dc.contributor.author
Ehrlich, Stefan
dc.date.accessioned
2018-06-07T18:56:12Z
dc.date.available
2011-05-16T09:04:15.557Z
dc.identifier.uri
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/5589
dc.identifier.uri
http://dx.doi.org/10.17169/refubium-9788
dc.description.abstract
Im Rahmen des biopsychosozialen Modells geht man heute allgemein davon aus,
dass neurobiologische Faktoren wesentlich zu einer erhöhten Vulnerabilität für
Essstörungen und der Aufrechterhaltung solcher Erkrankungen beitragen
(Treasure and Campbell, 1994). In der vorliegenden Arbeit werden drei Aspekte
der Neurobiologie der Anorexia Nervosa (AN) näher beschrieben. (1) Im Zustand
des akuten Untergewichtes sind bei vielen AN Patientinnen sekundäre
Hirnveränderungen im Sinne einer zerebralen Atrophie und eines gestörten
neuronalen Metabolismus nachweisbar. Diese Veränderungen gehen mit einer
verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit einher (Kerem and Katzman, 2003).
Es ist bisher unklar, ob diese Phänomene durch eine Schädigung oder den
Untergang neuronaler und glialer Zellen verursacht werden. Unsere
Untersuchungen zu Markern (Ehrlich et al., 2008a; Ehrlich et al., 2009e;
Ehrlich et al., 2008c) neuronaler Schädigungs- (GFAP, NSE, S100) und
Regenerationsprozesse (BDNF) geben wenig Anhalt für einen massiven Untergang
von Nerven- oder Gliazellen als Erklärung für atrophische Hirnveränderungen
bei akut untergewichtigen Patientinnen mit AN. Keines der erwähnten Proteine
war bei Patientinnen mit akuter AN erhöht. Die wahrscheinlichste Ursache für
die (Pseudo-)Atrophie ist eine erniedrigte ZNS-Proteinbiosynthese. Die von uns
beobachtete verminderte Korrelation zwischen Alter und Plasma GFAP bei akuter
AN und die positive Korrelation von S100B mit der Verfügbarkeit der
essentiellen Aminosäure Tryptophan stützen diese Annahme. (2) Eines der
wichtigsten Ziele in der modernen psychiatrischen Forschung ist die Suche nach
biologischen Markern. Unter den krankheitsspezifischen Biomarkern werden so
genannte State- von Trait-Markern differenziert. Unter State-Markern versteht
man zustandsabhängige Variablen, die nur während aber nicht vor und/oder nach
der Krankheitsepisode nachweisbar sind. Trait-Marker sind hingegen lebenslang
beobachtbare Merkmale, die mit einer erhöhten Vulnerabilität für bestimmte
Erkrankungen einhergehen. Da es angesichts einer Vielzahl an Malnutritions-
assoziierten Veränderungen bei AN besonders wichtig erscheint State- von
Trait-Markern zu unterscheiden, beinhaltete das Studiendesign aller
beschriebenen Arbeiten eine Untersuchung von AN Patientinnen im akut
untergewichtigen Zustand und von ehemaligen, jetzt gewichtrehabilitierten, AN
Patientinnen. Unsere Arbeiten zum serotonergen System bei AN ergaben
unauffällige Befunde für Patientinnen mit akuter AN (außer Tryptophanspiegel),
jedoch deutlich veränderte Parameter bei ehemaligen Patientinnen. Bei diesen
waren die kinetischen Parameter der Serotoninaufnahme im Thrombozytenmodell
signifikant erhöht (Ehrlich et al., 2009c) und die MAO-B Aktivität signifikant
erniedrigt (Ehrlich et al., 2008b). Zusammen mit den Vorbefunden aus Liquor-
Studien bzw. Studien mit bildgebenden Verfahren (Kaye, 2008; Kaye et al.,
2005) und genetischen Untersuchungen (Gorwood, 2004; Hammer et al., 1990)
verdichten sich die Hinweise auf eine Störung des serotonergen Systems als
Vulnerabilitätsmarker bei AN. Die dargestellten Ergebnisse sind vereinbar mit
der Hypothese eines hyperserotonergen Zustandes bei gewichtsrehabilitierten AN
Patientinnen. Allerdings lassen sich auch bei Langzeit-gewichtsrehabilitierten
AN die Einflüsse eventuell leicht veränderter Essgewohnheiten nicht
ausschließen (Ehrlich et al., 2009d). Die genauen pathophysiologischen
Mechanismen der Dysregulation im hochkomplexen serotonergen System bedürfen
noch weiterer intensiver Forschung, insbesondere mit bildgebenden Verfahren.
Im neuroendokrinen System dagegen ergab sich kein Anhalt für Trait-Marker der
AN. Wir untersuchten die epigenetische Regulation und Plasmaspiegel von
appetitregulierenden Hormonen bei akuten und ehemaligen AN Patientinnen sowie
gesunden jungen Frauen. Es konnten keine Unterschiede in der promoter-
spezifischen DNA-Methylierung von POMC (als Proxy von α-MSH, ACTH) gefunden
werden. Die Veränderungen der POMC und AGRP Expression waren nur im
untergewichtigen Stadium nachweisbar, korrelierten eng mit BMI und Leptin und
normalisierten sich bei Genesung (Ehrlich et al., 2010). Überraschenderweise
war POMC jedoch im untergewichtigen Zustand erhöht. Dies könnte möglicherweise
zur Aufrechterhaltung des Untergewichtes bei akuter AN beitragen und kann im
Rahmen der „mixed signalling“ Hypothese verstanden werden (Inui, 2001). (3)
Leptin ist ein Hormon, das von Fettzellen synthetisiert und von diesen in den
Blutkreislauf sezerniert wird. Der Leptinserumspiegel korreliert mit dem BMI
und erlaubt Rückschlüsse auf die Ernährungssituation von essgestörten
Patientinnen (Hebebrand et al., 2007). Mutationen im Leptin- bzw. im
Leptinrezeptorgen führen zu Hyperphagie, Adipositas und Infertilität (Farooqi
and O'Rahilly, 2009). Reduzierte Leptinspiegel signalisieren dem Hypothalamus
und weiteren Hormonregelkreisen, sich auf eine potentiell drohende
Semistarvation einzustellen (Muller et al., 2009). Unsere Daten zeigen, dass
Leptin pleiotrope Wirkungen vermittelt. Erniedrigte Leptinspiegel sind eng mit
der für die AN typischen körperlichen Hyperaktivität verbunden (Ehrlich et
al., 2009a). Des Weiteren ergeben sich Assoziationen mit depressiven Symptomen
und dem Verlust des sexuellen Interesses (Ehrlich et al., 2009b). Unser
klinisch-translationaler Ansatz erlaubte es uns, aus Tiermodellen bekannte
Phänomene (Exner et al., 2000; Lu et al., 2006; Schneider et al., 2007) in
Patienten zu nachzuweisen. Trotzdem in den beschriebenen Arbeiten einzelne
Aspekte zur Neurobiologie der Anorexia Nervosa näher beleuchtet werden
konnten, ist unser Verständnis von Prädispositionen und den daraus
resultierenden psychoneuroendokrinen Veränderungen und sekundären
Komplikationen äußerst begrenzt. Die genauen pathophyhsiologischen Mechanismen
der Dysregulation in hochkomplexen Regulationssystemen (z.B. serotonerges
System, appetitregulierende Hormone) bedürfen noch weiterer intensiver
Forschung.
de
dc.description.abstract
According to the biopsychosocial model of Anorexia Nervosa (AN),
neurobiological factors contribute to the vulnerability towards eating
disorders and also seem to play a role after the onset of the disorder
(Treasure and Campbell, 1994). In this work, I will focus on three important
aspects in the neurobiology of AN: (1) In the state of undernutrition, many
patients with AN show signs of cortical brain atrophy and an abnormal cerebral
metabolism. These changes co-occur with a marked reduction of cognitive
abilities (Kerem and Katzman, 2003). To date, it is unclear if these phenomena
are due to the damage or death of neuronal or glial cells. In our studies
(Ehrlich et al., 2008a; Ehrlich et al., 2009e; Ehrlich et al., 2008c) we
investigated markers of neuronal and glial damage (GFAP, NSE, S100) and
regeneration (BDNF). Our results do not provide evidence for the death or
extensive damage of brain cells. The most likely explanation for the (largely
reversible) cortical atrophy is a reduced protein biosynthesis during the
state of undernutrition. Statistical relationships between GFAP and age as
well S100B and essential amino acids support this hypothesis. (2) The search
for reliable biomarkers is one of the most important goals of biological
research in psychiatry. In the field of AN it is particularly important to
differentiate between state and trait markers. State markers are transient and
tied to a specific episode of the disorder (i.e. acute undernutrition) whereas
trait markers are stable and may be linked to the predisposition for a
specific illness. In order to tease apart state and trait markers all our
studies included patients with acute AN and weight-recovered AN patients. Our
data from markers of the serotonergic system did not indicate abnormalities in
patients with acute AN (except tryptophan plasma concentration) but recovered
patients had significantly elevated kinetic parameters (platelet model) for
serotonin uptake (Ehrlich et al., 2009c) and a reduced MAO-B activity (Ehrlich
et al., 2008b). If interpreted in the light of previous findings from studies
in cerebrospinal fluid, using neuroimaging (Kaye, 2008; Kaye et al., 2005) or
genetic association techniques (Gorwood, 2004; Hammer et al., 1990) we may
assume that abnormalities in the serotonergic system constitute a
vulnerability marker for AN. The specific mechanisms of dysregulation in the
highly complex serotonergic system warrant additional study. Our
neuroendocrinological studies, investigating plasma concentrations and the
epigenetic regulation of appetite-regulating peptides, did not provide
evidence for trait markers for AN. The promoter-specific DNA-Methylation of
POMC (a pre-protein of alpha-MSH and ACTH) was not different between patients
with acute AN, recovered patients and healthy controls. Changes in POMC and
AGRP expression were observed solely in the group of patients with acute AN,
correlated with leptin levels and normalized with weight gain (Ehrlich et al.,
2010). Interestingly AGRP and POMC were elevated in the underweight state.
Although speculative, this could be interpreted within the framework of the
„mixed signalling“ hypothesis (Inui, 2001). (3) Leptin is a hormone which is
secreted into the blood stream by fat cells. It regulates hunger, satiety and
the adaption to semistarvation, correlates with the BMI and provides
information about the nutritional situation of eating-disordered patients.
(Hebebrand et al., 2007; Muller et al., 2009). Mutations in the leptin or
leptin-receptor gene cause hyperphagia, obesity and infertility (Farooqi and
O'Rahilly, 2009). Our data underline the pleiotropic effects of leptin.
Reduced leptin levels in underweight AN are closely associated with the
typically occurring physical hyperactivity and restlessness in these patients
(Ehrlich et al., 2009a). Furthermore, we found associations with depressive
symptoms and decreased sexual interests and sexual activity (Ehrlich et al.,
2009b). Thus, our clinical-translational approach allowed us to show phenomena
known from animal experiments in AN patients. In summary, our studies were
able to shed light on single aspects of the neurobiology of AN. However, we
are well aware that the predisposition to AN and the neuroendocrine changes
and complication associated with AN are still poorly understood. Future
studies are needed to clarify the molecular and systems neuroscience basis of
the complex pathophysiology of AN.
en
dc.rights.uri
http://www.fu-berlin.de/sites/refubium/rechtliches/Nutzungsbedingungen
dc.subject
anorexia nervosa
dc.subject
DNA-Methylation
dc.subject.ddc
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften::610 Medizin und Gesundheit
dc.title
Neurobiologie der Anorexia Nervosa
dc.contributor.contact
stefan.ehrlich@uniklinikum-dresden.de
dc.contributor.firstReferee
Prof. Dr. med. B. Herpertz-Dahlmann, Aachen
dc.contributor.furtherReferee
Prof. Dr. med. A. Warnke, Würzburg
dc.date.accepted
2011-01-25
dc.identifier.urn
urn:nbn:de:kobv:188-fudissthesis000000022649-1
dc.title.translated
Neurobiological aspects in the pathogenesis of Anorexia Nervosa
en
refubium.affiliation
Charité - Universitätsmedizin Berlin
de
refubium.mycore.fudocsId
FUDISS_thesis_000000022649
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FUDISS_derivate_000000009419
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open access