.
Pigs were suitable on account of their quickly growing up and of their
uncomplicated breeding (keeping in forest; feeding with food rubbish)
particularly for an effective food production. In this connection the
Antoniter developed to specialists in pig keeping and -breeding. Advantageous
to keeping pigs by a hospice-order was that the pigs (which still were very
similar to the wild boars in appearance and disposition) were relatively
resistant to contagious illnesses, so also to infections with zoonoses. In the
consciousness of the medieval population the order and it`s pigs were brought
so much in a connection that in iconographic and artistic representations the
pig was assigned to the order-patron as an attribute. Not only in connection
with their competence concerning the pig-keeping and -breeding the Antoniter
enjoyed high respect in the population. Also their devotion to the nursing as
well as their therapy results in the fight against the „holy fire“ made them
very much popular among the people. The high popularity of the order also
transfered to the order-patron who was credited with even punitive as well as
sore-curative activities. Therefore, the ergot poisoning was also called
"Antonys fire". According to the big popularity of the Antoniter-order also
St. Antony in the Middle Ages reached a new popularity. He became the patron
against the „holy fire“ as well as the patron for the domestic animals (above
all for the pig) and the country people. This development only can be
understand from the context of the activities of the Antoniter. The admiration
of the order-members had gone over to the order- patron and mixed with the
traditional admiration as the monk's father. The deep rootedness of the
admiration of St.Antony in the European population expresses itself in the
tradition of many -partly even still today in common- customs, expressions and
weather-rules which refer to him. The original protective-patronage of St.
Antony “the Great” about the pig was, in contrast to the protective- patronage
of St. Franzis of Assisi, a protective-patronage for the people whose
existence depended on the pigs. The ergot poisoning played a big role in the
Middle Ages, to make a diagnosis was not always unambiguous because of it`s
varied symptomatology. It was involved in many epidemic events, concerning
people and animals. The connection between the changed food grain (mainly the
rye) and the illness was already aware in the Middle Ages. The fact that the
ergot is a fungus infection, however, remained unknown to 1711. So the
Knowledge and therapy of the Ergotism adjusted to the general state of the
medieval medicine ("empirie"). While the human ergotism still can be described
relatively clearly in it`s distinguishable main forms (the gangrenous and the
convulsive form), one knows from latest researches (20th/21st century) that
the developing of the ergot- poisoning of animals are even more varied and not
that specific. Still today the diagnosis of animal ergotism is difficult.
Corresponding for the animal epidemics in the Middle Ages it is valid, that
the ergot poisoning in many cases must be accepted as a possible differential
diagnosis or at least as an involved illness. The developing of ergotism
depends on the amount of ergot absolutely taken up, on the kind of forage
crops taken up, on the alkaloid pattern of the ergot and above all also on the
digestive physiology of the animal species. That`s why there are not reliable
informations to minimal toxic dosis, limit value or similar informations. Also
in case of the pig the ergot admission can lead to very different symptom
complexes, so that for these animal species this Intoxikation can be also
considered as a possible interpretation of historically traditioned epidemics.
So the ergotism also could be a possible explanation for possible wrong
diagnoses in view of the anthrax, because the pig is (from today's knowledge)
relatively insensitive to an infection with the anthrax bacillus. As a rule,
only the pharyngeale form and the intestinal form of the anthrax appear with
pigs. If the Antoniter already knew on account of their special knowledge
about pigs that the danger of a transference of the zoonose anthrax from the
pig to a person is relatively low, this could have been another important
reason to concentrate (almost) exclusively upon the pig as domestic animal, as
meat supplier and as fat supplier (ointment bases). While the ergotism did not
play an important role in Middle Europe for a long time (what finds it`s
expression in scientific publications and teaching books), it increases in
meaning again. So it seems, that the employment with it`s developings becomes
more importance again.
en
dc.format.extent
IV, 161 S.
dc.rights.uri
http://www.fu-berlin.de/sites/refubium/rechtliches/Nutzungsbedingungen
dc.subject
veterinary history
dc.subject
Claviceps purpurea
dc.subject
swine diseases
dc.subject.ddc
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften::630 Landwirtschaft::630 Landwirtschaft und verwandte Bereiche
dc.title
Der Heilige Antonius der Große
dc.contributor.firstReferee
Priv.-Doz. Dr. Eberhard Uecker
dc.contributor.furtherReferee
Univ.-Prof. Dr. Kerstin Müller
dc.contributor.furtherReferee
Priv.-Doz. Dr. Rainer Struwe
dc.date.accepted
2011-08-30
dc.identifier.urn
urn:nbn:de:kobv:188-fudissthesis000000032096-8
dc.title.subtitle
Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des Schweines unter besonderer
Berücksichtigung der Mutterkornvergiftung
dc.title.translated
Saint Anthony “the Great”
en
dc.title.translatedsubtitle
a contribution to the cultural history of pig especially considering the ergot
intoxikation
en
refubium.affiliation
Veterinärmedizin
de
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FUDISS_thesis_000000032096
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Mensch und Buch Verlag
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