Die Sepsis, definiert als lebensbedrohliche Organdysfunktion, verursacht durch eine fehlregulierte Immunantwort des Wirtes auf eine Infektion, ist eine häufige Erkrankung mit hoher Morbidität und Letalität. Der überwiegende Anteil von septischen Krankheitsverläufen beginnt außerhalb des Krankenhauses und wird in der Regel initial durch Nofallmediziner:innen in Notaufnahmen versorgt. Essentiell für eine Senkung der Letalität ist die rasche Therapieeinleitung, was eine schnelle und akkurate Diagnostik und ein effektives Screening voraussetzt. Die vorliegende kumulative Habilitationsschrift umfasst fünf Originalarbeiten, welche die Ergebnisse von klinischen Studien in der Notfallmedizin zur Verbesserung der Diagnostik und Prognoseeinschätzung der Sepsis zusammenfasst. Grundlage der Diagnose Sepsis ist das Vorliegen einer akuten Infektion in Kombination mit einer Organdysfunktion. Originalarbeit 1 und 2 evaluieren die Diagnose und Prognose der Sepsis in einer prospektiven Studie mittels der Analyse des mRNA-Expressionsprofils im peripheren Blut. Die klinischen Studien konnten zeigen, dass mit Hilfe der vorgestellten Methode sowohl eine Aussage zur Genese der Infektion (bakteriell versus viral versus nicht-infiziert) als auch die Prognoseeinschätzung des Schweregrades (Letalität und Multiorganversagen) akkurat möglich ist. Originalarbeit 4 zeigte zusätzlich in einer multizentrischen Studie, dass für Patient:innen mit SARS-CoV-2-Infektion mittels Analyse des mRNA-Expressionsprofils die Diagnose einer bakteriellen Co-Infektion möglich war. Ebenfalls für Patient:innen mit einer SARS CoV 2 Infektion konnte im Rahmen von Originalarbeit 3 gezeigt werden, dass über eine Analyse des Proteoms der Patient:innen die Prognose der COVID-19 Infektion eingeschätzt werden konnte. Ergänzt werden diese Erkenntnisse durch eine Auswertung (Originalarbeit 5) von klinischen Scores und Vitalparametern. Für Patient:innen mit Verdacht auf eine Infektion in der Notfallmedizin wurde die prognostische Wertigkeit der Scores und Vitalparameter untersucht, um einen septischen Krankheitsverlauf vorherzusagen. Quintessenz der vorgelegten Arbeiten ist, dass 30 Jahre nach der ersten klinischen Definition der Sepsis eine Vielzahl von Faktoren, klinischen Parametern und Biomarkern identifiziert wurden, die die Diagnostik und Prognoseeinschätzung verbessern könnten und zukünftig mutmaßlich weiter verbessern werden. Voraussetzung für eine Implementierung neuer Methoden in der klinischen Routine werden Genauigkeit (Validität), Nutzen, Schnelligkeit, technische Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit sein, jedoch viel wesentlicher ein Bewusstsein für die Gefahr, die von einer Sepsis ausgeht. Für die klinische Routine muss ein effektives und effizientes Screening entwickelt und flächendeckend etabliert werden. Neue diagnostische Methoden haben ein hohes Potential, die Diagnostik und Prognoseeinschätzung zu verbessern. Sie müssen in randomisierten Studien ausreichend klinisch validiert und erfolgreich implementiert werden. Die Verarbeitung und Interpretation aller erhobenen Daten, inklusive Anamnese, klinischer Scores, Pathogennachweise und Analyse der Wirtsantwort werden in ihrer Fülle nur durch digital unterstützte Systeme (u.a. unterstützt durch künstliche Intelligenz) für die klinische Routine ihre volle Aussagekraft entfalten können.