Soziologische Handlungstheorien stoßen an eine Grenze, wenn sie für die Erklärung sozialer Varianz nur die bewussten Wahrnehmungen und expliziten Situationsinterpretationen von Individuen heranziehen und präreflexive und implizite Wahrnehmungsprozesse und Sinnstiftungen ausschließen. Sie können dann nicht die feinen Unterschiede erklären, die sich im Geschmack, im Gefühl für die Situation oder in kulturellen Praktiken der alltäglichen Lebensführung offenbaren. Mit der Affektsteuerungstheorie liegt eine Theorie vor, die implizite Wahrnehmungen in Form affektiver Bedeutungen zur Grundlage individueller Handlungserklärungen macht und damit geeignet ist, soziokulturelle Varianz im Handeln auch auf dieser Ebene zu erklären. Allerdings haben sich bisherige Studien zu affektiven Bedeutungen überwiegend auf internationale Kulturvergleiche beschränkt und affektive Bedeutungen für ganze Sprachgemeinschaften und Nationen untersucht, sich aber nicht systematisch für innergesellschaftliche soziokulturelle Gruppen wie Schichten und Milieus interessiert. Die Arbeit schließt diese Forschungslücke und untersucht, inwiefern sich in affektiven Bedeutungen auch innergesellschaftliche kulturelle und soziale Differenzen spiegeln. Dafür wird das Konzept der affektiven Bedeutungen zunächst in einen kulturtheoretischen Rahmen eingeordnet, der soziale Varianz im Handeln mit den Wahrnehmungen der Akteure erklärt. Es wird dafür argumentiert, Prozesse affektiver Wahrnehmungen als einen kulturellen Mechanismus zu betrachten, der zwischen sozialer Struktur und individuellem Handeln vermittelt und so soziale Varianz im individuellen Handeln zu erklären vermag. Affektive Bedeutungen erweisen sich dabei als Bestandteile verkörperter Kultur, die in Form impliziter assoziativer Bedeutungen durch Situationswahrnehmungen und -interpretationen handlungswirksam werden. Drei empirische Studien liefern grundlegende Befunde für eine soziokulturelle Stratifizierung affektiver Bedeutungen und unterstützen damit die These, dass affektive Wahrnehmung ein kultureller Mechanismus zur Generierung interindividueller Varianz im sozialen Handeln darstellt. Die erste Studie weist anhand eines soziale stratifizierten bundesweiten Samples mit 2849 Befragten zunächst nach, dass affektive Bedeutungen in den drei Kerndimensionen Evaluation. Potency und Activity in hohem Maß gesellschaftlich geteilt werden. Vor dem Hintergrund der geteilten Bedeutungen zeigen sich jedoch schichtspezifische Unterschiede, die eine soziale Stratifizierung der affektiven Bedeutungen demonstrieren. Eine weitere Studie eruiert systematische Unterschiede in den affektiven Bedeutungen zwischen verschieden Lebensführungstypen. Die soziale Lage dieser Lebensführungstypen spiegelt sich sowohl in ihrem Selbstbild als auch in ihrem Weltbild, d.i. die affektiven Bedeutungen relevanter sozialer Konzepte und Identitäten. Eine dritte Studie liefert Befunde für die Handlungswirksamkeit affektiver Wahrnehmungen und damit verbundener Identifikationsprozesse. Am Beispiel der Parteiidentifikation wird gezeigt, dass über affektive Bedeutungen gemessene Parteiidentifikationen die spätere Wahlentscheidung in hohem Maß bestimmen. Darüber hinaus zeigt diese Studie, dass Parteiidentifikationen eng mit dahinterstehenden politischen Weltbildern verbunden sind, die sich ebenfalls über affektive Bedeutungen messen lassen. Insgesamt zeigt sich, dass affektive Wahrnehmung als ein kultureller Mechanismus individueller und situationsbezogener Handlungserklärung verstanden werden kann. Affektive Bedeutungen sind ein geeigneter Zugang zu solchen Wahrnehmungen, da sie sich als sozial und kulturell strukturiert erweisen und die soziale Lage sowie die damit verbundenen differenzierten Erfahrungshintergründe der Individuen spiegeln. Die Arbeit macht einen konzeptuellen Vorschlag, wie affektive Bedeutungen vor dem Hintergrund sozialer Ungleichheit in einer modernen kulturtheoretischen Handlungserklärung zu verorten sind. Empirisch erweitert sie die bisherige Forschung zu affektiven Bedeutungen zum einen durch sozial stratifizierte affektive Wörterbücher und eine methodische Perspektive, wie innergesellschaftliche Differenzen in den affektiven Wahrnehmungen systematisch zu untersuchen sind.
Sociological theories of action come to a limit when, for the explanation of social variance, they only recognize conscious perceptions and explicit meaning making of the individuals and exclude pre-reflexive and implicit perceptual processes. The Affect Control Theory is a theory which puts implicit perceptions in the form of affective meanings in the center of individual explanations of the action, and thus might in principle be appropriate to explain sociocultural variance in action. However, past studies on affective meanings have mainly been focused on international cultural comparisons and have examined affective meanings for entire linguistic communities and nations, but not systematically for socio-cultural groups such as classes or milieus. The work fills this research gap and examines the extent to which social-cultural differences are reflected in affective meanings. For this, the concept of affective meanings is first classified into a cultural-theoretical framework that explains social variance in agency with perceptions and meaning making of the individuals. It is argued that processes of affective perceptions can be viewed as a cultural mechanism that mediates between social structure and individual action and thus explains social variance in individual action. Affective meanings turn out to be embodied culture, which as implicit associative meanings become effective through situational perceptions and interpretations. Three empirical studies provide fundamental findings for a sociocultural stratification of affective meanings and thus support the thesis that affective perception is a cultural mechanism for generating interindividual variance in social action. Taking advantage of a socially stratified nationwide sample with 2849 participants the first study proofs that affective meanings are largely shared within a society. However, against the background of shared meanings, there are subtle differences between individuals, which can be explained by the social position of the individuals. Affective meanings are therefore socially stratified. Another study reveals systematic differences in the affective perceptions between different lifestyle groups, both with regard to self-meanings as well as the world-views of the actors. These differences also reflect the social situation of the individuals. A third study provides findings on the action-generating capacities of affective perceptions and associated identification processes. Using the example of party identifications, it is shown that measuring those identifications by affective perceptions of the parties is indeed a good predictor of the later electoral decision. In addition, this study shows that party identifications are closely linked to the political world views and ideologies behind them, which can also be measured through affective meanings. Overall, it can be substantiated that implicit perceptions can be understood as a cultural mechanism to explain situational agency. Affective meanings are a suitable approach to such perceptions, since they are socially and culturally structured and reflect the social situation and the background of the experience of the individuals. The work extends previous research on affective meanings on the one hand through socially stratified affective dictionaries and a methodical perspective on how inner-societal variances in affective meanings can be systematically investigated. On the theoretical level, the work makes a contribution by showing how, against the background of social inequality, affective meanings should be conceptualized in a frame of modern theories of culture in action.