In Zukunft soll die Vergütung von Vertragsärzten auch im ambulanten Bereich morbiditätsorientiert erfolgen. In diesem Rahmen soll ein Risikoadjustierungssystem eingeführt werden, das nach ICD-10 codierte Abrechnungsdiagnosen eines Jahres, Alter und Geschlecht für eine Morbiditätsklassifikation von Patienten verwendet. Insbesondere im hausärztlichen Bereich stellt sich die Frage, inwieweit Abrechnungsdiagnosen die tatsächlichen Behandlungsanlässe eines Jahres abbilden, welche Auswirkungen eine mangelnde Diagnosenvalidität auf die Klassifizierung von Patienten in einem Risikoadjustierungssystem haben würde, und welche Einflussfaktoren auf die Diagnosenvalidität in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen könnten. Methode: In einer retrospektiven Querschnittsstudie wurde für eine Zufallsstichprobe von 250 Patienten aus zehn hausärztlichen Praxen untersucht, inwieweit anhand der Patientenakten identifizierte Behandlungsanlässe eines Jahres mit den von den Ärzten im gleichen Zeitraum angegebenen Abrechnungsdiagnosen übereinstimmten. Anhand von Abrechnungsdiagnosen und Behandlungsanlässen wurde die Morbiditätsklassifikation und die Schätzung des Ressourcenverbrauchs der Patienten im Risikoadjustierungssystem ACG verglichen. Zusätzlich wurden die Qualität der Dokumentation und Codierung, sowie die Eignung des Codierungssystem ICD-10 für die Verschlüsselung hausärztlicher Behandlungsanlässe analysiert und geprüft, ob die Verwendung von Diagnosenzusätzen die Validität von Abrechnungsdiagnosen erhöhen könnte. Ergebnisse: Trotz der hohen Zahl von durchschnittlich 6,1 Abrechnungsdiagnosen pro Patient lag in Bezug auf die im Untersuchungszeitraum behandelten Erkrankungen in 30% der Fälle ein Underreporting vor, das insbesondere akute Diagnosen mit geringem Schweregrad, nicht medikamentös behandelte chronische Erkrankungen, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen betraf. Ein Overreporting von im Untersuchungszeitraum nicht behandelten Dauerdiagnosen , wurde in 19% der Fälle vor allem bei chronischen Erkrankungen beobachtet. Für sechs in deutschen Hausarztpraxen häufige Erkrankungen (Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie, KHK, Rückenschmerzen und akute Atemwegserkrankungen) lag die Korrektheit von Abrechnungsdiagnosen zwischen 71% und 93%, die Vollständigkeit zwischen 56% und 86%. Die Kombination aus der fehlenden Angabe akuter Erkrankungen und Maßnahmen und der zusätzlichen Angabe inaktiver chronischer Erkrankungen führte bei einer Risikoadjustierung mittels des Patientenklassifikationssystems ACG insgesamt zu einer Überschätzung der Morbidität und des Ressourcenverbrauchs der Studienpatienten anhand ihrer Abrechnungsdiagnosen. Mittels einer Kennzeichnung als Verdacht , Ausschluss , gesichert und Zustand nach konnte die Übereinstimmung von Abrechnungsdiagnosen und Behandlungsanlässen in der vorliegenden Untersuchung um 1%, durch eine Klassifizierung als aktive (im Untersuchungszeitraum behandelte) und inaktive (im Untersuchungszeitraum nicht behandelte) Diagnosen dagegen um 9% erhöht werden.
In future, German GPs will receive remuneration according to the morbidity of their patients. For this purpose, a risk adjustment system will be introduced, which requires ICD-10 diagnosis codes, age and sex as risk factors to estimate morbidity and resource use of patients. Especially in GP practice it is not clear whether diagnosis codes, which are documented by GPs for remuneration purposes and are subsequently billed, accurately describe health problems for which the patient has actually been treated. The consequences of an incongruence in documented and treated health problems for the correct estimation of resource use by a risk adjustment system are also unknown, as well as factors which might influence the validity of coded diagnoses. Method: In a retrospective cross-sectional study a random sample of 250 patients in 10 GP practices was examined. For each patient, billed ICD-10 diagnosis codes for the year 2003 were compared with the health problems treated in the same year as documented in the patient s medical records. Patients allocation to morbidity groups and estimation of resource consumption on the basis of billed diagnoses and health problems in the medical record was compared by means of the risk adjustment system ACG. In addition, the quality of the GP´s documentation and coding of diagnoses was analyzed, as well as the suitability of ICD-10 to describe and code health problems in primary care. Results: Despite the large number of billed diagnoses per patient (on average 6.1), health problems which had been treated during the year 2003 according to the medical record were underreported in 30% of cases. This was especially the case for acute minor diseases, chronic diseases for which a prescription had not been issued, screening tests and vaccinations. Billed diagnoses which had not been treated in 2003 (=overreporting) were found in 19% of cases and concerned mainly inactive chronic diseases. Billing diagnoses for six diseases with high prevalence in primary care in Germany (hypertension, diabetes, lipid disorder, coronary heart disease, back pain and acute respiratory disease) were correct in 71% to 93% of cases und complete in 56% to 86% of cases. The combination of an underreporting of acute minor diseases and an overreporting of inactive chronic diseases led to an overestimation of morbidity and resource consumption in the risk adjustment system ACG for the study population. When health problems are labelled as active or inactive , the agreement between billed and treated diagnoses can be improved by 9%.