Hintergrund: Der schlechte Gesundheitszustand Wohnungsloser ist mehrfach nachgewiesen worden. Zielsetzung: Gründe für den schlechten Gesundheitszustand Wohnungsloser sollen benannt werden. Methoden: Für den quantitativen Teil beurteilten 468 Mitarbeiter von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe deutschlandweit den Zugang Wohnungsloser in das Gesundheitssystem. Für den qualitativen Teil gaben 17 Wohnungslose in einer westdeutschen Großstadt problemzentrierte Interviews zum Thema Gesundheit. Diese wurden mit den Verfahren der Grounded Theory analysiert. Ergebnisse des quantitativen Teils: Im regulären Gesundheitssystem ist der Zugang zu Allgemeinarztpraxen, Suchtberatung und allgemeinem Krankenhaus für Wohnungslose mittelschwer eingeschränkt (zu 40% bis 52% mit „wechselnd“ oder „schwierig“ bewertet). Schwer eingeschränkt ist der Zugang zu Zahnärzten, psychiatrischer Beratung, stationärer Entwöhnung, stationärer Psychiatrie, Optikern und Fachärzten (zu 58% bis 70% als „wechselnd“ oder „schwierig“ bewertet). Sehr schwer ist der Zugang zur medizinischen Fußpflege eingeschränkt (zu 84% mit „wechselnd“ oder „schwierig“ bewertet). Niederschwellige medizinische Angebote sind deutlich besser zugänglich. Einrichtungen, die auf der Straße schlafende, also Platte machende Wohnungslose versorgen, berichten von einem schlechteren Zugang ihrer Klienten in das Gesundheitssystem als Einrichtungen ohne Platte machende Wohnungslose. Ergebnisse des qualitativen Teils: Aus der Sicht Wohnungsloser wird gezeigt, wie sich Kälte und Nässe, schlechter Schlaf, mangelhafte Ernährung, Gewalt und Angst vor Gewalt negativ auf die Gesundheit auswirken. Belastende Lebensereignisse, Armut, Arbeitslosigkeit, Fehlen von Paarbeziehungen, Mangel an Unterstützung, Abwertung, Vertreibung und Ausschluss aus der Gesellschaft verursachen depressive Symptome bis hin zur Suizidalität. Drogen werden genutzt, um diese Belastungen erträglich zu machen. Die negativen gesundheitlichen und sozialen Folgen des Drogenkonsums werden deutlich. Mit dem Übergang zum Platte machen ist die bestehende hausärztliche Versorgung sehr stark gefährdet. Oft folgt ein Wechsel zu niederschwelligen medizinischen Angeboten. Das Arzt-Patienten-Verhältnis kann durch mangelhafte Kommunikation, Verletzung der Autonomie, Vorwürfe und Mangel an Respekt belastet werden, außerdem wird von Ablehnung der Behandlung durch Arzt oder Personal berichtet. In Wartezimmern kommt es zur Diskriminierung durch Mitpatienten. Die Schwierigkeiten mancher Wohnungsloser mit der Befolgung einzelner Regeln des Gesundheitssystems können ebenfalls eine Rolle spielen. Weitere Hürden vor dem Zugang in das Gesundheitssystem sind wie die Praxisgebühr, Zuzahlungen, Fehlen der Krankenversicherung oder der Versichertenkarte mit den administrativen und finanziellen Anforderungen des Gesundheitssystems verbunden. Diesen gegenüber stehen die Lebensbedingungen in der Wohnungslosigkeit mit Mangel an persönlicher Hygiene, Mobilitätseinschränkungen, fehlenden Transportmöglichkeiten zum Arzt, Schwierigkeiten mit dem Vereinbaren und Einhalten von Terminen, Zeitmangel bei drohender Entzugssymptomatik und Hoffnungslosigkeit nach wiederkehrenden, unkontrollierbaren negativen Erfahrungen auf der Straße. Viele der genannten Hürden fehlen bei niederschwelligen medizinischen Angeboten. Als Nachteile werden hier die eingeschränkte Ausstattung und eine mögliche Konzentration auf Armutserkrankungen angesehen. Schlussfolgerungen: Der schlechte Gesundheitszustand Wohnungsloser ist die medizinische Folge ihrer Lebensbedingungen, die verbessert werden sollten. Teil der Lebensbedingungen ist der eingeschränkte Zugang zu den Leistungen des regulären Gesundheitssystems. Niederschwellige Angebote können die Notlage besonders marginalisierter Wohnungsloser abmildern, Ziel muss aber die Verbesserung des Zugangs in das reguläre Gesundheitssystem bleiben.
Background: Homeless populations are known to be characterized by a poor health status. Aims: Causes of poor health in homeless populations are to be identified. Methods: A quantitative survey of 468 aid projects aimed at homeless persons across Germany was carried out assessing the quality of access to healthcare for homeless. In a second step, 17 qualitative interviews covering health issues were conducted in one German city. Analysis was carried out according to Grounded Theory. Results (quantitative part): Access to General Practice, Addiction counseling and Hospitals was limited (40% to 52% of the projects reported variable or difficult access). Access to Dentists, psychiatric counseling, Optometrists and specialist Doctors was severely limited (58% to 70% of the projects reported variable or difficult access). Access to Podiatry was very severely limited (84% of the projects reported variable or difficult access). Medical Services targeted on homeless people were reported to have much better accessibility. Projects caring for homeless sleeping rough (i.e. on the streets) reported poorer access to healthcare services than projects not caring for rough sleepers. Results (qualitative part): From a homeless perspective, light is shed on how cold, moisture, poor sleep, deficient nutrition, violence and fear of violence exert negative influence on health. Stressful life events, poverty, unemployment, lack of relationships, support and respect as well as exclusion from society cause symptoms of depression and even suicidal tendencies. Drugs are employed to alleviate the burden. The negative impact of drug consumption on health and social relations shows as well. People who start to sleep rough very often lose contact to their GP. As a consequence they frequently start using medical services targeted on homeless people. The doctor-patient relationship may be adversely affected by poor communication, violation of personal autonomy, accusations, and lack of respect. Refusal of treatment by doctors and other health professionals is also reported. In waiting rooms discrimination by fellow patients occurs. Difficulties with adherence to some rules imposed by the health system can also have negative impact. The fee to be paid when entering a doctor's surgery and fees to be paid on medication, lack of health insurance or lack of proof of health insurance are obstacles that are related to administrative policies in the health system. On the other hand there are homeless persons' living conditions, especially lack of personal hygiene, limited mobility and lack of transport, difficulties arranging and keeping appointments, time pressure because of impending withdrawal symptoms and hopelessness caused by repeated overwhelming negative experiences in homeless people's lives. Many of these obstacles are absent in medical services targeted at homeless people. Limited medical resources and the possible focus on poverty-related diseases are mentioned as drawbacks of these services. Conclusions: The poor state of health of homeless people is the medical consequence of their living conditions, these should be improved. Part of their living conditions is limited access to regular health services. Medical services targeted at homeless people can ameliorate the disadvantages of the most marginalized people, nevertheless access to mainstream health services has to be improved.