Vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 wurden die deutschen Lan-desparlamente – wie andere regionale Parlamente auch – von der Forschung im Hinblick auf ihre Europäisierung, verstanden als Anpassung an das Brüsseler Entscheidungssystem, wenig beachtet. Auch nach Lissabon liegt der Fokus meist auf den nationalen Parlamenten, denen durch das „Early-warning-system“ (EWS) direkte Einwirkungsmöglichkeiten auf Vorlagen der Kommission eingeräumt wurden. Diese Möglichkeit steht allerdings auch den Landtagen offen, indem sie Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der eigenen Landesregierung im Bundesrat nehmen. Ziel dieser Arbeit ist es, die Europäisierung der deutschen Landtage seit dem Umbruch durch den Vertrag von Lissabon und der nachdrücklichen Aufforderung des ehemaligen Verfassungsrichters Hans-Jürgen Papier zu mehr EU-Beteiligung auf seiner Stuttgarter Rede vor den Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten im Jahr 2010 umfassend zu analysieren. Mithilfe von fsQCA kann gezeigt werden, dass diese Anpassung sowohl formal durch den Ausbau von Beteiligungskapazitäten als auch tatsächlich über die Anwendung des EWS stattgefunden hat. Die Motivation zur Veränderung war allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt, so dass erhebliche Unterschiede zwischen den Landtagen beobachtet werden kön-nen. Der Schwerpunkt wird auf die Parlamentsverwaltung als „neuer“ Akteur gelegt, der bisher noch nicht in diesem Zusammenhang untersucht wurde. Mithilfe der Delegationstheorie kann gezeigt werden, dass die EU-Referenten der Landtagsverwaltungen eine Schlüsselrolle bei der Europäisierung der deutschen Landtage spielen. Als „Gegenagent“ zur Landesregierung ermöglichen sie es den Landesparlamentariern, im Bereich Europa zu Mitspielern zu werden. Die Landtagsverwaltung agiert dabei als Netzwerker in einem parlamentarischen Feld, wovon auch diejenigen Landesparlamente profitieren, die weniger Ressourcen in den Ausbau der formalen Beteiligungskapazitäten investiert haben. Die Arbeit zeigt zudem, dass sich die Funktionslogik von „altem“ und „neuem“ Dualismus in EU-Angelegenheiten auf Landesebene transformiert hat. Die Parlamente sprechen hier in Form ihrer EU-Ausschüsse ganz überwiegend mit einer Stimme. Die Dienstleistungen der Landtagsverwaltung werden gleichermaßen von Abgeordneten der Regierungsmehrheit und der Opposition nachgefragt. Ein Übergreifen dieser Transformation auf andere Politikbereiche erscheint jedoch unwahrscheinlich, da sich „Europa“ gerade aufgrund seiner weiterhin mangelnden Salienz auf Landesebene für Abgeordnete nicht zur Profilierung gegenüber den Wählern eignet. Es fällt den Landesparlamenten somit „leicht“, bei Europa-Themen mit einer Stimme zu sprechen.
Just like regional parliaments in general the parliaments of the German federal states (Landesparlamente) and their Europeanisation were a neglected field of research in the study of European politics before the conclusion of the Treaty of Lisbon in 2009. Since then, the focus still lies on national parliaments and their use of the so-called “Early-warning-system” (EWS) to impact on EU decision-making. The Landesparlamente may use this mechanism only indirectly through the influence on their own governments concerning the vote in the Bundesrat. This study analyses the Europeanisation of the Landesparlamente since the introduction of the Treaty of Lisbon and the insistent call for more participation by the former constitutional judge Hans-Jürgen Papier on the occasion of his speech to the presidents of the Landesparlamente in 2010. A fsQCA shows that a comprehensive adaption took place in institutional terms and the real usage of the EWS either. Nonetheless, the motivation for change was not evenly distributed. As a result, we can observe huge differences between the Landesparlamente. The focus of this study lies on the role and function of bureaucratic actors, namely parliamentary staff responsible for EU affairs, which was to date a rather neglected object of study. A delegation approach can show that parliamentary administrations are the basic part of the Europeanisation of the Landesparlamente since 2010. As “counteragents” and through their function as networkers they enable members of parliament (MPs) to play a role in European politics on the regional level in a multilevel parliamentary field. This effect is even beneficial to those Landesparlamente investing only few resources in their formal capacities of participation. Finally, the study observes a transformation of the logic of “old” and “new” dualism in EU affairs. Landesparlamente predominantly speak with one voice, regardless of party majorities. Parliamentary staff offer their services to government- as well as to opposition-MPs. However, it seems unlikely that this transformation will result in more cooperation in other fields of politics, since “EU-affairs” make it exorbitantly easy to speak unanimously for MPs: There is simply no salience in EU issues on the Land level and that means no chance to distinguish oneself in that policy field.