dc.contributor.author
Latsch, Martin
dc.date.accessioned
2018-06-07T20:12:34Z
dc.date.available
2014-12-17T14:03:09.715Z
dc.identifier.uri
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/6695
dc.identifier.uri
http://dx.doi.org/10.17169/refubium-10894
dc.description.abstract
Die schulischen Leistungen von Jungen sind in den vergangenen Jahren nicht nur
deutlich stärker in den Forschungsfokus geraten, sondern wurden auch in den
Massenmedien breit diskutiert (Weaver‐Hightower, 2003). Zentraler Inhalt des
öffentlichkeitswirksam geführten Diskurses ist, dass Jungen relativ zu Mädchen
zurückgefallen sind, so dass sie heute, im Unterschied zu der Si-tuation in
früheren Kohorten, weniger hochwertige Schulabschlusszertifikate erwerben als
Mäd-chen. Empirisch lässt sich feststellen, dass Jungen mit ansteigendem
Ausbildungsniveau immer weniger vertreten sind. So besuchen die Hauptschule
mehr Jungen als Mädchen, hingegen das Gymnasium mehr Mädchen als Jungen.
Bezüglich akademischer Leistungen kann festgehalten werden, dass Jungen in der
Lesekompetenz – einer Schlüsselkompetenz für den akademischen Erfolg –
deutlich geringere Leistungen aufweisen als Mädchen, während allerdings in der
Mathe-matik ein vergleichsweise geringerer, aber signifikanter
Leistungsvorsprung zugunsten der Jun-gen besteht. Insofern ist das durch die
Medien propagierte generelle Stereotyp über den männli-chen Schulversager
nicht angemessen, da sich die Kompetenzen von Mädchen und Jungen unver-ändert
in Abhängigkeit der Geschlechtskonnotation der fachlichen Domäne voneinander
unter-scheiden. Dem Forschungsansatz von Hannover & Kessels zufolge (z.B.
Hannover & Kessels, 2004, 2011; Kessels & Hannover, 2004, 2006) ist Schule
nicht nur ein Ort des Kompetenzerwerbs, sondern auch ein Ort, an dem Kinder
und Jugendliche ihre Identität entwickeln und aushandeln. Genauer wird in
Bezug auf die geschlechtsbezogene Identitätsentwicklung angenommen, dass
Kinder und Jugendliche die Geschlechtskonnotation von schulischen Lern‐ und
Interaktionsangeboten prü-fen und ihr Verhalten so ausrichten, dass ihre
Identität als Junge bzw. Mädchen abgestützt wird. In dieser Sichtweise kann
die mediale Darstellung von Jungen als "Verlierern in der Schule" dazu
beitragen, dass Jungen sich von Schule distanzieren und in ihrer
Leistungsfähigkeit durch Stereo-typenbedrohung beeinträchtigt werden. Das
Paradigma der Stereotypenbedrohung geht davon aus, dass durch die Befürchtung,
ein negatives Stereotyp über die eigene Gruppe zu bestätigen, die
Leistungsfähigkeit der betroffenen Person reduziert ist. Im Rahmen der
vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwiefern Schülerinnen und Schüler das
Stereotyp des männlichen Schulversagers überhaupt wahrnehmen (Studie 1) und
welche Konsequenzen aus dieser Wahrnehmung für die Leistung (Studie 2) und die
Motivation (Studien 3 und 4) von Jungen in den Fächern Deutsch und Mathematik
erwachsen. Ferner wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit überprüft, inwiefern
die Bedrohung des Überlegenheitsstatus von Jungen das Intergruppenverhalten im
schulischen Kontext beeinflusst. Die Theorie der sozialen Identität (Tajfel &
Turner, 1986) postuliert hierzu Möglichkeiten, wie sich eine durch Bedrohung
induzierte, unsichere soziale Identität durch Wie-derherstellung positiver
Distinktheit stabilisieren lässt, so z.B. durch die Abwertung der Fremd-gruppe
(Studien 5 und 6), den Wechsel identitätsrelevanter, sozialer
Vergleichsdimensionen (Studie 7) oder den Wechsel der sozialen
Vergleichsgruppe (Studie 8). Die Ergebnisse der Studie 1 zeigen, dass
Jugendliche Jungen im schulischen Kontext deutlich mehr negative Eigenschaften
zuschreiben als Mädchen, die überwiegend durch positive schulbe-zogene
Eigenschaften charakterisiert werden. Die Ergebnisse der Studie 2
verdeutlichen, dass sich dieses negative Stereotyp auf die Leistungsfähigkeit
von Jungen im eher feminin konnotier-ten Leistungsbereich Deutsch, nicht
jedoch in der eher maskulin wahrgenommenen Domäne der Mathematik, ungünstig
auswirkt. Nach der Bearbeitung eines kurzen Lesetextes, aus welchem sich eine
generell geringere schulische Leistungsfähigkeit von Jungen ableiten ließ,
wurde die Leistung von Jungen in dieser Gruppe in Deutsch im Vergleich zu
einer Kontrollgruppe bedeut-sam gemindert, wohingegen Mädchen in der
Experimentalgruppe sogar eine im Vergleich zur Kontrollgruppe gesteigerte
Leistung im Fach Deutsch aufwiesen (Studie 2). Für Mathematik zeig-ten sich
keine bedeutsamen Leistungsunterschiede als Ergebnis des experimentellen
Treatments. In Studie 3 wurde der Effekt eines ähnlichen experimentellen
Treatments auf die Motivation un-tersucht und in Studie 4 repliziert. Nach
Bearbeitung einer kurzen Statistik, aus welcher das schlechtere Abschneiden
von Jungen in der Schule hervorging, konnte für das Fach Deutsch kei-nerlei
Unterschied auf der Ebene motivationaler Zielorientierungen gefunden werden,
wohinge-gen für die Mathematik Jungen der Experimentalbedingung im Vergleich
zu einer Kontrollgruppe eine stärkere Lernzielorientierung aufwiesen (Studien
3 und 4). Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Stereotypenbedrohung für
Jungen zu einer Verstärkung der Geschlechtstypisierung in ihrer motivationalen
und leistungsbezogenen Entwicklung in der Schule beiträgt. Bezüglich der Stu-
dien 5 bis 8 zur Theorie der sozialen Identität ließ sich feststellen, dass
Jungen nach Bearbeitung des experimentellen Treatments tendenziell stärker
dazu geneigt waren, direkten sozialen Wett-bewerb zu betreiben und
insbesondere Weiblichkeit abzuwerten, was sich in einer erhöhten Ausprägung
hostil‐sexistischer Einstellungen gegenüber Mädchen im Vergleich zu Jungen der
Kontrollgruppe äußerte. Demgegenüber berichteten Mädchen der
Experimentalbedingung mehr benevolent‐sexistische Einstellungen gegenüber
Mädchen als Mädchen der Kontrollgruppe. In den Studien 5 bis 8 zur
Wiederherstellung positiver Distinktheit konnte weder für den Wechsel der
Vergleichsdimension, noch für den Wechsel der Vergleichsgruppe ein
differenzieller Effekt in Abhängigkeit der experimentellen Manipulation
festgehalten werden. Dies kann bedeuten, dass Jungen der untersuchten
Altersstufe „soziale Kreativität“ möglicherweise nicht als adäquate Stra-tegie
zur Absicherung einer Bedrohung ihrer sozialen Identität ansehen, sondern sie
verstärkt auf sozialen Wettbewerb zurückgreifen. Die Ergebnisse werden
abschließend zusammengefasst und hinsichtlich ihrer Implikationen für das
Forschungsfeld der Sozial‐ und Pädagogischen Psychologie, für das
Anwendungsfeld Schule und für Bildungsadministration und Bildungspolitik
diskutiert.
de
dc.description.abstract
Over the past few years, the academic performance of boys has not only
increasingly become the focus of research but has also been widely discussed
in the mass media (Weaver-Hightower, 2003). The key content of this discourse,
which has attracted considerable public attention, is that boys have fallen
behind academically, compared to girls. In contrast to the situation in pre-
vious cohorts, they are therefore currently gaining school leaving
certificates of a lower level than those gained by girls. Empirically, it is
noticeable that boys are increasingly less represented as the level of
education increases; i.e. in Germany, a higher proportion of boys attends the
lowest level of secondary school ("Hauptschule") whilst girls are over-
represented in the schools that offer the highest level of secondary school
education ("Gymnasium"). In terms of academic per-formance, it is fair to say
that as far as reading competence is concerned – which is a key skill for
academic success – boys are performing considerably less well than girls,
although the difference is comparatively less pronounced yet still marked in
mathematics, where the boys are perform-ing better. The stereotypical label of
"male non-achiever" generally propagated by the media is therefore applied
unjustly as the performance of girls and boys continues to differ in line with
the gender connotations of a particular subject domain. According to the
research approach practised by Hannover & Kessels (e.g. Hannover & Kessels,
2011, Kessels & Hannover, 2004, 2006), school is not only a place for
competence acquisition but also a place where children and young adults
develop and negotiate their identity. Focusing in more detail on gender-based
identity development, it appears that children and young adults assess the
gender connotations of educational and social interaction offers at school and
gear their behaviour towards supporting their male or female identity.
Considering this aspect, the media representation of boys as "academic non-
achievers" can con-tribute to boys distancing themselves from school
education. Stereotyping can therefore pose a threat which has an adverse
impact on their performance at school. The paradigm of stereotyping as a
threat is based on the fear that affirming a negative stereotype through the
own group reduces a particular individual's achievement potential. The extent
to which male and female students in fact perceive the stereotypical "male
academic non-achiever" (Study 1), and also the consequences arising from this
perception in terms of the performance of boys in the subjects of German and
mathematics (Study 2) and in terms of motivation (Studies 3 and 4) will be
examined within the scope of this work. It will further examine to what extent
this threat to the superiority status of boys impacts on intergroup behaviour
in a school context. In this respect, the theory of social identity (Tajfel &
Turner, 1986) postulates approaches to how an insecure social identity induced
by threat can be stabilised through the reestablishment of positive
distinctions, for example through degradation of the other group (Studies 5
and 6), ad-justment of the identity relevant social comparison dimensions
(Study 7) or by changing the so-cial comparison group (Study 8). The results
of Study 1 show that in a school context, young adults ascribe considerably
more negative characteristics to boys than they do to girls, who are
characterised mainly by positive attitudes when it comes to school. The
results of Study 2 clearly illustrate that this negative ste-reotyping with
regard to the academic performance of boys has an adverse impact on the
achievements of boys in the subject of German, which tends have feminine
connotations, alt-hough it has no effect on the performance of boys in the
subject of mathematics, a domain that tends to be perceived as masculine.
Subsequent to being given a short reading text to work through, which
suggested the conclusion that the boys in the group generally performed less
well academically, their achievements in the subject of German were in fact
considerably lower com-pared to the achievements in a control group, whereas
the girls in the group that participated in the experiment even performed
better than those in the control group in the subject of German (Study 2).
There appeared to be no significant differences in performance in mathematics
as a direct result of this experimental approach. Study 3 examined the effect
of a similar experimental situation on motivation; this was replicated in
Study 4. After the analysis of a brief statistic which showed that boys did
worse in school, the level of motivational goal orientation appeared to be
unaffected in the subject of German whereas in mathematics, the boys in the
group taking part in the experiment showed a stronger orientation towards the
learning aims than those in the con-trol group (Studies 3 and 4). These
results indicate that the threat of stereotyping boys contrib-utes to
increased gender typecasting in their motivation and performance related
development at school. As far as Studies 5 to 8 on the theory of social
identity are concerned, these showed that the boys who had taken part in the
experiment tended to be more disposed towards entering into direct social
competition, and in particular towards the degradation of femininity, which
was expressed through more markedly hostile sexist attitudes towards girls,
compared to the boys in the control group. In contrast, the girls who took
part in the experiment reported an increase in benevolent sexist attitudes
towards girls, compared to those in the control group. Studies 5 to 8 on the
reestablishment of positive distinctions were inconclusive, as the
experimental manipula-tion showed no differentiating effects in terms of
adjustment of comparison dimension or change of comparison group. This may
mean that the boys in the age group examined possibly do not consider "social
creativity" to be an adequate strategy against threats to their social
identity but in fact tend to rely more on social competition in this respect.
By way of conclusion, the results are summarised and discussed with regard to
their implications for the field of social and educational psychology
research, for the application environment school and for educational
administration as well as education policy.
en
dc.rights.uri
http://www.fu-berlin.de/sites/refubium/rechtliches/Nutzungsbedingungen
dc.subject
gender disparities
dc.subject
stereotype threat
dc.subject
social identity
dc.subject.ddc
100 Philosophie und Psychologie::150 Psychologie::150 Psychologie
dc.title
„Schlaue Mädchen – dumme Jungs?!“
dc.contributor.contact
martin.latsch@fu-berlin.de
dc.contributor.firstReferee
Prof. Dr. Bettina Hannover
dc.contributor.furtherReferee
Prof. Dr. Felicitas Thiel
dc.date.accepted
2014-10-01
dc.identifier.urn
urn:nbn:de:kobv:188-fudissthesis000000098108-6
dc.title.subtitle
Der Einfluss von negativen Stereotypen über Jungen auf Leistung, Motivation
und Gruppenprozesse im Klassenzimmer.
dc.title.translated
"Smart girls, dumb boys?!"
en
dc.title.translatedsubtitle
Impact of negative stereotypes about boys and influences on performance,
motivation and group processes in the classroom.
en
refubium.affiliation
Erziehungswissenschaft und Psychologie
de
refubium.mycore.fudocsId
FUDISS_thesis_000000098108
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FUDISS_derivate_000000016248
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