Seit Jahrhunderten reisen Muslime aus Westafrika in arabische Länder, um dort ihr Wissen über den Islam zu erweitern. Diese religiös konnotierte Bildungsreise ist unter dem Begriff ṭalab al-ʽilm bekannt. In der Arbeit wird die ṭalab al-ʽilm in ihrer historischen Entwicklung und zeitgenössischen Ausprägung am Beispiel des westafrikanischen Staates Togo seit der Unabhängigkeit 1960 betrachtet. Die Bildungsmigration erscheint dabei als eine transformative Reise, die in hohem Maße dazu beiträgt, islamische Eliten zu formen. Sie ist aber aufgrund ihrer Einbettung in zeitgenössische gesellschaftliche und politische Kontexte nie gleichförmig. Mit dem Ansatz, die Reise mit einer translokalen Perspektive zu betrachten, rücken die Akteure ins Zentrum, die reflektieren, in welcher Weise die Bildungsmigration sie selbst geprägt hat und dann wiederum in die Herkunftsgesellschaft reflektiert. Die Absolventen werden aufgrund ihrer formal erworbenen akademischen Bildungsabschlüsse wie auch aufgrund ihrer Wahrnehmung durch die Herkunftsgesellschaft, als islamische Gelehrte, ʽulamāʼ bezeichnet. Die Hauptziele der ṭalab al-ʽilm aus Togo waren lange Mekka und Medina in Saudi-Arabien und die Azhar-Universität in Ägypten. Im 20. Jahrhundert haben sich durch die Errichtung neuer Universitäten in weiteren arabischen und arabisch-afrikanischen Ländern neue Studiengelegenheiten ergeben. Die Arbeit nimmt verschiedene Generationen von Bildungsmigranten aus Togo in den Blick, die seit Anfang der 1980er Jahre aus dem arabischen Ausland zurückkehrten. In Interviews und Gesprächen reflektierten die Akteure den Verlauf ihrer Bildungsmigration, das Erleben der Gastgesellschaft und die Erfahrungen an der islamischen Bildungsinstitution, die besucht wurde. Die Bildungsmigration wird als ein translokaler Prozess betrachtet, in dem die Reisenden den Kontakt über lange Distanzen und Zeiten halten und eine transformative Auseinandersetzung mit und zwischen verschiedenen Akteuren, Institutionen und Gesellschaften passiert. Der Prozess der Rückkehr ins Heimatland und die ihn beeinflussenden Faktoren wurden mit Pierre Bourdieus Konzept von verschiedenen Formen des Kapitals analysiert. Während der Feldforschung untersuchte ich, welche Berufsfelder und Betätigungsmöglichkeiten Rückkehrern von islamisch-arabischen Universitäten im westafrikanischen Togo offenstehen. Die Rückkehrer beanspruchen Autorität in religiösen Fragen. Anhand des Prozesses der ṭalab al-ʽilm greife ich auf, welche Faktoren zur Konstitution religiöser Autorität beitragen. Rückkehrer haben seit den 1980er Jahren den islamischen Bildungssektor in Togo, wie auch in anderen westafrikanischen Ländern, ausgebaut und Reformprozesse vorangetrieben. Durch dieses Engagement entfalteten die Rückkehrer eine Wirkung darauf, wie Islam in Togo gelehrt und gelebt wird. Damit unmittelbar verknüpft ist das Ziel einer stärkeren gesellschaftlichen und politischen Teilhabe der muslimischen Community innerhalb des säkularen togolesischen Staates.
For centuries, Muslims from West Africa have been travelling to Arab countries to expand their knowledge about Islam. This educational journey with a religious connotation is known by the the term ṭalab al-ʽilm. In this dissertation, the ṭalab al-ʽilm is considered in its historical development and contemporary expression using the example of the West African state of Togo since the independence from colonial rule in 1960. Educational migration appears as a transformative journey that greatly contributes to shaping Islamic elites. However, as it is embedded in contemporary social and political contexts, it is never uniform. By viewing the journey from a translocal perspective, the focus shifts to the actors who reflect on the way in which educational migration shaped them. These graduates are referred to as Islamic scholars, ʽulamāʼ, due to their formal academic educational achievements as well as due to the perception by their society of origin. For long, Mecca and Medina in Saudi Arabia and the Azhar university in Egypt have been the main destinations for the ṭalab al-ʽilm from Togo. During the 20th century further opportunities for study emerged due to the establishment of new universities in Arab countries. This work focuses on various generations of graduates who returned from Arabic countries to Togo since the beginnings of the 1980s. I conducted interviews as well as informal talks during which the returnees reflected on their educational migration, their life within the host society and the experiences with their educational institution. The educational migration is viewed as a translocal process, during which the travellers keep contacts over long distances and prolonged periods of time and a transformative exchange with different actors, institutions and societies takes place. The process of return to the home country is influenced by several factors which were analysed using Pierre Bourdieu’s concept of various forms of capital. During my field research, I examined which fields of work and job opportunities are open for the graduates upon return. The returnees claim authority in religious matters. Using the process of ṭalab al-ʽilm, I address the factors that contribute to the formation of religious authority. Since the 1980s, returnees have built and expanded the Islamic education sector in Togo and also in other West African countries, and have led reforms. Through this engagement the returnees created an impact on the way, Islam in Togo is taught and lived. Directly linked to this is the goal of greater social and political participation by the Muslim community within the secular state.