Aufgabenstellung Das Ziel der Untersuchungen bestand darin, die pathophysiologischen Konsequenzen einer Mannheimia-haemolytica-A1-Infektion des Kalbes auf die Funktionen der äußeren Atmung und die daraus resultierenden Folgen für den Gesamtorganismus zu analysieren. Zur komplexen Erfassung der pathogenetischen Mechanismen wurden Lungenfunktionsuntersuchungen, Blutgasanalysen sowie Analysen des Säuren-Basen-Haushalts, des roten und weißen Blutbildes und von im Blut nachweisbaren Marker einer akuten Entzündung durchgeführt. Begleitend erfolgte die patho-morphologische Beurteilung der Lungen. Methodik Von ursprünglich 24 in das Versuchsvorhaben einbezogenen Kälbern beiderlei Geschlechts (Alter: 3 15 Tage, Körpermasse: 31 47 kg) wurden - nach Abschluss einer Quarantänisierungszeit von 6 Wochen 20 klinisch gesunde Kälber mit Mannheimia haemolytica A1 infiziert. Die Infizierung erfolgte durch zweimalige intratracheale Applikation je Tier im Abstand von 30 h mit jeweils 10 ml einer flüssigen Kultur (1,5 2,0 x 109 kbE/ml). Jedes experimentell infizierte Kalb wurde der Sektion zugeführt; entweder nach vorzeitigem Verenden oder nach Euthanasie am 5. Tag post infectionem (Versuchende). Während des gesamten Untersuchungszeitraumes von 45 Tagen erfolgte täglich die klinische Untersuchung eines jeden Tieres. Blutproben für serologische und hämatologische Untersuchung sowie Nasentupfer zum kulturellen Nachweis von Mannheimia haemolytica A1 wurden ante infectionem (a.i.) wöchentlich und post infectionem (p.i.) täglich gewonnen. Lungenfunktionsuntersuchungen (Ventilation und Atmungsmechanik) wurden mit dem Impuls- Oszilloresistometrie-System zu folgenden Zeitpunkten durchgeführt: 2 Wochen a.i., eine Woche a.i. sowie 3 und 4 Tage (d) nach der experimentellen Infizierung. Zur Gewinnung arteriellen Blutes wurden bei 12 Kälbern Katheter in der Aorta abdominalis platziert. Arterielle und venöse Blutprobenentnahmen erfolgten parallel 1 d a.i., unmittelbar vor der Infizierung sowie 3, 6, 12, 24 Stunden und 2, 3, 4, 5 Tage p.i. für Blutgasanalysen sowie zur Analyse des Säuren-Basen-Haushalts und der Hämoximetrie. Außerdem wurden das rote und weiße Blutbild sowie Akute-Phase-Proteine im venösen Blut untersucht. Während der Sektion eines jeden Tieres wurden patho-morphologische Veränderungen im respiratorischen System dokumentiert sowie Gewebeproben an fünf verschiedenen Lokalisationen des Respirationstraktes für weiterführende bakteriologische Untersuchung entnommen. Ergebnisse Klinische Beobachtungen: Nach der experimentellen Infizierung entwickelten die Tiere Dyspnoe und Fieber (deutlicher Anstieg der Atmungsfrequenz ab 3 h p.i. und der Rektaltemperatur ab 6 h p.i.). Die Intensität von Husten und Nasenausfluss war erhöht. Ventilation und Atmungsmechanik: Drei und 4 d p.i. waren sowohl das Atemzugvolumen (VT) als auch das Atemminutenvolumen (Vmin) signifikant gegenüber den a.i. ermittelten Werten vermindert, wohingegen die Atmungsfrequenz sich signifikant erhöhte. Zeitgleich verminderten sich folgende mittels IOS erfassten Kenngrößen: die respiratorische Resistance bei 3 Hz, die Compliance der Lunge sowie die Kohärenzen bei 3 und 5 Hz. Blutgasanalyse, Säuren-Basen-Status und Hämoxymetrie: Post infectionem verminderten sich der O2-Partialdruck (PO2) und die O2-Sättigung des Hämoglobins (SO2) sowohl im arteriellen als auch im venösen Blut signifikant, so dass eine deutliche Hypoxämie vorlag. 123 Der CO2-Partialdruck (PCO2) war in beiden Blutarten signifikant vermindert (Hypokapnie). Des Weiteren wiesen die alveolo-arterielle O2-Partialdruckdifferenz (A-aDO2), der pulmonale Shunt und die arterio-venöse O2-Differenz (a-vDO2) p.i. signifikant erhöhte Werte auf. Diese Befunde gingen mit einer Rechtsverschiebung der Sauerstoffdissoziationskurve (gekennzeichnet durch einen signifikanten Anstieg des Halbsättigungsdrucks, P50) einher. Die Ergebnisse der Hämoxymetrie zeigten signifikant reduzierte Werte der oxygenierten Hämoglobinfraktion und signifikant erhöhte Werte für reduziertes Hämoglobin. Bezüglich des Säuren- Basen-Status waren p.i. sowohl im arteriellen als auch im venösen Blut signifikante Verminderungen von Standard Base Excess (SBE), aktuellem Basenüberschuss (ABE), Standardbikarbonat (SBC) und aktuellem Bikarbonat (HCO3 -) auffällig. Parameter des peripheren Blutes: Das roten Blutbildes veränderte sich nach der experimentellen Infizierung bezüglich eines signifikanten Anstieges von Erythrozytenzahl, Hämoglobinkonzentration und Hämatokrit, während die Erythrozytenindizes MCV und MCH unbeeinflusst blieben. Tendenziell war eine Erhöhung des MCHC zu beobachten (nicht statistisch gesichert). Die Thrombozytenzahl unterlag keiner signifikanten Veränderung. Die Untersuchung der Leukozyten inklusive des Differenzialblutbildes wies p.i. signifikant erhöhte Leukozytenzahlen sowie signifikant mehr segmentkernige wie auch stabkernige neutrophile Granulozyten und Monozyten auf. Basophile und eosinophile Granulozyten waren durch die experimentelle Infizierung nicht beeinflusst. Eine tendenzielle Abnahme der Lymphozyten (3 h p.i.) ließ sich statistisch nicht sichern. Marker der Akuten-Phase-Reaktion, wie die Konzentrationen von Haptoglobin und Fibrinogen, erhöhten sich p.i. signifikant. Pathologie: Das Ausmaß der morpholgisch sichtbaren pneumonischen Veränderungen variierte zwischen 0,5 55,4 % (bezogen auf die Lungenoberflächen der 20 Kälber). Die Affektionen der Lunge waren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ sehr heterogen. Schlussfolgerungen Die experimentelle Infizierung von Kälbern mit Mannheimia haemolytica A1 führte zu nachhaltigen Störungen von Funktionen und Effizienz der äußeren Atmung in deren Folge die O2- Versorgung des Blutes erheblich beeinträchtigt war. Obstruktive Ventilationsstörungen konnten ausgeschlossen werden, da weder ein erhöhter Strömungswiderstand in den Atemwegen noch eine verringerte Abatmung von CO2 vorlagen. Verminderte Dehnbarkeitseigenschaften der Lunge (CL) sprechen vielmehr für das Vorhandensein restriktiver Ventilationsstörungen. Die Ergebnisse der Blutgasanalyse (Hypoxämie, erhöhte A-aDO2, erhöhter pulmonaler Shunt) lassen den Schluss zu, dass Beeinträchtigungen der Diffusionskapazität der Lunge und Störungen der pulmonalen Perfusion im Vordergrund der pathogenetischen Reaktionsmechanismen standen. Die systemischen Reaktionen des Kälberorganismus widerspiegelten sich hautsächlich in Veränderungen des weißen Blutbildes sowie in deutlichen Anstiegen der Konzentrationen von Haptoglobin und Fibrinogen im Blut. Weder die beobachteten klinischen Symptome (Fieber, Dyspnoe, Nasenausfluss, Husten) noch die pathologisch-anatomischen Veränderungen können als spezifisch für eine Infektion mit Mannheimia haemolytica A1 angesehen werden. In Anbetracht der gewonnen Daten ist vielmehr davon auszugehen, dass den klinisch sichtbar werdenden Symptomen erhebliche pulmonale Dysfunktionen zu Grunde liegen. Demzufolge sind Therapiekonzepte notwendig, die - neben der Antibiose auf die Wiederherstellungen der Funktionen der äußeren Atmung und des Gasaustausches zielen sowie anti-inflammatorische Maßnahmen umfassen.
Effects of an experimentally induced infection with Mannheimia haemolytica A1 on pulmonary functions in calves Aims The aim of this study was to evaluate the complexity of pathophysiological mechanisms of an infection caused by Mannheimia haemolytica A1 in calves - with respect to pulmonary functions and resulting consequences for the total organism. Therefore, variables of lung function, blood gases, acid-base-status, red and white blood cells, and parameters of an acute inflammation in the peripheral blood were quantified before and after an experimentally induced challenge. Accompanying patho- morphological findings were recorded post mortem. Methods From a total number of 24 calves (age: 3 to 15 days, body weight: 31 to 47 kg, both sexes) 20 calves were included after a quarantine period of 6 weeks confirming clinically healthiness. For experimental challenge, 10 ml of a culture containing Mannheimia haemolytica A1 (1.5 to 2.0 x 109 cfu/ml) were injected intra-tracheally twice in each animal with an interval of 30 hours. At the end of the study, all calves were necropsied either due to spontaneous death or after euthanasia 5 days after infection. During the total observation period of 45 days, a daily clinical examination was performed in each calf. To control the presence of Mannheimia haemolytica A1, both nasal swabs (to detect antigen by culture) and blood samples (to detect antibodies) were collected once per week ante infectionem (a.i.) and daily post infectionem (p.i.). For lung function testing, the Impulse-Oscillometry-System (IOS) was used. Variables of ventilation and respiratory mechanics were measured twice a.i. (-2 weeks, -1 week) as well as 3 days and 4 days after infection. Via a catheter that was placed in Aorta abdominalis arterial blood was sampled in 12 of the 20 calves at following time points: one day and immediately a.i., and 3, 6, 12, and 24 hours (h) as well as 2, 3, 4, and 5 days (d) after infection. At these defined time points, variables of blood gas analysis, acid base status, and haemoglobin spectra were measured in parallel in both arterial and venous blood. Furthermore, in the venous blood red and white blood cells as well as acute phase proteins (haptoglobin and fibrinogen) were analysed. At dissection, patho-morphological changes in lungs were registered, and tissue was sampled at five locations within each lung for further bacteriological investigation. Results Clinical observations: After challenge, clinical symptoms were characterised by dyspnoea and fever (respiratory rate started to increase 3 h p.i., and rectal temperature 6 h p.i.). Furthermore, a higher intensity of cough and nasal discharge was observed. Ventilation and respiratory mechanics: Three and 4 d p.i., both tidal volume (VT) and minute ventilation (Vmin) were significantly decreased while the respiratory rate was significantly increased. In addition, the following IOS-variables decreased significantly: respiratory resistance at 3 Hz, lung compliance, and coherence at 3 and 5 Hz. Blood gas analysis, acid base status and haemoglobin spectra: After challenge, both partial pressure of O2 (PO2) and saturation of haemoglobin (SO2) decreased significantly in arterial as well as in venous blood samples indicating severe hypoxemia. Furthermore, the partial pressure of CO2 (PCO2) decreased significantly in both arterial and venous blood at 125 days 1 and 2 p.i. indicating hypocapnia. In addition, the alveolar-arterial oxygen difference (A-aDO2), the pulmonary shunt, and the arterial-venous difference in oxygen (a-vDO2) were significantly increased after infection. These findings were accompanied by a shift of the oxygen bound graph to the right (i.e. P50 increased significantly). Hemoxymetry results were characterised by a significantly reduced percentage of oxygenated and a significantly increased percentage of deoxygenated haemoglobin. Analysis of acid base variables resulted in significant decreases in standard base excess (SBE) and actual base excess (ABE) in both arterial and venous blood, after challenge. Furthermore, significant decreases of standard bicarbonate (SBC) and actual bicarbonate (HCO3 -) were analysed in both arterial and venous blood samples after infection. Peripheral blood parameters: Related to red blood cells, the post challenge period was characterised by significant decreases in haemoglobin concentration, haematocrit, and the total number of erythrocytes. The indexes of erythrocytes MCV and MCH, however, remained unchanged whereas MCHC showed a tendency to increase (non-significant). No significant change was observed in the number of thrombocytes. Results related to white blood cells inclusive their differentiation indicated significant increases in total leukocyte number as well as in neutrophils with segmental nucleus, neutrophils with rod-shaped nucleus, and monocytes. Neither basophiles nor eosinophils were changed by experimental infection. An observed decrease in lymphocytes (3 h p.i.) could not be secured statistically. Markers of acute inflammation, i.e. concentrations of haptoglobin and fibrinogen in the venous blood, were found to be significantly increased in the post challenge period compared to baseline values before infection. Pathology: Within the group of 20 calves, the extension of pneumonic lesions varied between 0.5 55.4 % of the total lung surface. In general, a large heterogeneity was found with respect to both quantity and quality of lung injuries. Conclusions An experimentally induced challenge with Mannheimia haemolytica A1 in calves led to severe deteriorations in pulmonary functions and consequently to a strong impairment of oxygen transfer from alveoli into blood. Since no increase in respiratory resistance was measured and because CO2 could be eliminated from the body (hypocapnia), there were no indications for the presence of obstructive disturbances of ventilation. However, restrictive disturbances in ventilation did occur and were measured by a diminution of lung compliance. Results of blood-gas-analysis (hypoxemia, increased A-aDO2, and increased pulmonary shunt) allow the conclusion that lung function disturbances were mainly related to an impaired diffusion capacity of the lung and to deterioration in lung perfusion. In addition to damages within the respiratory system, systemic reactions of acute inflammation were predominantly reflected by parameters of white blood cells and by strong increases in the concentrations of haptoglobin and fibrinogen in the blood. Since clinical symptoms (fever, dyspnoea, nasal discharge, and cough) and pathological findings (acute pneumonia of varying extend) were found to be non-specific, all pathogenetic mechanisms as evaluated in this study should be taken into account when Mannheimia haemolytica A1 has been found to be involved in respiratory diseases. Under field conditions, one must assume the presence of severe pulmonary dysfunctions at the same time when clinical symptoms occur. Consequently, multiple therapeutic components are necessary (in addition to antibiotic treatment) to improve pulmonary function and gas exchange and to reduce consequences of acute inflammation.