Das Anliegen der Studie ist es, die Funktionen der Siedlungen am Unteren Habur aus der 1. Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. umfassend zu analysieren.
In der Einleitung (Kapitel 1) werden zunächst die Region und ihre Forschungsgeschichte kurz umrissen. In Anschluss daran wird der aktuelle Forschungsstand erörtert sowie die Zielsetzung und die Vorgehensweise der Arbeit dargelegt.
Als Ausgangsbasis für die Interpretation der Siedlungen dienen die bislang weitestgehend unpublizierten Grabungsergebnisse von Tall Knedig (Kapitel 2). Die Rettungsgrabungen erbrachten insgesamt 14 Wohn- und Wirtschaftskomplexe, darunter mehrere Rundspeicher und ein �multicellular building�, das ebenfalls als Vorratsgebäude fungierte. In den Wohnhäusern wurden außer Lager- und Vorratsbereichen (z.B. Gruben, Vorratskammern, Vorratsgefäße) zahlreiche Installationen und Objekte freigelegt, die auf andere häusliche Tätigkeiten, wie Nahrungszubereitung, hinweisen (z.B. Feuerstellen, Tannure, Mahlsteine). Die ökonomische Analyse hat ergeben, dass der Großteil der Haushalte von Tall Knedig einen landwirtschaftlichen Hintergrund hatte, handwerkliche Aktivitäten wurden kaum festgestellt. Die Speicherkapazität der Haushalte war entweder ausreichend, um den Jahresbedarf der Bewohner an Getreide zu decken bzw. um leichte Überschüsse /Reserven für schlechte Jahre zu lagern. Drei Wohn- und Wirtschaftskomplexe besaßen eine Speicherkapazität, die weit über den eigenen Bedarf hinausging. Zugesetzte Eingänge sowie andere Indikatoren lassen darauf schließen, dass einige Bewohner von Tall Knedig ihre Gebäude nur saisonal nutzten. Die Siedlung war in der 1. Hälfte des 3. vorchristlichen Jahrtausends außerdem von einer massiven Umfassungsmauer umgeben.
In Kapitel 3 werden die weiteren Ausgrabungen am Unteren Habur mit Nutzungsspuren aus dieser Zeitstufe untersucht. Insgesamt sind außer dem Tall Knedig zwölf Orte zu verzeichnen, die ebenfalls durch ausgedehnte Speicheranlagen gekennzeichnet sind. Allerdings wird postuliert, dass es sich bei einigen, der von den Ausgräbern als Vorratsbereiche angesprochenen architektonischen Einheiten, vermutlich vielmehr um Räume handelte, die Wohncharakter besaßen.
Um die Siedlungen in einen genaueren zeitlichen Bezug zueinander zu setzen, wird in Kapitel 4 eine Regionalchronologie erarbeitet, nach der die 1. Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. im Gebiet des Unteren Habur in drei chronologische Einheiten unterteilt werden kann. Darüber hinaus werden - sofern möglich - die städtischen Siedlungen angrenzender Regionen in dieses Schema eingehängt.
Zusätzlich zu den bekannten Grabungsorten werden in Kapitel 5 die Siedlungshügel ausgewertet, die im Rahmen der Geländebegehung des Tübinger Atlas des Vorderen Orients am Unteren Habur dokumentiert wurden. Für neun weitere Orte im Flusstal kann anhand des Oberflächenmaterials eine Besiedlung in dem zu behandelnden Zeitraum angenommen werden. Für einige weitere Siedlungshügel liefert das Oberflächenmaterial nur vage Hinweise auf eine Nutzung in dieser Zeit. Die Größen aller untersuchten Siedlungen variieren zwischen 0, 25 und 6 Hektar. Es ergibt sich eine Einteilung in drei Größenkategorien: viele kleine Dörfer oder Weiler, ein großes Dorf (Tall Knedig), eine kleinstädtische Siedlung (Tall Bderi). Die meisten Siedlungen konzentrieren sich am nördlichen Flussabschnitt, im südlichen Flusstal finden sich nur einige wenige Orte in großen, aber regelmäßigen Abständen zueinander.
Die Untersuchung der Siedlungen macht insgesamt deutlich, dass ihre Subsistenz auf Feldbau, Viehwirtschaft (mit nomadischer Komponente) und Jagd basierte. In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen Vorratsvorrichtungen zu sehen, die als Ausdruck einer Subsistenzstrategie gewertet werden, die aufgrund der ökologischen Rahmenbedingungen mit dem Risiko umgehen musste, dass Missernten periodisch immer wieder auftreten konnten. Es existieren keine Anhaltspunkte dafür, dass die Siedlungen von weiter entfernt gelegenen urbanen Zentren kontrolliert wurden.
The subject of the study is a functional analysis of the settlements in the valley of the Lower Habur dating to the first half of the third millennium.
In Chapter 1 the geo-climatic conditions of the region and the research history as well as the results of the latest research and the aims of the study are presented.
The mostly unpublished results of the salvage excavations at Tall Knedig serve as the fundamental basis for the interpretation of the settlement functions (Chapter 2). The excavations brought to light 14 architectural units, including some storage buildings (three round silos and one multicellular building). In the houses many installations and objects were found which indicate domestic activities like food preparation (fire places, tannours, grinding stones) and also storing (pits, chambers or storage jars). The economic analysis has shown that the households from Tall Knedig had an agricultural background, indicators for craft specialization, however, could not be proven. The storage structures suggest that most households could either store their yearly requirements of grain or even had capacity for some reserves. A few storage facilities had clearly more capacity then was used for the needs of their associated households. Bricked-up entrances as well as other features lead to the assumption that some of the inhabitants of Tall Knedig used their houses only seasonally. The settlement was surrounded by a massive brick wall during the first half of the third millennium.
In Chapter 3 all other excavated sites of the Lower Habur region with traces of occupation from the era are discussed. Aside from Tall Knedig twelve settlements - partly with extensive storage facilities - were excavated. From the inventory of some of these so called store rooms it is concluded that not all of them were used exclusively for storage purposes.
To get a more precise picture of the relations between these settlements it was necessary to develop a regional chronological framework for the first half of the third millennium (Chapter 4). The sequence of the pottery and other characteristics permit a subdivision in three phases. Moreover it is outlined how the urban centres of the adjacent regions correspond with these chronological phases.
In Chapter 5 the settlements in the Lower Habur valley, recorded during two survey seasons by the Tübinger Atlas des Vorderen Orients, are analysed. The surface material indicates that nine further sites - in addition to the excavated settlements - were occupied during the first half of the third millennium. The material of a number of sites provides no clear evidence for settlement activities. Most of the settlements along the river valley were small villages of less than one ha in size, whereas only one larger village (Tall Knedig, 3 ha) and one small town (Tall Bderi, 6 ha) could be identified. The vast majority of the sites were situated in the northern part of the Lower Habur region. In the southern river valley only a few settlements were located - at a long but equal distance from each other.
The study of the sites has shown that their subsistence, based on farming, livestock (including seasonally migratory herders) and hunting, was to a high degree dependent on the ecological conditions. These were (and still are) characterized by variabilities which caused to a certain degree a flexibility in the economical behaviour. This is reflected to some extent by the numerous storage facilities. There are so far no indications for the assumption, that the rural sites in the Lower Habur valley were tied to large urban centres outside the region.