Einleitung: Depressive Erkrankungen sind in der Allgemeinbevölkerung weit verbreitet. Die WHO schätzt, dass Depressionen im Jahr 2020 hinter den Herz- Kreislaufkrankheiten weltweit die zweitgrößte Krankheitslast verursachen könnten. Nach Berechnungen des statistischen Bundesamtes verursachten Depressionen im Jahr 2008 in Deutschland direkte Behandlungskosten von über 5 Mrd. Euro für Medikamente, Ärzte und Krankenhausbehandlung. Ein Vielfaches dieses Wertes betragen die indirekten Kosten durch Produktivitätsausfälle oder erhöhte Sterblichkeit. Fragestellung: Bisher existieren nur wenige Schätzungen zu den Kosten von depressiven Erkrankungen in der Zukunft. Unter Betrachtung der demographischen Entwicklung sollen Hochrechnungen zur Veränderung der ökonomischen Kosten der Depression in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union (EU) bis zum Jahr 2050 erfolgen. Zusätzlich werden mögliche Einflüsse der Urbanisierung im Hinblick auf unterschiedliche Depressionsprävalenzen von Stadt- und Landbevölkerung modelliert. Methodik: Anhand einer systematischen Suche in der medizinischen Datenbank PubMed wurden Prävalenzzahlen sowie direkte und indirekte Kosten der Depressionsbehandlung je nach Altersklasse bestimmt. Auf Basis einer Bevölkerungshochrechnung erfolgte unter verschiedenen Szenarien die Berechnung der jährlichen Kosten depressiver Erkrankungen in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2050. Die Kostenprojektion für die Europäische Union basiert neben der Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung auf einer Korrelation der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) mit dem relativen Anteil der Gesundheitsausgaben und Depressionsbehandlungskosten am BIP der einzelnen EU-Länder. Ergebnisse: Die Kostenbelastung pro Kopf bezogen auf die Veränderung der arbeitsfähigen Bevölkerung steigt in der Bundesrepublik Deutschland allein durch die demographische Alterung der Gesellschaft und die damit verbundene kostenintensivere Behandlung depressiver Erkrankungen bei älteren Jahrgängen bis zum Jahr 2050 um über 20%. In allen Ländern der Europäischen Union steigen die Kosten der Depressionsbehandlung zwischen den Jahren 2010 und 2050 stärker als das Bruttoinlandsprodukt. Bereinigt um den Anstieg der Wirtschaftskraft führt dies zu einem relativen Anstieg der Kostenbelastung von 9,3% in Schweden bis 48,1% in Malta. Die Kosten pro Kopf relativ zur Veränderung des Bruttoinlandsproduktes steigen in den alten EU-Mitgliedsstaaten (EU15) um 7,8%, in der EU12 deutlich stärker um 43,8%. Nur in Zypern, Irland, Luxemburg, Schweden, im Vereinigten Königreich und Belgien bleiben die Pro-Kopf-Kosten der Depressionsbehandlung bis zum Jahr 2050 bezogen auf die demographische Veränderung des Anteils der 15-64-Jährigen mit prozentual einstelligen Veränderungen relativ konstant. Die weiter zunehmende Urbanisierung führt in der EU in Abhängigkeit der Unterschiede in den Depressionsprävalenzen zwischen Stadt und Land zu zusätzlichen nominalen Mehrkosten von bis zu 470,9 Mio. Euro jährlich für das Jahr 2050. Schlussfolgerung: Insbesondere die demographische Entwicklung beeinflusst die Veränderung der Depressionsbehandlungskosten in den kommenden Jahrzehnten. Der Einfluss einer zunehmenden Urbanisierung auf die Kostenentwicklung wird spürbar von den Annahmen zu einem Unterschied der Depressionsprävalenzen in der Stadt- und Landbevölkerung geprägt. Im Vergleich zu den Auswirkungen des demographischen Wandels stellt sich die Bedeutung der Urbanisierung insgesamt als eher gering dar. Im Hinblick auf die demographische Entwicklung erscheinen jedoch umfassende Anstrengungen zur Reduzierung der Kostenlast notwendig, um trotz des sinkenden Anteils der Erwerbspersonen in den meisten Ländern der Europäischen Union eine Finanzierung der Krankheitslast durch depressive Erkrankungen auch in der Zukunft gewährleisten zu können.
Introduction: Depressive disorders are common in the general population. The WHO estimates that depression could be responsible for the second largest disease burden worldwide after cardio-vascular diseases in 2020. According to calculations by the Statistical Office in 2008 major depression caused direct treatment costs of over 5 billion euro for drugs, physician costs and hospital treatment. The indirect costs due to loss of productivity or increased mortality are responsible for an even larger economic burden. Objectives: So far there are only few estimates of the costs of major depression in the future. Considering the demographic trends this work extrapolates the changes of the economic costs of depression for Germany and the European Union (EU) until the year 2050. In addition, possible effects of urbanization in terms of different depression prevalence in urban and rural populations are modelled. Methodology: Based on a review in the medical database PubMed prevalence figures as well as direct and indirect costs of depression treatment according to different age groups were determined. For Germany the annual costs of depressive disorders were calculated for different scenarios until the year 2050 based on population projections. The cost projection for the European Union is based on the analysis of population trends and the correlation of the development of the gross domestic product (GDP) with the relative share of health expenditure as a part of GDP and the depression treatment costs in the individual EU countries. Results: Until 2050 the cost burden per capita in relation to the change of the working age population is projected to increase by over 20% due to the ageing of the society and the subsequent more cost intensive treatment of major depression in older patients in Germany. In all countries of the European Union the costs of depression treatment are projected to rise more than the GDP from 2010 to 2050. When the increase in economic power is controlled for, this leads to a relative increase in the cost burden of 9,3% in Sweden to 48,1% in Malta. The costs per head in relation to the change of the GDP will grow by 7,8% in the old EU member states (EU15) and much stronger by 43,8% in the EU12. Noteworthy, in several member states such as Cyprus, Ireland, Luxembourg, Sweden, the United Kingdom and Belgium the per capita cost of depression treatment in relation to the demographic change in the proportion of the 15 to 64 year old remains relatively stable with a growth of less than 10% until 2050. Based on the assumption of different depression prevalences in urban and rural populations, the process of urbanization in the EU leads to additional nominal extra costs of up to 470,9 million euro per year in 2050. Conclusion: Demographic change has an enormous influence on the costs of depression treatment within the next decades. Further, the impact of urbanization on the development of treatment costs is significantly influenced by the assumptions of differences in the prevalence rates of major depression for urban and rural population. Overall, compared to the impact of demographic change the importance of urbanization is rather low. In view of the demographic change, however, comprehensive efforts seem necessary to reduce the cost burden to ensure the financing of the disease burden of depressive disorders in the future, despite the declining share of labour force in most of the European Union`s countries.