Seit die Philosophie sich aus dem umfassenden Fundament der Metaphysik entlassen hatte, fächerte sie sich, ähnlich den Wissenschaften, in fachliche Segmente auf: Epistemologie, Ontologie, Geschichtsphilosophie, politische Philosophie, Naturphilosophie, Existenzphilosophie, praktische Philosophie, Ethik, Wissenschaftstheorie etc. Für das Wirtschaftliche im Philosophischen etablierte sich ab etwa Ende des 19. Jahrhunderts der Name ‘Wirtschaftsphilosophie’. Aus der Wirtschaftsphilosophie wurde aber bislang keine eigene philosophische Teildisziplin, vielmehr wurde sie auf unbestimmte Weise dem weiten Bereich der Praktischen Philosophie zugeschlagen. Wirtschaftsphilosophie ist aber vielmehr ein Reflexionsraum, der alle fachlich ausdifferenzierten Segmente des Philosophischen durchzieht. Das zeigt sich vor allem daran, auf welch verschiedene Art Wirtschaftsphilosophie heute betrieben wird: beispielsweise als epistemologische Befragung der vorherrschenden Semantik der Ökonomik, als Hinterfragen der Rationalitätsphilosophie der modern economics, als gabenökonomische Spurenanalyse einer Reziprozitätsphilosophie im Ökonomischen, als geschichtsphilosophische Rekonstruktion des Kapitalismus und seiner Industrialisierungswirkungen, als Rhetorik des Ökonomischen und ihrer narrativen Ausprägungen, als medienphilosophische Rekonstruktion der Finanzökonomie, als ethische Analyse von Normengeltung im Ökonomischen, als Philosophie der Dynamik der Ordnungsvorstellungen in der Geschichte, als politische Philosophie der politischen Ökonomie u.a. Es bildet sich kein Standardmodell heraus, sondern 2 ein bewegliches Feld philosophischer Reflektion des Ökonomischen, zum Teil “in rücksichtsloser Überschreitung” (Rorty) etablierter Begriffssysteme, um Neubeschreibungen und neue Interpretationen zu leisten. Die Philosophie hat immer schon das wirtschaftliche Handeln des Menschen thematisiert. Einschlägige Ansätze finden sich von Platon und Aristoteles über Thomas von Aquin, John Locke, Wolff, Rousseau, Fichte, Hegel, Marx und Nietzsche bis zu Bataille, Baudrillard, Derrida, Rawls, Sen und anderen. Diese Ansätze bildeten sich aber nicht zu einer spezifischen Wirtschaftsphilosophie aus, sondern blieben Reflexionen des Ökonomischen im Kontext der je eigenen Positionen und Ansätze. Heute zeigt sich: Die Philosophie, soweit sie das Wirtschaften reflektiert, denkt über die Wirtschaft als Sphäre nach, polyvalent, in all ihren Dimensionen, die das Effiziente weit übersteigen. Sie kann die Wirtschaft in ihrer Spannung zwischen Überfluss, Freiheit und Notwendigkeit reflektieren, ohne Dogmen, Mythen oder Ideologien aufzusitzen. Dieses intellektuelle Potenzial wird jedoch nicht genutzt, wenn man die Wirtschaftsphilosophie auf praktische Philosophie bzw. auf Wirtschaftsethik einschränkt. Angemessen wäre es heute, Wirtschaftsphilosophie als ein disziplinenübergreifendes Projekt anzusehen, innerhalb dessen die Reflexion erkenntnistheoretischer und methodologischer Aspekte und deren praktische Konsequenzen sowohl für die ökonomische Theoriebildung als auch das wirtschaftliche Handeln im Vordergrund stehen. Eine solche Ausfaltung des wirtschaftsphilosophischen Reflexionspotentials umfasst ein Spektrum von philosophischen Ansätzen über ökonomische Grundlagenfragen, Theorien und Praktiken, wodurch kein einheitliches Feld entsteht, sondern sich verschiedene Methoden, Narrationen, Systeme und Diskurse bilden. Ziel wirtschaftsphilosophischer Konsolidierung sollte es daher nicht sein, eine ähnliche fachliche Konsistenz wie die Wirtschaftswissenschaften erlangen zu wollen (ein Ideal, das derzeit auch innerhalb der Ökonomik herausgefordert wird), sondern einen Reflexionsraum zu schaffen, der die verschiedenen ökonomischen Theorien und Praktiken spiegeln kann (vor allem in Bezug auf ihre kontextuelle und kulturelle Einbettung). Vor diesem Hintergrund fasst das Positionspapier die wichtigsten Ergebnisse des Workshops zusammen, beschreibt die Potentiale und Probleme der Wirtschaftsphilosophie und macht Vorschläge für die Positionierung der Wirtschaftsphilosophie in Forschung, Lehre und Öffentlichkeit.