Die Wahrnehmung und Bewertung einer Adipositas bei Kindern und Jugendlichen hat sich nachhaltig gewandelt. Vor 2 Jahrzehnten wurde sie weniger als Krankheit denn eher als Symptom verstanden. Obwohl es die Erkenntnis gab, dass ein Fortbestehen der Adipositas bis in das Erwachsenenalter mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergeht, wurde daraus lange nicht die Konsequenz einer frühen Behandlung abgeleitet. Mit zunehmendem Wissen über die Prävalenz relevanter Komorbiditäten bereits im Kindes- und Jugendalter hat sich dieses Bild gewandelt. Die in dieser kumulativen Habilschrift dargestellten und diskutierten Arbeiten stehen im Kontext dieser Entwicklung und beschreiben diagnostische und therapeutische Aspekte insbesondere der metabolischen Komorbidität adipöser Kinder und Jugendlicher. Nicht zu vernachlässigen sind bei dieser Betrachtung der Anteil der genetischen Disposition an der Entstehung der ursächlichen Adipositas und die zusätzlichen Risikofaktoren (z.B. Migrationshintergrund). In einer genomweiten Assoziationsstudie wurde 250.000 Individuen untersucht, um neue Gene bzw. Genorte zu identifizieren, die mit der Regulation des Körpergewichts assoziiert sind (Speliotes et al., 2010). Neben 14 bekannten wurden 18 neue gefunden, die in ihrer Gesamtheit 1,45 % der interindividuellen Variation des Körpergewichts erklären. Besonders an dieser GWAS war der relativ hohe Anteil an pädiatrischen Kohorten. Neben bekannten SNPs im Bereich des FTO- und MC4-R-Gens wurde eine neue Assoziation zum GIP-Rezeptor gefunden. Damit wurde erstmalig auf Ebene einer GWAS die Verbindung mit dem Inkretin-System gezeigt. Aus klinischer Sicht ist die gestörte Glukoseregulation (IGT) bis hin zum manifesten Typ 2 Diabetes nicht mehr auf das Erwachsenenalter oder ethnische Risikogruppen in den USA beschränkt, sondern auch bei adipösen Jugendlichen in Europa zu finden, sofern die Diagnostik bei positiver Familienanamnese, Acanthosis nigricans oder Insulinresistenz (erhöhter HOMA) einen Glukosetoleranztest einschließt. Ansonsten werden annähernd 70% mit IGT übersehen (Wiegand et al., 2004; Wiegand et al. 2005). Diese Evidenz hat Eingang in die S2-Leitlinien zur Diagnostik der Komorbidität bei adipösen Kindern und Jugendlichen gefunden (www.a-g-a.de/Leitlinien). Eine abnehmende Insulinsekretion und damit ein Funktionsverlust der pankreatischen Betazelle bei fortbestehender Insulinresistenz ist der pathophysiologische Weg zum Typ 2 Diabetes. Deshalb sind Marker einer Betazelldysfunktion von Interesse. Erhöhte Proinsulinspiegel bzw. eine erhöhte Proinsulin/ Insulin-Ratio (PI/I) weisen auf eine Störung der intrazellulären Insulin-Prozessierung hin. Bei adipösen Jugendlichen mit IGT ist die PI/I-Ratio signifikant höher als bei adipösen Jugendlichen ohne IGT (von Berghes et al., 2011). Eine Fettlebererkrankung (NAFLD) mit der Möglichkeit einer Progression zur NASH- diese hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms ist erst in den letzten Jahren zum Gegenstand epidemiologischer Studien geworden: Bei >16.000 adipösen Kindern und Jugendlichen wurden dazu erhöhte Lebertransaminasen (AST/ALT >50 U/L) verwendet und ein statistisch signifikanter Einfluss Pubertät, Alter und Grad des Übergewichts gesehen. Überraschend war ein deutlich höheres Risiko für Jungen (OR 2,3) im Vergleich zu Mädchen (Wiegand et al., 2010b). Dies wurde in einer weiteren epidemiologischen Studie unter Einschluss der repräsentativen KiGGS-Kohorte und der APV-Kohorte (68.415 Kinder; 11,7 Jahre) und Verwendung der GGT als Risikomarker bestätigt (Wiegand et al., 2011). Adipöse Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund werden im Vergleich zu denjenigen ohne Migrationshintergrund im gleichen Alter, aber zu einem späteren Zeitpunkt der Erkrankung vorgestellt („Delay of Treatment“). Es besteht bereits bei 40% der Kinder und Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund ein Metabolisches Syndrom, im Vergleich zu 27% bei Kindern und Jugendlichen deutscher Herkunft (Dannemann et al., 2011). Mit dem Wissen, dass gerade die genannten Risikogruppen von den etablierten Therapieangeboten nur schwer erreicht werden, stellte sich die Frage nach Möglichkeiten der sekundären Prävention des Typ 2 Diabetes z. B. durch die medikamentöse Behandlung der Insulinresistenz nach erfolgloser Lifestyleintervention. In einer randomisierten plazebokontrollierten Studie erhielten 70 adipöse Jugendliche mit über 6 Monate zusätzlich 2x 500 mg Metformin/ Tag. Beide Gruppen profitierten in gleicher Weise, ohne dass die Metformin-Gruppe signifikant besser bezüglich Gewicht oder Metabolismus abschnitt (Wiegand et al., 2010a). Neben dem Versuch einer konservativen oder medikamentösen Beeinflussung der Adipositas-Folgen bei Kindern und Jugendlichen bestand und besteht die Hoffnung, durch ein besseres Verständnis einerseits der komplexen endokrinen Regulation der Gewichtszunahme und andererseits der Gegenregulationsmechanismen nach Gewichtsabnahme zu einer Erweiterung des therapeutischen Spektrum zu kommen. Laufende Forschungsprojekte der Klinischen Forschergruppe (KFO 218; DFG) und des Kompetenznetzes Adipositas (Konsortiums B; BMBF) können einen Beitrag dazu leisten. In letzter Konsequenz ist aber die langfristige Behandlung von adipösen Kindern und Jugendlichen nur in einer Gesellschaft erfolgreich, die eine kindgerechte Lebensweise und entwicklungsfördernde Umgebungsbedingungen ermöglicht.
The view on childhood obesity changed over the last two decades from being only a symptom to a relevant chronic disease. The increasing prevalence was accompanied by the increasing knowledge about the cardiovascular risk already present in adolescents. This disquisition is focused on new aspects for diagnosis and treatment of childhood obesity and its complications. Genome wide association analyses of almost 250.000 individuals revealed 18 new loci associated with body mass index. Together with 14 already established risk allels, 1.45% of the interindividual difference in BMI can be explained. A GIP-Receptor single nucleotide polymorphism belongs to the new loci, underlining the influence of the incretine system not only on glucose metabolism, but also on body weight regulation. In European pediatric obesity cohorts the prevalence and the characteristics of metabolic complications was studied in depth: In almost 70% of obese children and adolescents with impaired glucose tolerance the fasting glucose remained normal. Consequently, an oral glucose tolerance test was included into the guidelines for obese adolescents at risk for type 2 diabetes. Furthermore, an increased Proinsulin /Insulin-ratio (PI/I), fasting and especially 30´after glucose load is significantly associated with impaired glucose tolerance. A high PI/I-ratio is assumed to show a beta-cell dysfunction. Non-alcoholic fatty liver disease (NAFLD) is already present in a significant proportion of obese children and adolescents, strongly associated with male gender, age (puberty) and extreme obesity, using elevated liver enzymes as surrogate markers. These finding are based on large European pediatric cohorts (>50.000 individuals) and changed the concept of NAFLD as an adult pathology. Emigrational background belongs to an increased risk for a metabolic syndrome in obese adolescents also in Europe, as shown for the Turkish background. In addition, a delay of treatment enforced morbidity in this group of patients. Therefore, in a randomized placebo-controlled trial the effect of metformin on insulin resistance in obese adolescents after unsuccessful lifestyle intervention was tested, resulting in improvement in the metformin- as well as in the placebo-group. Ongoing studies are focused on weight maintenance after significant weight loss, concerning the hormonal and metabolic counter regulation.