Interpersonelle Traumatisierungen in der Kindheit erhöhen in der Folge das Risiko für Revik-timisierungen sowie das Risiko für verschiedene psychische Störungen wie z. B. der Post-traumatischen Belastungsstörung (PTBS). In der bisherigen Literatur werden verschiedene Variablen und Mechanismen, die Reviktimisierungstendenzen bedingen, diskutiert. Aller-dings ist die zugrundeliegende empirische Datenlage knapp und inkonsistent. Schuld und Scham in der Folge traumatischer Ereignisse gelten als Risikofaktoren für die Entstehung von PTBS und als Faktoren, die zur Aufrechterhaltung von PTBS beitragen. Während trau-maspezifische Schuld und Scham im Zusammenhang mit PTBS gut belegt sind, fehlen Stu-dien zum Zusammenhang von Trauma, PTBS und generalisierter Schuld und Scham. Ziel der Arbeit war es zunächst, Variablen, die zu Reviktimisierung beitragen können, theore-tisch zu identifizieren und Modelle zugrundeliegender Mechanismen von Reviktimisierung zu bilden (Studien I und II). Darauffolgend sollte empirisch untersucht werden, welche der theo- retisch eruierten Faktoren spezifisch mit Reviktimisierungstendenzen bei Frauen mit inter-personellen Gewalterfahrungen assoziiert sind (Studie III). Ein übergeordnetes Ziel war es, hierbei klinisch-praktische Überlegungen zur Prävention von Reviktimisierungen bei interper-sonell traumatisierter Frauen abzuleiten. Ein weiteres Ziel war es, den Forschungsstand zu PTBS und generalisierter Schuld und Scham zu erweitern, um auch hier eine Grundlage für die Optimierung von Interventionen zu schaffen (Studie IV). Es wurde ein hierarchisch geordnetes bio-psycho-soziales Modell der Reviktimisierung ent- wickelt, das Reviktimisierung als Folge multifaktorieller Prozesse darstellt. In einer zweiten theoretischen Studie wurde bindungsbezogene Angst als zugrundeliegender Mechanismus von Reviktimisierung betrachtet und als wesentlicher Risikofaktor für Reviktimisierung ver-standen. Die empirische Überprüfung der potentiellen Risikofaktoren Risikoerkennung, Selbstbehauptung, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, Schuld und Scham, Sensation See-king, bindungsbezogene Angst und State-Dissoziation wurde in Studie III an 34 reviktimisier-ten, 22 viktimisierten und 29 nicht-viktimisierten Probandinnen durchgeführt. In Studie IV wurden 28 traumatisierte Probandinnen mit PTBS, 32 traumatisierte Probandinnen ohne PTBS und 32 nicht-traumatisierte Probandinnen hinsichtlich expliziter und impliziter Schuld und Scham untersucht. In Studie III zeigten sich die Variablen Risikoerkennung, bindungsbezogene Angst, State Dissoziation und Selbstwirksamkeit als signifikante Prädiktoren für die Gruppenzugehörig-keit. Die Variablen bindungsbezogene Angst und Risikoerkennung konnten die viktimisierten Probandinnen von den reviktimisierten Probandinnen differenzieren. Die Ergebnisse zeigen höhere bindungsbezogene Angst und niedrigere Risikoerkennung bei den reviktimisierten verglichen mit den viktimisierten Probandinnen. Weiterhin zeigte sich, dass reviktimisierte Probandinnen kein Defizit in der Risikoerkennung aufweisen, sondern, dass die Risikoerken-nung der viktimisierten Probandinnen verglichen mit beiden anderen Gruppen erhöht war. Die Variablen State Dissoziation und Selbstwirksamkeit konnten die reviktimisierten von den nicht-viktimisierten Probandinnen differenzieren. Hierbei zeigten die reviktimisierten Proban- dinnen höhere State-Dissoziation und geringere Selbstwirksamkeit als die nicht-viktimisierten Probandinnen. Die Ergebnisse der Studie IV weisen darauf hin, dass explizite Schuld und Scham bei Frau-en mit PTBS signifikant höher war als bei traumatisierten Frauen ohne PTBS. Verglichen mit der nicht- traumatisierten Kontrollgruppe, war sowohl PTBS als auch Traumatisierung ohne PTBS mit generalisierter expliziter Schuld und Scham assoziiert. Während Traumatisierung generell (mit und ohne PTBS) mit einem impliziten zu Scham neigenden Selbstkonzept as-soziiert war, zeigte sich PTBS spezifisch mit einem impliziten zu Schuld neigenden Selbst-konzept assoziiert. Stärken der Studie III sind die sorgfältige Definition von Viktimisierung und Reviktimi-sierung, die Untersuchung von Reviktimisierung an einer schwer belasteten Stichprobe und die Differenzierung zwischen viktimisierten und reviktimisierten Probandinnen. Stärken der Studie IV ist die erstmals implizite Messung von Schuld und Scham im Zusammenhang mit Trauma und PTBS. Kritisch anzumerken ist das querschnittliche Design beider empirischer Studien, das keine Aussagen über die Richtung der gefundenen Zusammenhänge zulässt. Insgesamt legen die Befunde nahe, dass eine nicht-erhöhte Risikoerkennung bei interperso-nell traumatisierten Personen in Kombination mit den Risikofaktoren erhöhte bindungsbezo-gener Angst und erhöhte State-Dissoziation sowie verminderter Selbstwirksamkeit das Re-viktimisierungsrisiko erhöhen kann. Diese Risikofaktoren sollten in der therapeutischen Ar-beit mit interpersonell traumatisierten Personen zur Prävention von Reviktimisierung berück-sichtigt werden. Eine erhöhte Risikoerkennung bei viktimisierten Personen könnte im Sinne eines Protektionsfaktors gegenüber Reviktimisierung interpretiert werden. Schließlich weisen die Ergebnisse darauf hin, dass nicht nur traumaspezifische Schuld und Scham, sondern zusätzlich generalisierte Schuld und Scham sowie insbesondere ein stark mit Schuld assoziiertes Selbstkonzept wichtig für das Verständnis von PTBS sind und in der Planung von Interventionen bedacht werden sollten.
Childhood interpersonal traumatizations increase the risk for revictimizations as well as for psychological disorders like the posttraumatic stress disorder (PTSD). Different variables and mechanisms underlying revictimization are discussed in current literature. However, empiri-cal data on revictimization is poor and inconsistant. Guilt and shame following traumatic events are considered as risk factors for the development and persistence of PTSD. PTSD is frequently associated with trauma-related guilt and shame. However, research on general-ized guilt and shame in PTSD is lacking. Aim of the dissertation was to theoretically identify variables contributing to revictimization and to develop models of underlying mechanisms of revictimization (studies I and II). Subse-quently it was aimed to empirically investigate which of these variables are specifically asso-ciated with revictimization in interpersonally victimized women (study III). A superordinate aim was to derive clinical considerations for the prevention of revictimization. Another aim was to expand the current state of research on PTSD and generalized guilt and shame to optimize interventions in this field (study IV). A hierarchical bio-psycho-social model of revictimization was developed. It presents revictim-ization as result of multifactorial processes. In a second theoretical study attachment anxiety as underlying mechanism for revictimization is investigated and considered as crucial risk factor for revictimization. The potential risk factors risk recognition, assertiveness, self-efficacy, guilt, shame, sensation seeking, attachment anxiety, and state- dissociation were investigated in study III with 34 revictimized, 22 victimized, and 29 non-victimzed individuals. In the second empirical study (study IV) 28 traumatized individuals with PTSD, 32 trauma-tized individuals without PTSD, and 32 non-traumatized individuals were investigated regard-ing explicit and implicit generalized guilt and shame. Study III showed the variables risk recognition, attachment anxiety, state-dissociation, and self- efficacy as significant predictors for group membership. Attachment anxiety and risk recognition differentiated revictimized from victimized individuals. The results show higher attachment anxiety and lower risk recognition in revictimized compared to victimized individ-uals. Furthermore, results show that revictimized individuals do not show a deficit regarding risk recognition but risk recognition in victimized individuals is increased compared to both other groups. State-dissociation and self-efficacy differentiated revictimized from non-victimized individuals. Revictimized individuals showed higher state- dissociation and lower self-efficacy than the non-victimized individuals. The results of study IV indicate that explicit guilt- and shame was significantly higher in wom-en with PTSD than in traumatized women without PTSD. However, PTSD as well as trauma-tization without PTSD are associated with generalized explicit guilt and shame. Traumatiza-tion in general (with and without PTSD) was associated with a shame-prone implicit self-concept. PTSD was specifically associated with a guilt-prone implicit self-concept. Strength of study III are the accurate definition of victimization and revictimization, the differ- entiation between victimized and revictimized individuals, as well as the investigation of re-victimization in a severly impaired sample. Strength of study IV is the implicit measure of guilt and shame in association with trauma and PTSD. A Limitation is the cross-sectional design of both empirical studies which does not allow causal relationships to be drawn. Overall, results indicate, that non-increased risk recognition in interpersonally victimized indi-viduals in combination with increased attachment anxiety and state- dissociation, as well as decreased self-efficacy can increase the risk for revictimization. To prevent revictimization these risk factors should be considered in the treatment of interpersonally traumatized indi-viduals. An increased risk recognition may be interpreted as a protective factor regarding revictimization. Furthermore, results indicate that in addition to trauma- related guilt and shame, generalized explicit guilt- and shame and an implicit guilt-prone self-concept seems to play a crucial role in PTSD. This should be considered in treating patients with PTSD.