Einleitung Parachlamydia (P.) acanthamoebae ist ein den Chlamydien verwandtes, ebenso obligat intrazelluläres Bakterium, das seinem Entwicklungszyklus entsprechend in verschiedenen Zuständen vorliegen kann. Natürlicherweise kommt es als Amöben-assoziierter Endosymbiont vor und hat sich für Mensch und Tier als potentiell pathogen erwiesen. Als möglicher Erreger steht es im Verdacht, neben abortiven urogenitalen Infektionen bei Mensch und Wiederkäuern, an der Ätiologie atypischer Pneumonien beteiligt zu sein. Erste Anzeichen dazu gaben sero-epidemiologische Untersuchungen zur ätiologischen Ursache respiratorischer Infektionen. Durch In-vitro-Studien und Infektionsversuche im Mausmodell ergaben sich weitere Hinweise auf eine pneumopathogene Eigenschaft von P. acanthamoebae. Nicht zuletzt wegen der vermeintlichen Besiedelung vieler verschiedener Spezies und des ubiquitären Vorkommens wird auf ein zoonotisches Potential hingewiesen. Ziel Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit war es ein respiratorisches Infektionsmodell mit P. acanthamoebae im bovinen Wirt zu etablieren. Anhand einer experimentellen Infektion des Respirationstraktes von Kälbern mit P. acanthamoebae sollte das pneumopathogene Potential dieses Bakteriums evaluiert und die gegebenenfalls induzierten pulmonalen Dysfunktion charakterisiert werden. Studiendesign und involvierte Tiere Das Versuchstierkollektiv bestand aus insgesamt 42 männlichen, 3 – 7 Wochen alten, Holstein-Frisian Kälbern. Die respiratorische Challenge erfolgte durch Inokulation von drei verschiedenen Parachlamydia- Dosen: • 10 hoch 8 einschlusskörperchenbildende Einheiten (EBE) hitzeinaktivierter P. acanthamoebae/Kalb (n=9) • 10 hoch 8 EBE vitaler P. acanthamoebae/Kalb (n=12) • 10 hoch 10 EBE vitaler P. acanthamoebae/Kalb (n=21) Im ersten Teilversuch (TV 1) wurde die Dosis-Wirkungsbeziehung der drei verschiedenen P. acanthamoebae-Inokulationsdosen in der Kälberlunge im interindividuellen Vergleich über einen Zeitraum bis 14 Tage post inoculationem (dpi) untersucht. Die Read-out-Kriterien zur Evaluierung der systemischen Wirtsantwort berücksichtigten dabei klinische und labor- diagnostische Parameter, deren tägliche Erhebung in vivo erfolgte. Eine Ex- vivo-Beprobung zur Erfassung der lokalen Entzündungsmechanismen sowie der pathologischen Veränderungen erfolgte zu den Zeitpunkten 2, 3, 4, 7, 10 und 14 dpi. Zeitgleich erfolgten Untersuchungen zum direkten Nachweis und zur Rekultivierung von P. acanthamoebae. In TV 2 wurden in einem ersten Abschnitt die Kenngrößen des pulmonalen Gasaustauschs der drei Tiergruppen zur interindividuellen Untersuchung bis 7 dpi erfasst (Study 1). Im zweiten Abschnitt wurden die Auswirkungen der durch 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb induzierten Infektion auf die pulmonalen Funktionen bis 10 dpi untersucht (Study 2). Dazu wurden Parameter der differenzierenden Lungenfunktionsdiagnostik zu den Zeitpunkten 7 und 4 Tage vor Inokulation sowie 2, 3, 4, 7, 8 und 10 dpi intraindividuell als longitudinale Verlaufskontrolle quantifiziert. Während der beiden Teilversuche wurden zum Ausschluss von Co-Infektionen begleitende Analysen zur mikrobiologischen Beurteilung des Atmungsapparates durchgeführt. Material und Methoden Die Inokulation eines jeden Kalbes erfolgte intrabronchial mit 6 ml des insgesamt 8 ml umfassenden Inokulums, das die jeweilige Parachlamydia-Dosis in Suspension enthielt. Die verbleibenden 2 ml des Inokulums wurden zusätzlich intranasal appliziert. In TV 1 erfolgte die Evaluierung der systemischen Wirtsantwort anhand des klinischen Gesamtscores, der Blut- Leukozytendifferenzierung sowie der Serumkonzentration der beiden Akute-Phase- Proteine Lipopolysaccharid-bindendes Protein (LBP) und Lactoferrin. Die lokalen Entzündungsmechanismen wurden anhand inflammatorischer Marker (Zytologie und Gesamtprotein-/Eicosanoidkonzentration) in der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit (BALF) sowie mittels pathologischer und histologischer Untersuchungen charakterisiert. Zur Quantifizierung der Erregerlast im Gewebe sowie der Erregerausscheidung kam ein direkter Erregernachweis durch quantitative real-time PCR zum Einsatz. Darüber hinaus sollte mittels Immunhistologie und amöbialer Co-Kultivierung die Kausalität von Erreger und Wirkung geklärt werden. In Study 1 des TV 2 wurden die Parameter der arteriellen Blutgase und Hämoximetrie zur Beurteilung herangezogen. Dazu wurde diesen Tieren über einen zuvor implantierten Verweilkatheter in der Aorta abdominalis täglich arterielles Blut entnommen und analysiert. In Study 2 des TV 2 wurden ausschließlich die mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb inokulierten Tiere (n=9) nichtinvasiven Lungenfuntionstests (Impuls-Oszilloresistometrie, volumetrische Kapnometrie, Helium-Dilution) unterzogen. Ergebnisse Die experimentelle Parachlamydia- Infektion resultierte in einer reproduzierbaren Beziehung zwischen Erregerdosis und Wirtsreaktion, welche nur nach Inokulation mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb und bis 5 dpi ein apparentes Ausmaß respiratorischer Symptome induzierte. Der Median des klinischen Gesamtscores der mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/ Kalb inokulierten Tiere kulminierte 1 dpi bei 3/49 Punkten und war bis 4 dpi (im Vergleich zu den mit inaktivierten 10 hoch 8 EBE und vitalen 10 hoch 8 EBE P. acanthamoebae/Kalb inokulierten Gruppen) signifikant erhöht. Die mit einem subklinischen Krankheitsbild einhergehende Challenge mit 10 hoch 8 EBE P. acanthamoebae/Kalb mündete, ebenso wie die Inokulation mit dem inaktivierten Erreger aufgrund unspezifischer Symptome, lediglich in einem medianen klinischen Gesamtscore von 1/49 Punkten. Sowohl das Ausmaß der systemischen als auch der lokalen Entzündungsmarker korrelierten mit dem beobachteten Krankheitsverlauf. Dementsprechend zeigte dabei ausschließlich die mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb inokulierte Versuchsgruppe von Signifikanz geprägte Erhöhungen der Serum-LBP-Konzentration sowie in der Zellzahl neutrophiler Granulozyten und der 15 -Hydroxyeicosatetraenonsäure-Konzentration in BALF gegenüber den Kälbern, die mit 10 hoch 8 EBE inaktivierten und 10 hoch 8 EBE vitalen P. acanthamoebae/Kalb inokuliert worden waren. Die pathologischen und histologischen Befunde ergaben eine subakute, fibropurulenten Pneumonie mit deutlichster Ausprägung nach Inokulation von 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb im Zeitraum von 2 – 4 dpi, deren Ausmaß ebenso dem klinischen Bild entsprach. Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums traten alle entzündungsbedingten, pulmonalen Veränderungen in spontane Remission. Ein Erregernachweis war in allen mit lebensfähigen Parachlamydien infizierten Gruppen über den gesamten Untersuchungszeitraum in Atemwegs-assoziierten Gewebe möglich. Die Erregerlast nahm jedoch über die Zeit ab. Eine Erregerausscheidung konnte zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen werden. Die Parameter der arteriellen Blutgase zeigten ausschließlich bei den mit 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb infizierten Kälbern 1 – 2 dpi eine geringgradige Hypoxämie. Die kompensatorisch erhöhte Atemarbeit war durch eine Zunahme von Atmungsfrequenz, Atemminutenvolumen sowie spezifischer Ventilation 2 – 3 dpi gegenüber der Ausgangswerte vor Inokulation gekennzeichnet. Aufgrund der pathohistologischen Befunde ist von einer O2-Diffusionsstörung als Folge der transient verlaufenden, pulmonalen Entzündungsreaktion nach Inokulation von 10 hoch 10 EBE P. acanthamoebae/Kalb auszugehen, die zu einer temporären Reduktion des transmembranösen O2-Transfers führte. Schlussfolgerungen Die als Hauptziel deklarierte Etablierung eines respiratorischen Parachlamydia- Infektionsmodells im bovinen Wirt wurde erreicht. Die durch die Umsetzung des Versuchsvorhabens erlangten Ergebnisse leisten einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung der Pathogenese sowie der Pathophysiologie von P. acanthamoebae in der Säugerlunge. Die daraus abschätzbare Pathogenität in der Kälberlunge ist, verglichen mit anderen chlamydialen Erregern, als gering anzusehen. Es bleibt weiterhin zu klären welche Rolle Parachlamydia als opportunistisches Pathogen bei Atemwegserkrankungen sowie im Rahmen der Infektion anderer Organsysteme zukommt.
Background Parachlamydia (P.) acanthamoebae is a Chlamydia-related bacterium, that exhibits an intra-cellular lifestyle. Its state of presence is depending on the stage of its developmental cycle. Naturally, it occurs as amoeba associated endocytobiont with a pathogenic potential being hypothesised towards humans as well as animals. Besides urogenital infection leading to miscarriage in humans and ruminants, suspicion was raised about the aetiological involvement of Parachlamydia in atypical pneumonia. Seroepidemiologic studies substantiated the parachlamydial engagement in respiratory tract infections, which was finally confirmed by in vitro studies and infection trials in a murine model. Not only the colonisation of a vast spectrum of species, but also its ubiquitous dispersal contributes to the assumption of harbouring a zoonotic potential. Objective The primary objective of this study was to establish a bovine model of a respiratory P. acanthamoebae infection. By this means, the pneumopathogenic potential of P. acanthamoebae was to be evaluated after its inoculation with the respiratory tract of calves. Furthermore, the underlying pathophysiology of a possible respiratory dysfunction was to be characterized. Study design and involved animals A total of 42 male Holstein-Frisian calves at the age of 3 – 7 weeks were enrolled in this study. The respiratory challenge was performed by inoculation of three different Parachlamydia doses: • 10 to the 8 inclusion- forming units (IFU) of heat inactivated P. acanthamoebae/calf (n=9) • 10 to the 8 IFU of live P. acanthamoebae/calf (n=12) • 10 to the 10 IFU of live P. acanthamoebae/calf (n=21) For reasons of implementation, the investigation was subdivided into two consecutive trials (TV). In TV 1, the dose-response relationship of three different challenge doses of P. acanthamoebae were examined in interindividual comparison over a period of 14 days post inoculationem (dpi). The read-out criteria for evaluating the systemic host response comprised clinical and laboratory parameters assessed in vivo on a daily basis. Ex vivo samplings distinguishing local inflammation and pathology were captured 2, 3, 4, 7, 10, and 1 TV 2 was intended to investigate the host- pathogen interaction on a functional level. Therefore, in a first part the effects of the three different Parachlamydia inoculation doses on the calves’ pulmonary gas exchange were analyzed and compared interindividually until 7 dpi (Study 1). In the second part, the effect of a parachlamydial challenge of 10 to the 10 IFU P. acanthamoebae /calf on the respiratory system on a functional basis was studied by differential pulmonary function testing (Study 2). The corresponding data were assessed intraindividually in a longitudinal sequence at 7 and 4 days before inoculation as well as 2, 3, 4, 7, 8 and 10 dpi. During both trials, the exclusion of respiratory coinfection was confirmed by microbiological assessment. Material and methods The inoculation of each calf was carried out intrabronchial using 6 ml of a total of 8 ml inoculum containing the particular parachlamydial challenge dose. The remaining 2 ml were applicated intranasally. In TV 1, the assessment of the systemic host response comprised the total clinical score (determined by physical examination), white blood cell count and the serum concentrations of the two acute phase reactants lipopolysaccharide binding protein (LBP) and lactoferrin. The local inflammatory reaction was characterized using markers of inflammation (cytology and concentration of total protein and eicosanoids) in bronchoalveolar lavage fluid (BALF) as well as findings of gross pathology and histopathology. Quantitive real-time PCR was employed to detect and quantify the pathogen load and -excretion. Moreover, immunohistochemistry and amoebal coculture were to contribute to prove the causality of pathogen-host reaction. In Study 1 of TV 2, parameters of the arterial blood gases and haemoximetry were assessed. Therefore, the involved calves received an aortic catheter to facilitate daily collection of arterial blood. In Study 2 of TV 2, only calves (n=9) challenged with 10 to the 10 IFU P. acanthamoebae/calf were subjected to non-invasive pulmonary function testing (impuls-oscillometry, volumetric capnometry and Helium dilution). Results The experimental Parachlamydia infection resulted in a reproducible, challenge dose-dependent host reaction, which was exhibited in individuals receiving live 10 to the 10 IFU P. acanthamoebae/calf, only. The apparent respiratory illness lasted until 5 dpi. The median of the total clinical score of calves challenged with 10 to the 10 IFU P. acanthamoebae/calf culminated 1 dpi at 3/49 points and was significantly elevated until 4 dpi (compared to the groups inoculated with inactivated or live 10 to the 8 IFU P. acanthamoebae/calf). In contrast, individuals receiving 10 to the 8 IFU of live P. acanthamoebae/calf were affected subclinically and exhibited, likewise calves challenged with inactive Parachlamydia, a median of the total clinical score of 1/49 points due to mild, unspecific symptoms, that resolved instantly. The increase in both systemic and local inflammatory markers correlated well with the observed course of the total clinical score. Accordingly, significance was stated for the calves challenged with 10 to the 10 IFU P. acanthamoebae/calf concerning the increase in serum LBP concentration as well as in the neutrophil fraction and 15-hydroxyeicosatetraenoic acid concentration in BALF compared to the groups inoculated with inactivated or live 10 to the 8 IFU P. acanthamoebae/calf. The pathological and histological findings yielded a subacute, fibropurulent pneumonia with the greatest extent in animals exposed to 10 to the 10 IFU P. acanthamoebae/calf each occurring at 2 – 4 dpi. All signs of inflammation as well as pulmonary lesions befell remission until the end of the study. Parachlamydial detection was possible in respiratory tract associated tissues in both, with live inoculum exposed groups at all investigated time points. However, the pathogen load decreased over time indicating its eradication. There was no parachlamydial excretion detectable at any time point. Only in calves inoculated with 10 to the 10 IFU P.acanthamoebae/calf, the parameters of arterial blood gases indicated a mild hypoxaemia at 1 – 2 dpi. In these calves, an increase in respiratory rate, volume of minute ventilation and specific ventilation compared to baseline values before parachlamydial challenge indicated an increase in breathing effort to compensate for a dysfunctional O2 diffusion at 2 – 3 dpi. In accordance with these findings as well as pathohistology, a transient, pulmonary inflammation in calves due to inoculation with 10 to the 10 IFU P. acanthamoebae/calf resulted in a temporary decrease of transmembrane O2 transfer. Conclusion The primary objective of establishing a bovine model of a respiratory P. acanthamoebae infection was successfully accomplished. The results gained by the implementation advance the understanding of the potential pathogenic role of P. acanthamoebae in the bovine host. Furthermore, the intraindividual study type provides insight into the pathogen-host interaction and the pathophysiologic consequences within the bovine lung. Compared to the known chlamydial pathogens, the pathogenicity of P. acanthamoebae towards the bovine respiratory system seems to be limited. However, it still remains unclear which importance is attached to Parachlamydia in terms of being an opportunistic respiratory (co)pathogen and of infecting other organ systems.