Angiogenese, die Sprossung von Kapillaren aus bereits vorhandenen Blutgefäßen, ist eine Voraussetzung für Wachstum und Differenzierung von Organen und Geweben. Gleichzeitig ist Angiogenese an einer Vielzahl pathologischer Prozesse, wie beispielsweise am Wachstum und der Metastasierung von Tumoren, beteiligt. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine Methode zur Quantifizierung der Angiogenese und Antiangiogenese in vitro zu etablieren, die als Ersatz- und Ergänzungsmethode zum Tierversuch alle Phasen der angiogenen Kaskade umfasst. Des weiteren sollte diese routinemäßig von verschiedenen Untersuchern und mit einem vertretbaren Zeit- und Kostenaufwand durchgeführt werden können. Hierfür wurden Endothelzellen aus dem bovinen Corpus luteum in vitro mit einem Selektivmedium zur Angiogenese stimuliert und phasenkontrastmikroskopisch untersucht. Dabei zeigten die Endothelzellen im Ablauf der Angiogenese in vitro charakteristische Veränderungen des Zellbilds in Form der Aussprossung, linearen Aneinanderreihung, Netzwerkbildung und schließlich der dreidimensionalen Organisation zu kapillarähnlichen Strukturen. Diese Phasen der Angiogenese in vitro wurden anschließend anhand des phasenkontrastmikroskopischen Zellbilds in 8 definierte Stadien eingeteilt. Der Zeitbedarf dieser Stadien wurde in Tagen gemessen und zur benötigten Gesamtzeit ins Verhältnis gesetzt. Dadurch war es im Gegensatz zu den bislang aus der Literatur bekannten in vivo- und in vitro-Modellen erstmals möglich, den zeitlichen Ablauf der Angiogenese und Antiangiogenese zu quantifizieren. Zum Nachweis der Reproduzierbarkeit der Methode zur Quantifizierung der Angiogenese wurde sowohl die Einschätzbarkeit der definierten Stadien durch unterschiedliche Personen als auch die Homogenität des Ablaufs der Angiogenese in verschiedenen Kulturschalen geprüft. Dabei zeigte sich, dass die Einschätzung der Stadien der Angiogenese in vitro durch zwei verschiedene Untersucher nur geringgradigen Abweichungen unterlag und somit durch einen einzigen Untersucher durchgeführt werden kann. Die statistische Bewertung des Ablaufs der Angiogenese in verschiedenen Kulturschalen, erfasst durch die definierten Stadien, führte zu dem Ergebnis, dass eine reproduzierbare Quantifizierung der Angiogenese in diesem in vitro- Modell mit einem relativ kleinen Stichprobenumfang erfolgen kann. Daher ist die Quantifizierung der Angiogenese und Antiangiogenese in diesem Modell nicht nur mit einem vertretbaren Zeitaufwand, sondern aufgrund der mittels der Standardausrüstung eines Zellkulturlabors durchführbaren Untersuchungen auch mit einem relativ geringen Kostenaufwand verbunden. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgte ein umfangreicher Vergleich der bekannten in vivo-, ex vivo- und in vitro-Modelle, die zur Identifizierung und Untersuchung pro- und antiangiogener Faktoren entwickelt wurden. Die für den Einsatz eines in vitro- Modells der Angiogenese als Ersatz- und Ergänzungsmethode zum Tierversuch erforderliche Vergleichbarkeit mit der Angiogenese in vivo wurde anhand der Untersuchung verschiedener Charakteristika der Endothelzellen überprüft. Dabei zeigte die Morphometrie der sich in vitro gebildeten kapillarähnlichen Strukturen, dass, wie bei der Angiogenese in vivo, auch der Ablauf der Angiogenese in vitro mit der Zunahme der Länge, der von diesen Strukturen eingenommenen Fläche und der Anzahl ihrer Verzweigungspunkte einherging. Ebenso wiesen die ultrastrukturellen Veränderungen der Endothelzellen im Ablauf der Angiogenese in vitro Ähnlichkeiten zur Angiogenese in vivo auf. Diese beliefen sich unter anderem auf Änderungen der Anzahl verschiedener Zellorganellen, wie beispielsweise der Mitochondrien und des endoplasmatischen Retikulums. Vor allem aber war ein für die Differenzierung der Endothelzellen essentielles Merkmal, ihre Polarisierung in eine luminale und eine abluminale Seite des neugebildeten Gefäßes, zu erkennen. Allerdings deutete die Präsenz extrazellulärer Matrix im Inneren der kapillarähnlichen Strukturen auf eine konvertierte Polarität der Endothelzellen hin. Durch den immunzytochemischen Nachweis von Kollagen Typ IV, einem Bestandteil der Basalmembran, wurde zusätzlich dokumentiert, dass es sich bei der von den Endothelzellen sezernierten extrazellulären Matrix um eine der Basalmembran analoge Struktur handelte. Das Auftreten apoptotischer Endothelzellen, welches im Ablauf der Angiogenese in vivo ein für die Reifung und Lumenbildung der neuen Kapillare erforderliches Phänomen darstellt, wurde auch bei den in vitro kultivierten Endothelzellen beobachtet. Dabei unterlagen gemäß der "umgekehrten" Polarität vor allem die Endothelzellen, die den kapillarähnlichen Strukturen von außen auflagen und dadurch keinen Kontakt zur extrazellulären Matrix aufwiesen, dem programmierten Zelltod. Im Rahmen dieser Arbeit wurde auch die proangiogene Wirkung von VEGF und FGF-2 mit der etablierten Methode bestätigt und quantifiziert. Ein besonderer Befund war dabei, dass VEGF in vitro zur Bildung von Endothelzellsphäroiden führte, welche der Entstehung großlumiger Gefäße in vivo entsprechen. Auch wurde die in vivo beobachtete Stimulation der Chemokinese durch FGF-2 bzw. der Chemotaxis durch VEGF bestätigt. Die Untersuchung und Quantifizierung der Wirkung der Angiogenese-Inhibitoren Angiostatin und Suramin zeigte, dass sich die Antiangiogenese durch Angiostatin in einer "Umkehr" der Angiogenese ausdrückt. Suramin hingegen führte anfangs zu einem beschleunigten Ablauf der Angiogenese. Die anhaltende Inkubation resultierte jedoch letztlich in der Auflösung der endothelialen Strukturen und somit in der antiangiogenen Wirkung des Suramin. Das vorliegende Modell schafft eine Möglichkeit zur praktikablen Quantifizierung der Angiogenese bzw. Antiangiogenese in vitro. Es kann sowohl zur effektiven Beurteilung und Quantifizierung der Wirkung potentieller angiogener und antiangiogener Substanzen, wie auch zur Erforschung dabei ablaufender zellulärer und molekularer Regulations-mechanismen angewandt werden und bietet damit die Chance, Tierversuche in Zukunft zu ergänzen und zu ersetzen.
Angiogenesis is defined as sprouting of new capillaries from pre-existing ones. Angiogenesis is a pre-requisite for growth and differentiation of organs and tissues and is involved in many pathological processes, for example growth and metastasis of tumours. Up to now numerous in vivo- and in vitro-models of angiogenesis have been developed in order to identify and analyse pro- and antiangiogenic factors. In these models, the effects of the substances tested were quantified in a few phases of angiogenesis only. The aim of the present study was to establish a method to quantify angiogenesis and antiangiogenesis in vitro in order achieve a replacement and complementary method comprising all stages of the angiogenic cascade. Furthermore, routinely accomplishment of quantitation should be possible for different investigators with a maintainable effort of time and costs. Endothelial cells derived from the bovine corpus luteum have been incubated in a selective medium, and the resulting angiogenic reaction of these cells was examined by phase contrast microscopy. In the course of in vitro angiogenesis, endothelial cells showed characteristic changes in their cellular morphology, i.e. sprouting, linear side by side arrangement and three-dimensional organisation in capillary-like structures. Subsequently, these phases of angiogenesis in vitro have been divided into eight strictly defined stages. Thus, in contrast to previously described in vivo and in vitro models, quantitation of the temporal course of angiogenesis and antiangiogenesis was established. The reproducibility of quantitation of angiogenesis was verified by examination of the defined stages by different persons and investigation of homogeneity of the course of angiogenesis in different culture dishes. Assessment of the stages of angiogenesis by two different investigators showed only minimal variances, and can therefore be established by a single investigator. The statistical evaluation of the course of angiogenesis in different culture dishes assessed by the defined stages of angiogenesis showed that a small sample size only is needed for quantitation of angiogenesis in this model. Thus, quantitation of angiogenesis and antiangiogenesis is not only time-efficient, but the method may also be performed with standard equipment of most cell culture laboratories and is thus additionally cost-efficient. Within the scope of this study, as previously described in vivo, ex vivo and in vitro-models employed for identification and testing of pro- and anti-angiogenic factors were compared in extension. In case an in vitro-model should be employed to reduce or replace animal testing, comparability to angiogenesis in vivo is essential and was established by examination of several characteristics of the cultured endothelial. The morphometry of capillary-like structures in vitro showed an increase of the area occupied, the length and the number of branching points in the course of angiogenesis. The ultrastructural changes of the endothelial cells in the course of angiogenesis in vitro showed analogies to angiogenesis in vivo, for example, a change in the number of cell organelles like mitochondria and endoplasmic reticulum occurred. Above all, an essential attribute of differentiated endothelial cells, their polarisation in the context of angiogenesis, was observable. However, the presence of extracellular matrix inside the capillary-like structures suggested a converted polarity of endothelial cells. The immunocytochemical investigation of collagen type IV demonstrated that endothelial cells secreted a characteristic component of the basal membrane. The appearance of apoptotic endothelial cells, a sign of capillary maturation in vivo, was also observed in cultured endothelial cells. According to the converted polarity of the endothelial cells, apoptosis was detected in cells at the exterior side of capillary-like structures, where cells lost contact to the extracellular matrix. In this study, proangiogenic effects of "Vascular Endothelial Growth Factor" (VEGF) and "Fibroblast Growth Factor-2" (FGF-2) were established and quantified by the newly developed method. A particularly noteworthy result was the observation that VEGF induces formation of endothelial spheroids in vitro, equivalent to large-calibre vessels in vivo. Additionally, the reports from in vivo studies of stimulation of chemokinesis induced by FGF-2, and chemotaxis induced by VEGF, respectively, were verified. Examination and quantitation of the angiogenesis-inhibitors Angiostatin and Suramin detected that Angiostatin- induced antiangiogenesis resulted in an 'inverse' angiogenesis. Suramin, on the other hand, initially resulted in increased angiogenesis. Long-term incubation ultimately resulted in disintegration of endothelial structures and thus established the antiangiogenic properties of Suramin. In conclusion, the present model allows a viable quantitation of angiogenesis and antiangiogenesis in vitro. It can be employed either in trial studies of potential angiogenic and antiangiogenic substances, respectively, or in the investigation of their essential cellular and molecular mechanisms and may thus provide an efficient method to reduce, refine and replace animal testing.