Physicians may find themselves in situations where standard therapies fail in treating seriously ill patients. In such cases, they have the possibility to make individual treat-ment attempts (ITAs) in which non-standard therapies are applied to individual pa-tients. ITAs can be financed by statutory health insurance under certain conditions. Due to the lack of data, ITAs are associated with a high degree of uncertainty regard-ing the risk–benefit ratio. Currently, there are no nationwide regulations for a systematic retrospective evalua-tion (monitoring) or prospective evaluation (review) of ITAs in Germany. The present study therefore investigates the attitudes of various stakeholders towards such an evaluation. In addition, I asked the interviewees about evaluation strategies. I also conducted web searches and background talks to analyze the current status quo re-garding ITAs. To answer the research question, I conducted qualitative, semi-structured interviews with experts. The relevant stakeholders were physicians, patients' representatives, the Drug Commission of the German Medical Association, the Joint Federal Committee, medical ethicists, a lawyer, and a health insurance representative. The transcribed interviews were analyzed with content analysis in MAXQDA. A SWOT framework (strengths, weaknesses, opportunities, threats) was used to present the results. Twenty people were interviewed. The interviewees mentioned several arguments in favor of a retrospective evaluation of ITAs, such as gaining knowledge about the prac-tice of ITAs. Furthermore, interviewees wanted to use such an evaluation as a basis of argumentation for the financing of ITAs via statutory health insurance. An in-depth analysis of the current financing of ITAs revealed several challenges and suggestions for improvement in this regard. At the same time, interviewees were worried about the validity and practical relevance of the results of such an evaluation. The legal risk for doctors was mentioned as a threat to the implementation of a retrospective evaluation. In conclusion, it can be said that guidelines for the conduct of ITAs should be devel-oped on a long-term basis. An evaluation should be tested for ITAs with high risks and potential conflicts of interest, such as the first in-human use of drugs outside of clinical trials. In addition, the financing of ITAs via public health insurance could be improved by establishing a retrospective evaluation.
Ärztinnen und Ärzte können in Situationen geraten, in denen sie Schwerkranken mit standardisierten Therapien nicht mehr helfen können. In solchen Fällen haben sie die Möglichkeit, individuelle Heilversuche durchzuführen, in denen nicht standardisierte Therapien an einzelnen Patientinnen und Patienten angewandt werden. Individuelle Heilversuche können unter bestimmten Voraussetzungen von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden. Aufgrund eines Mangels an Daten gehen individuelle Heilversuche mit einer hohen Unsicherheit hinsichtlich des Nutzen-Schaden-Verhältnisses einher. Aktuell gibt es in Deutschland keine bundesweiten Vorschriften zu deren systematischer retrospektiver Evaluation (Monitoring) oder prospektiver Evaluation (Begutachtung). In der vorliegenden Studie wurde zunächst durch Internet-recherchen und Hintergrundgespräche der aktuelle Status quo zur Evaluation individueller Heilversuche recherchiert und im Anschluss wurden in einer qualitativen Interviewstudie die Einstellungen verschiedener Interessengruppen zu einer solchen Evaluation untersucht. Zusätzlich wurden die Interviewten nach Evaluationsstrategien befragt. Zur Beantwortung der Forschungsfrage habe ich qualitative, semi-strukturierte Exper-teninterviews durchgeführt. Die relevanten Interessengruppen waren Ärztinnen und Ärzte, Patientenvertretungen, die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, der Gemeinsame Bundesausschuss, Medizinethiker*innen, ein Jurist und ein Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen. Die transkribierten Interviews wurden mittels Inhaltsanalyse in MAXQDA ausgewertet. Für die Darstellung der Ergebnisse wurde ein SWOT-Rahmengerüst (Stärken, Schwächen, fördernde Faktoren, Hemmnisse) verwendet. Es wurden zwanzig Personen interviewt. Als Stärke einer retrospektiven Evaluation wurde neben dem Wissensgewinn zur Praxis individueller Heilversuche die Nutzung der Evaluationsergebnisse als Argumentationsgrundlage für die Finanzierung individueller Heilversuche über die gesetzliche Krankenkasse thematisiert. Eine vertiefende Analyse der aktuellen Finanzierungspraxis individueller Heilversuche ergab mehrere Herausforderungen und Verbesserungsvorschläge diesbezüglich. Gleichzeitig äußer-ten die Befragten Bedenken hinsichtlich der Aussagekraft und praktischen Relevanz der Evaluationsergebnisse. Als Hemmnis gaben die Interviewten ein juristisches Risiko für die durchführenden Ärztinnen und Ärzte an. Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass langfristig unter enger Zusammenarbeit der Interessengruppen Guidelines für die Durchführung individueller Heilversuche entwickelt werden sollten. Eine Evaluation könnte in Bereichen individueller Heilversuche mit besonders hohen Risiken und Interessenkonflikten erprobt werden. Zusätzlich könnte die Finanzierungspraxis individueller Heilversuche über die gesetzliche Krankenversicherung durch die Etablierung einer retrospektiven Evaluation verbes-sert werden.