Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit sind die Versuche der Finanzpolitik und der Finanzwissenschaft, das Einkommensteuerrecht erstmalig für das gesamte Gebiet des Deutschen Reiches einheitlich zu gestalten. Es wird gezeigt, dass es sich hierbei nicht um eine bloße Vereinheitlichung und Zusammenfassung der Landesgesetze zu ‚einem’ Reichsgesetz handelte, sondern dass die Politik mit diesem ersten Reichseinkommensteuergesetz im Jahre 1920 und dessen Weiterentwicklung von 1925 gänzlich neue Wege beschritt und erstmals eine wirklich „moderne und gerechte“ Einkommensteuer vorlegte. Die Gesetze berücksichtigten umfassende Forderungen der Wissenschaft nach einem ganzheitlichen Aufbau, einer logischen Definition des Einkommens und einer gerechten Besteuerung. Dieser Prozess wird unter dem Gesichtspunkt einer „modernen und gerechten“ Einkommensteuer analysiert und seine Auswirkungen auf das heutige Recht dargelegt. Neben der betriebswirtschaftlichen Analyse des Gesetzeswerks ist Sinn dieser Arbeit, die politische und finanzwissenschaftliche Willensbildung und deren unmittelbare Auswirkung auf das beschlossene Gesetz darzustellen, sowie aufzuzeigen, von welcher Seite des politischen Spektrums und der Öffentlichkeit Ideen in den Gesetzgebungsprozess einflossen und schließlich verwirklicht wurden. Dies alles geschieht vor dem historischen Hintergrund der enormen Umwälzungen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Neben seinen fiskalisch-budgetären, wirtschaftspolitischen und steuertechnischen Zielen ist die Forderung nach einer gerechten Steuer Grundlage eines jeden Steuergesetzes. In dem Postulat der gerechten Steuer liegt jedoch auch das Hauptproblem jeder wissenschaftlichen Betrachtung einer Einkommensteuer, denn Gerechtigkeit ist ein subjektiver Begriff, der nur im Kontext mit einer bestimmten Gesellschaftsform und -vorstellung einigermaßen abschließend beantwortet werden kann. Eine eingehende Auseinandersetzung mit den Theorien der Gerechtigkeit und den Möglichkeiten der gesetzestechnischen Umsetzung sowie - damit einhergehend - eine Analyse des tatsächlichen Gesetzestextes sind insofern unabdingbar für eine Beantwortung der obigen Fragestellung. Hinzu kommt das Problem, dass auch der Begriff des Einkommens wissenschaftlich nicht restlos geklärt ist. Das Zusammenspiel dieser beiden Problemfelder führt dazu, dass die Problematik der Steuergerechtigkeit ein Betätigungsfeld ist, dass den Politikwissenschaftler und den Steuerwissenschaftler gleichermaßen fasziniert. Um eine einigermaßen abschließende Beantwortung der Fragestellung unter den gegebenen Voraussetzungen dennoch zu er-möglichen, erfolgt ein Rückgriff auf die Diskussionen bei der erstmaligen Einrichtung eines deutschlandweit einheitlichen Einkommensteuerrechts. Zu diesem Zeitpunkt fanden die politisch- philosophischen Diskussionen um den Begriff der Gerechtigkeit erstmalig um- fassenden Eingang in das Gesetzeswerk.
The target of this study is the attempt of fiscal policy and finance to create the first time uniform income taxes throughout the whole area of the Deutsche Reich. This study shows, that the first Reichseinkommensteuergesetz of 1920 and its amendment in 1925 was not only a simple harmonisation and consolidation of the diverse Landesgesetze to one Reichsgesetz. With this first Reichseinkommensteuergesetz politics went new ways to create for the first time “modern and fair” income taxes. The laws incorporate comprehensive claims of science for an integral structure, a reasoned definition for income and fair taxation. This lawmaking process is analysed under the aspect of “modern and fair” income taxes and its impact on today’s laws are presented. Besides the economical analysis of the bodies of law, the purpose of this study is to outline the political and financial decision-making process and its direct impact on the enacted law as well to demonstrate from which sides of the political spectrum and general public ideas flowed in and ultimately implemented. This all happened within the historical background of radical changes after World War I. Apart from the fiscal-budgetary, the economic- political and the tax goals, tax laws demand for the basis of fair taxation. But in the postulate for fair taxes lies the main problem of every scientific consideration of income tax, since fairness is a subjective notion which can only be conclusively accessed via a certain type or concept of society. A close evaluation of theories concerning fairness and their feasibility of implementation to law as well as the analysis of the de facto tax laws are essential for the answer of the question above. This is aggravated by the fact that the term of income has not yet been definitely resolved. Since these two issues interact, it results in the fact that the problematic of fair taxation fascinates both political scientists as well as taxation scientists equally. Yet, to obtain a reasonable answer of the question under the given circumstances, the first establishment of a nation-wide unified taxation laws in Germany is discussed. At this time, the political-philosophical discussion on the term of fairness was firstly implemented into law.