In weiten Teilen des Einzugsgebietes der Elbe traten im Zuge einer Vb- Wetterlage zwischen dem 10.-13. August 2002 extreme Regenfälle auf. Dem war Anfang des Monats eine intensive Vorregenphase vorausgegangen und führte zu einer starken Aufsättigung der Böden. Die Starkniederschläge verursachten schwere Überschwemmungen und Schäden, sowohl an den großen Flussläufen wie Moldau, Elbe und Mulde als auch in den obersten Einzugsgebieten im Erzgebirge wie an der Flöha und Müglitz. Das Gebiet um Zinnwald-Georgenfeld im Osterzgebirge erhielt in der Zeit zwischen dem 12.08.2002 (4:00 MEZ) und dem 13.08.2002 (4:00 MEZ) über 350 mm Niederschlag (LFULG, 2009). Ähnlich war die Situation in der Stadt Olbernhau im Mittleren Erzgebirge (LFULG, 2009). Oberhalb und in der Stadt Olbernhau traten Flöha, Natzschung und Schweinitz über die Ufer und führten zu schwersten Schäden im deutschen und tschechischen Teil des Mittleren Erzgebirges (Schulte et al., 2007). Annähernd 3 Stunden nach dem ersten Niederschlagsmaximum an der Waldklimastation Olbernhau wurde am Pegel Rothenthal (Natzschung) der Maximalabfluss mit einem Hochwasserscheitel von 89 m³/s registriert. Dieser Abfluss war dreiundsechzigmal höher als der mittlere Abfluss über das Jahr und doppelt so hoch wie das bisherige HHQ vom 24.Juni 1975 (LFULG, 2011c). Die Natzschung trug an der Mündung zur Flöha mit fast 100 m³/s zum Gesamtabfluss von 315 m³/s in Olbernhau bei. Ein grundsätzliches Problem für die Einzugsgebiete im Erzgebirge ist deren morphologische und topographische Situation. Die Auslässe solcher Gebiete sind oft durch Kerbtäler geprägt, die sowohl eine starke Hangneigunge als auch ein starkes Sohlgefälle aufweisen. Diese Situation birgt in Kombination mit Starkniederschlägen oder Schneeschmelzen die Gefahr hoher Abflüsse und des schnellen Anstiegs von Hochwasserwellen. Gleichzeitig ist bedingt durch die Topographie dieser Täler kein ausreichendes Stauvolumen vorhanden, um Hochwasserschutz zu betreiben. Ortschaften wie Olbernhau liegen unterhalb der Mündung solcher Kerbtalbereiche. Sie sind daher einem besonderen Hochwasserrisiko ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund sollte untersucht werden, ob es geeignete Möglichkeiten zur dezentralen Hochwasserretention im Einzugsgebiet der Natzschung gibt und welche Wirkung implementierte Maßnahmen in Bezug auf das Bemessungshochwasser eines HQ100 am Pegel Rothenthal haben. Mögliche Maßnahmen sollten im Sinne von Assmann (1999) dezentraler Natur sein, einen lokalen Retentionseffekt für Orte in den obersten Einzugsgebieten aufweisen und darüber hinaus auch eine überörtliche Wirkung auf Einzugsgebietsebene zeigen. Aufbauend auf der Problemstellung, Fragestellung und Zielsetzung der Untersuchung wird zunächst die Entwicklung des Hochwasserschutzgedankens im Zuge der letzten zwei Jahrzehnte in der Bundesrepublik Deutschland skizziert und der Stand der Forschung zum dezentralen Hochwasserschutz aufbereitet. Es schließt sich eine Beschreibung des Untersuchungsgebietes an, um die Randbedingungen der Modellierung aufzuzeigen. Im Kapitel Methodik werden Prinzipien und Strukturen des verwendeten Niederschlag-Abfluss-Modells behandelt und es wird erläutert, welche Datengrundlagen in welcher Form im Modell Verwendung gefunden haben. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass für die Natzschung ein belastbares hydrologisches Modell aufgebaut werden konnte, welches sich für eine zeitlich hochaufgelöste Langzeit-Hochwassersimulation eines reaktionsschnellen Mittelgebirgsraumes eignet. Weiterhin verdeutlichen die Ergebnisse, dass schon in den obersten Lagen des Untersuchungsgebietes eine genügend große Anzahl an Standorten für dezentrale Hochwasserrückhaltebecken vorhanden ist. Damit kann der Hochwasserschutz schon in den Quellgebieten ansetzen, insbesondere wenn sich flussabwärts nur noch eingeschränkte Hochwasserschutzpotenziale bieten. Der abschließende Teil der Ergebnisse belegt, dass diese Standorte ein genügend großes Retentionspotenzial beherbergen, um die Hochwasserscheitel eines HQ100 lokal sehr deutlich zu senken. Darüber hinaus wirken diese Potenziale auch noch auf Einzugsgebietsebene der Natzschung so eindeutig, dass im Unterlauf des Gewässers der Hochwasserscheitel eines HQ100 unterhalb des Niveaus eines HQ50 abgesenkt werden kann. Die Untersuchungen zeigen, dass durch die Maßnahmenkombination noch genügend Potenzial vorhanden ist, um auch die Scheitel größerer Hochwasserereignisse herabzusetzen. Ein HQ150 bzw. ein HQ200 würden ohne Änderung der Drosseleinstellungen auf das Niveau eines HQ50 bzw. eines HQ100 gesenkt werden können. Damit könnte in Kombination mit einer bereits vorhandenen Hochwasserschutzanlage in Rothenthal auch für Extremereignisse das Schutzziel eines HQ100 erreicht werden. Eine Kombination einer geringeren Anzahl an Standorten würde für ein HQ100 im Durchschnitt noch eine Scheitelreduktion von knapp über 13 % erbringen. Damit könnte nicht nur der Hochwasserscheitel, sondern auch das Versagensrisiko neu gebauter Hochwasserschutzanlagen reduziert werden. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Wirksamkeitsbetrachtung dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen immer im Kontext des räumlichen Schutzziels und vor dem Hintergrund möglicher Alternativen und der Einzugsgebietseigenschaften gesehen werden sollte.
The concept of decentralised flood protection (or water retention) is based on localising and using the natural capability of a catchment to retard run off as early as possible, and at several places at the same time, by means of a combination of different small-scale technical and non-technical measures (Assmann, 1999; DWA, 2006; DWA, 2013a; Schulte et al., 2007). Intense rainfall and heavy floods in August 2002, which caused extraordinarily high levels of inundation and damage, affected the Ore Mountains, a low range mountain region in eastern Germany. Against this background, the objective of this investigation has been developed to analyse the capability of headwater areas to mitigate floods for downstream locations at different spatial scales. Based on this idea, the hydrological effect of selected small, well-placed retention facilities was analysed for the Natzschung catchment. The above-mentioned concept is well established in German literature and recent studies have been reviewed, but it is also well known in the international context (Liaw et al., 2006; Mendel & Liebscher, 2010; Poulard et al., 2010; Scholz & Yang, 2010). Over recent years, several approaches and investigations have analysed the performance of these measures in terms of retention or detention ponds and other techniques (Reinhardt et al., 2011; Rieger, 2012). The discussion of pros and cons is still in progress, but the lack of data clearly remains an issue, especially concerning the capability and the effect of retention facilities at different spatial scales and for varying flood return periods (McMinn et al., 2010; Mendel & Liebscher, 2010). The analysis of the Natzschung catchment offered the potential for uncontrolled retention facilities at 19 locations, in the upper and middle basin. They include already existing small retention and detention ponds, and areas with valley- crossing street embankments with an ambiguous purpose. These facilities were implemented in a distributed hydrological model (NASIM) to simulate local and regional flood retarding effects with regard to a 100-year flood recurrence interval. The total storage capacity is over 500.000 m³ at a mean storage level of 3.6 m, and encompasses an area of more than 50 km². At all retention facilities, the discharge at the outlets is curbed and reduced by between 6 % and 75 %, with a mean of 40 %. More than 390.000 m³ of the retention capacity is used (72 %). This scenario induced a decrease in peak discharge from a level of 63.4 m³/s to a value of 45.2 m³/s (-28.7 %) at the gauging station Rothenthal (total area of 75 km²). At the catchment outlet 5 km downstream, the peak discharge remains lowered, at a level of 53.7 m³/s (-25.4 %). At both locations, the peak arrived forty-five minutes later. For all analysed locations in the catchment, a distinct effect concerning the peak reduction and the temporal shift of the peak could be observed. At the gauging station the HQ100 could be attenuated to a discharge comparable to a return period under a 50 year flood event (<HQ50). This is not only important for the main objective of flood protection, as a reduction in discharge also means a decrease in stream power, erosion and the sediment transport capacity of fluvial systems (Borga et al., 2011). After the August flood in 2002, several streams along the Ore Mountains were affected by sediment deposition dominated by boulders and cobbles. The sediments reduced the hydraulic cross section of the rivers and caused severe damage along the banks (IKSE, 2004; LFULG, 2009; LTV, 2004; RMD, 2005). The results have also shown that the total storage capacity is sufficient, but a redesign or a flexible control system of the outlets and the storage level of the basins could lower the costs and also improve the performance for larger flood events. However, the detection, survey and implementation of these kinds of retention facilities are labour and cost-intensive and need to be improved. This flood retention concept considers regional and local flood protection targets and the specific hydrological conditions and capabilities of a catchment. The implementation of these kind of measures in stream headwaters could be a feasible way to establish an effective and additional flood protection for the local and downstream settlements of the Ore Mountains, and for other low range mountain systems.