Die vorliegende Arbeit geht der grundsätzlichen Frage "Was heißt schreiben?" – die genauso gut in diversen Metadiskursen zu Schreiben und Schrift wie in manch literarischen Werken selbst reflektiert wird – am Beispiel des Prosawerks von Thomas Bernhard (1931-1989) nach. Der österreichische Schriftsteller bietet sich einer solchen Untersuchung wegen der Suszeptibilität seiner Prosatexte an einem hohen selbstreferentiellen Potenzial und der nachweisbaren Kontinuität von Poetologemen und performativen Schreibgesten an. Ohne die profund negativen Referenzen des Werks untergraben zu wollen, konzentriere ich mich in meiner Untersuchung gezielt auf dessen poetologische Dimension und versuche dadurch aufzuzeigen, dass gerade in Bernhards Fall das Netz der Referenzen von der Logik der Poiesis absorbiert wird. Die produktionsästhetische Perspektive auf sein Werk stützt sich nämlich auf die Erfassung der Selbstreflexion als Entwickler der Schaffensprinzipien des Textes, - der über "mise en abyme"-Verfahren auf verschiedenen Erzählebenen funktioniert. Infolgedessen gilt es bei dieser Unternehmung: 1.Bernhards reicher "Produktionsmetaphorik" auf die Spur zu kommen; 2.die bei ihm zur Anwendung gelangenden "Metaphoriken des Schreibens" zusammenzustellen und von ihnen eine womöglich einheitliche Schreibformel zu abstrahieren; 3.diese Schreibformel zu verifizieren. Dementsprechend lese ich die meisten seiner Prosatexte als poietische Dokumente, in denen das poetologische Denken des Autors wiedererkennbare Formen angenommen hat. Diese Lektüre erfolgt zunächst über die Rekonstruktion der Schreibsituationen, in denen sich die fiktionalen Figuren in den ausgewählten Texten befinden. Anhand der entsprechenden Textanalysen werden zusammenhängende Definitionen der Schreibpraxis aufgedeckt und zugleich die Modalitäten der Selbstreflexivität ergründet. Das Schreiben wird allgemein als (selbst)destruktive Übung inszeniert, die von zwei Verschiebungsbewegungen umrissen wird: die Todesverschiebung des Schreibenden und die Selbstverschiebung des Schreibens. Durch die Analyse der rhetorischen Auslöschungsverfahren lässt sich dann nachweisen, dass die rekonstruierten Poetologeme von der Schreibdynamik bestätigt werden, deren (selbst)destruktive Dominante ihrerseits in einem Modus der Verschiebung besteht. Bernhards Schreibverhalten, das in dieser Arbeit an der Grenze zwischen Schreibmetaphorik und Schreibperformanz erkundet wird, lässt sich dergestalt als die Summe dreier Verzögerungen von (selbst)destruktiven Aktionen verstehen, die sowohl einem ontologischen als auch einem poetologischen Bereich zuzuordnen sind: die Verzögerung des Todes/des Selbstmordes (auf der Ebene der Schreibinstanz) und die Verzögerung des eigentlichen Schreibens einerseits, und der Auslöschung der Schrift im Schreiben andererseits (auf der Ebene der Produktion). Auf die Frage "Was heißt schreiben?" antwortet also die Hauptthese des selbstmörderischen Schreibverhaltens in dieser Arbeit, die gerade die Selbst(mord)verschiebung mit den drei Koordinaten besagt.
The present work argues about the question "What does writing mean?" - which is reflected in various meta-discourses about writing, but also directly in some literary works - following Thomas Bernhard’s prose pattern. The Austrian writer agrees with such an approach because of the susceptibility of a high auto-referential potential of his prose texts and the provable continuity between poetologemes and performative scriptural gestures. Without intending to undermine the profoundly negative references of the work, my research is strictly focused on its poetological dimension, trying to prove that particularly in Thomas Bernhard the network of the references is absorbed by the logic of the poiesis. The perspective of the aesthetics of textual production on his work is based on conceiving the auto-reflection as developer of the production principles, which functions by procedures of "mise en abyme" on different textual levels. Therefore, the aim of this work is: 1.to discover the rich "metaphoric of production" in Bernhard; 2.to resume the "metaphorics of writing", which appear in his work, and to extract a scriptural formula, as unitary as possible; 3.to check this formula. Hence, I read the majority of Bernhard’s prose texts as poietical documents, in which the writer’s poetological thinking has taken recognizable shapes. This reading is firstly realized by re-constructing the writing situations, in which the fictional persons in the texts I choose are involved. Analyzing the text properly, one can discover some coherent definitions of writing and, also, one can clarify the auto-reflexive practices. Writing is generally staged as a (self-)destructive exercise, circumscribed by two movements of delay: the death delay of the one who writes, and the (self)-delay of writing. By analyzing the rhetorical erasure procedures, one can prove that the poetologemes previously re-constructed are confirmed by the scriptural dynamic, whose (self-)destructive dominant feature itself consists in a delay mode. Thomas Bernhard’s scriptural behavior, which is explored in this work just on the line between scriptural metaphoric and scriptural performance, can be thus understood as the result of the delay of three (self-)destructive actions, which can be assimilated to an ontological area and a poetological area, as well: the delay of death / suicide (on the field of the scriptural instance) and the delay of writing, on the one hand, and the one of the erasure of writing, by writing, on the other hand (on the field of the production). To the question "What does writing mean?" answers therefore the main thesis of the scriptural suicidal behavior in this work, which is precisely the delay of suicide, with the three coordinates.