Mehr als 5 % der globalen Bevölkerung leiden unter beeinträchtigenden Hörstörungen mit teils dramatischen physischen, psychosozialen und ökonomischen Auswirkungen. Studien zu Folge leiden allein in Deutschland etwa 14 Millionen Menschen unter einer Hörschädigung, eine erhöhte Lärmexposition wird als eine der Hauptursachen für diese Entwicklung verantwortlich gemacht. Die vorliegende Arbeit betrachtet eigene Studien zum kurzfristigen Zeitverlauf neuronaler pathophysiologischer Prozesse in der aufsteigenden Hörbahn. Die Ergebnisse zeigen, dass bereits im akuten Stadium nach einem lärminduzierten Hörverlust degenerative Prozesse und neuroplastische Veränderungen detektiert werden können. Direkt nach einem Lärmtrauma nehmen apoptotische Prozesse in den untersuchten neuronalen Strukturen des Hirnstamms und Mittelhirns zu und es resultiert eine Verringerung der Zelldichten in den untersuchten Regionen. Innerhalb eines Zeitraums von 2 Wochen findet eine signifikante Reduktion der Zelldichten im Hörnerven und zentralen Hörsystem bis zum primären auditorischen Cortex statt, wobei cochleäre und subcortikale Areale am stärksten betroffen sind. Apoptotische Zelltodmechanismen spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Ein wiederholtes Lärmtrauma induziert wiederum zelluläre Pathologien insbesondere in höheren Verarbeitungsstrukturen des auditorischen Systems auf thalamischer und cortikaler Ebene sowie im ventralen Nucleus cochlearis des Hirnstamms. Unsere Untersuchungen zeigen, dass ein Schalltrauma direkte Auswirkungen auf basale neuronale Strukturen der aufsteigenden Hörbahn hat und exzitatorisch-toxische Prozesse induziert, eine initiale Protektion cortikaler Areale erfolgt möglicherweise aufgrund inhibitorischer neuronaler Projektionen. Die Daten lassen den Schluss zu, dass progressive degenerative Prozesse im auditorischen System aus einer direkten Überstimulation sowie als Folge neuronaler Deprivation aufgrund von Schädigungen in der Cochlea und im auditorischen Hirnstamm resultieren. Degenerative Mechanismen in höheren Strukturen eines vorgeschädigten Hörsystems bei erneuter Lärmexposition sollten eine zunehmende Beeinträchtigung komplexer Verarbeitung akustischer Informationen zur Folge haben. Diese Prozesse werden mittels objektiver klinischer Diagnostik nicht erfasst. Die Resultate sind von hoher klinischer Relevanz, da derzeit kein evidenzbasierter Ansatz zur Therapie lärminduzierter zentralnervöser Pathologien verfügbar ist und somit präventive, sowie akute regenerative Ansätze und eine prothetische Versorgung die aktuellen Behandlungsoptionen darstellen.