Kurzzusammenfassung Industrialisierung und massenhafte Zuwanderung führte in Städten an abflussarmen Flüssen nicht nur zu einem Anstieg des Abwasseraufkommens, sondern auch zu einer bedenklichen Verunreinigung der Wasserläufe. Am Beispiel Berlins wurden die für das späte 19. und frühe 20. Jh. zeittypischen Entwicklungen herausgearbeitet sowie die realisierten Problemlösungen und ihre Konsequenzen aufgezeigt. Oberhalb Köpenicks war die Müggelspree nur geringfügig verunreinigt. Anders verhielt es sich bei der Dahme, deren Wasserqualität durch die Einträge der Produktionsstätten in Grünau seit den 1860er Jahren erkennbar beeinträchtigt wurde. In Köpenick selbst befanden sich um 1900 ca. 200 größere und kleinere Wäschereien, die die Spree mit Seife, Ultramarin und Bakterien verunreinigten. Ab 1870 verlegten zahlreiche Unternehmen ihre Produktionsstätten an die Spree südöstlich Berlins. Unterhalb Köpenicks leiteten diese Fabriken der chemischen und Textilindustrie ihre Abwässer auf der Strecke zwischen Spindlersfeld und dem Abzweig des Britzer Zweigkanals in die Spree ein. Kleinräumig schädigten diese Abwässer die Biozönosen, bis hin zur völligen Verödung der Flusssohle unterhalb der Fabriken. Um die weitere Verunreinigung der Spree zu verhindern, richteten die Vororte um die Jahrhundertwende Kanalisationen ein, die das Abwasser der Betriebe und Ortschaften aufnahmen. Innerhalb des Berliner Stadtgebietes war durch den Bau der Kanalisation mit Verrieselung schon ein deutlicher Fortschritt zur Entlastung der Spree von Gewerbe- und Hausabwasser getan worden. Da aber die Berliner Kanalisation für Starkregenereignisse nicht ausgelegt war, wurden immer wieder große Mengen mit Unrat und organischer Substanz durchsetzten Abwassers durch die Notauslässe aus den Radialsystemen direkt in den Fluss gespült. Deshalb stellten die Notauslässe den wesentlichen Faktor der Verunreinigung im Stadtgebiet dar. Vergleichbar verhielten sich die Verhältnisse in Charlottenburg, das einige Jahre später als Berlin ebenfalls eine auf Radialsystemen basierende Mischkanalisation mit Verrieselung einrichtete. Neben den industriellen Einleitungen waren die Rückflüsse aus den im Umland gelegenen Rieselfeldern eine stete Quelle der Verunreinigung. Die kleinen Wasserläufe, die die Rieselfelder entwässerten transportierten erhebliche Mengen an Bakterien, Nitrat und in geringem Umfang Phosphat in die Spree. Gleichzeitig wurde ein großer Teil des Trinkwassers für die Stadt unterhalb der Einleitungen aus der Spree entnommen, so dass zunehmend die Gesundheit der Berliner gefährdet wurde. Erst 1893 wurde das Wasserwerk an den Müggelsee verlegt, da dort keine Verunreinigungen bestanden. Wegen der Flussverunreinigungen und Fischsterben suchten die preußischen Behörden Rat bei Wissenschaftlern. Trotz der ergriffenen Maßnahmen und der systematischen Überwachung der Spree ab 1909 blieb eine Verbesserung der Wasserqualität aus. Dies ist auf die natürlichen Gegebenheiten und die wasserbaulichen Maßnahmen im 19. Jh. zurückzuführen. Die Spree ist ein abflussarmer Fluss in einem nahezu ebenen Gelände. Mangelndes Gefälle und geringe Niederschläge in Kombination mit Schleusen und Wehren führten zu einem völligen Erliegen der Räumkraft des Flusses sowie Akkumulation und Sedimentation der Einträge. Dies ist die Ursache einer ca. 2 m mächtigen Sedimentschicht auf der Flusssohle der Spree, die mit Schadstoffen kontaminiert ist. Der einzige Ausweg mit dem Problem umzugehen, war die Entwicklung technischer Verfahren zur Abwasserreinigung und deren weitere Verbesserung voranzutreiben sowie Fortschritte bei der Überwachung zu erzielen, um die Gewässerverschmutzung unter Kontrolle zu bringen. Auf diese Weise wurde Berlin zu einem Zentrum der Wasser- und Gewässerforschung.
Abstract In the late 19th and early 20th century, industrialization and burgeoning town populations in Europe flooded rivers with waste water; rivers with restricted drainage became noticeably polluted. Berlin exemplified these problems and challenges and the kinds of responses and solutions that were brought to bear. Upstream of Köpenick, the Müggelspree could cope with the discharge of several small industrial establishments. The situation at Dahme River was different, however, because chemical and pharmaceutical plants had been located on its riverbanks since the late 1860’s. Their waste water caused significant pollution. By the end of the 19th century, about 200 laundries had been established in the town of Köpenick. Their discharged waste water was contaminated with soap, washing blue and bacteria, and these discharges affected biocenosis in the river. After 1870, many companies removed their production from the city of Berlin toward the south-east, upstream of the city. Most of the textile and chemical plants discharged their waste water into the river and caused severe, sometimes devastating, water pollution. By the end of the 19th century, communities on Berlin’s outskirts had constructed a separated sewer systems to solve the problem, by collecting waste water from the factories and settlements. Nevertheless, the pollution of the Spree River increased although the Berlin Magistrat had constructed a sewer with sewage fields in the 1870s, to reduce the discharge of waste water from houses and crafts. Berlin’s sewer system had not been constructed to deal with hard rain but such deluges took place from time to time. When this occurs, the run-off fill the sewers and cannot be transported as quickly as necessary to the sewage fields. To avoid flooded cellars in the city, emergency exits were installed at the pumping stations of the sewers located at the river banks. During hard rain, not only water but also organic waste is transported into the river. As a result, fish-die offs occurred regularly beginning in the 1880’s, especially after hot summer periods that ended with heavy rains. Another source of continuous contamination was the small water bodies that drained the sewage fields around Berlin. This drainage was contaminated by bacteria, nitrate and phosphate, hence a lot of pollutants had already entered the Spree River upstream of the city. At the same time, the river was used as a major source of drinking water and became increasingly dangerous for the health of the citizenry. Eventually, the water works were removed to Lake Müggelsee in 1893, a place that was not affected by pollutants. Due to river pollution and fish-die offs, the Prussian ministries and administration took measurements and demanded scientific advice. In spite of the regulations and frequent inspections that were implemented in 1909, water pollution remained a continuing problem. Contributing factors were natural conditions like low discharge of the water bodies and the fact that the city is in a plain, with little run-off. In addition, there were various anthropogenic impacts like locks and weirs, which caused sedimentation and accumulation of pollutants. Eventually, a 2 m layer of sediment accumulated on the riverbed which remains contaminated by heavy metals and other pollutants. The only way to cope with the problem was to develop technical systems to clean up waste-water efficiently and to support research for improving waste water management and advances in controlling water pollution problems. As a result, Berlin became a center of research on water science.