Die vorliegende Dissertation untersucht mittels eines ontologischen und kontextuellen Ansatzes die mesopotamischen Darstellungen von Menschen und ihrer Sozialkörper auf Bildwerken der Frühdynastischen und Akkad-Zeit. Der Sozialkörper umfasst hierbei den menschlichen Körper mitsamt sämtlichen Modifikationen und sozialen Überformungen, welche durch Quellen der visuellen Kultur überliefert sind. Ausgehend von dem Hintergrund einer heterarchischen Sozialstruktur mesopotamischer Gesellschaften und der Analyse der mesopotamischen Ontologie sind die Darstellungen systematisch nach soziokulturellen, politischen und ontologischen Aspekten untersucht worden. Hierfür wurde ein umfangreiches Bildkorpus zusammengestellt, welches alle gängigen Bildmedien der untersuchten Epochen miteinbezieht. Die mesopotamische Ontologie konnte anhand des Aufbaus der Sozialkörperdarstellungen und verschiedener philologischer Quellen als Analogismus (nach Descola 2013) identifiziert werden. Damit war es möglich, die ikonographisch und teils materiell kompositen Darstellungen von Sozialkörpern mit dem kompositen Personenkonzept in einem kohärenten Modell zu vereinen. Dieses erklärt nicht nur die Verbindung zwischen Bild (alan / ṣalmum) und Person, obwohl beide gleichzeitig verschiedene Entitäten sind, sondern auch z. B. die Rolle der me als Essenzen, die als Bestandteile in Entitäten und verschiedenen Objekten manifestiert sein können. Zu letzteren gehören u. a. auch bestimmte Gewänder, Kopfbedeckungen oder Frisuren. Das Bildkorpus von Menschendarstellungen wurde sowohl anhand von Typologien der Einzelelemente als auch ihrer Kombination in Sozialkörpertypen erschlossen. Anhand dieser konnte das Aufkommen einzelner Elemente als auch der Sozialkörpertypen nach Titeln, Berufsgruppen, Handlungsfeldern und sozialem Status analysiert werden. Der Befund zeigt, dass viele Gruppen unterschiedliche Sozialkörpertypen umfassen können und somit unterschiedliche soziale Ränge ausdrücken. So zeigt auch der Textbefund, dass z. B. Beamt:innen in größeren Tempeln einen anderen sozialen Rang als diejenigen kleinerer Heiligtümer innehatten, auch wenn sie dieselben Titel trugen. Diese Befunde verweisen auf eine heterarchische Sozialstruktur mesopotamischer Gesellschaften, die auf einem Beziehungsgeflecht aus verschiedenen Groß- (Tempel, Palast, Eliten) und Kleinhaushalten basierte. Damit verbunden sind auch verschiedene Szenentypen, wie die Bankettszenen, nicht primär „kultisch“ (u. a. heilige Hochzeit, Tempelfeste) zu deuten, sondern zeigen das gemeinsame Trinken (Kommensalität) als einen zentralen Handlungsraum für Mikropolitik, indem sie idealisierte Haushalte, ihre verschiedenen Grade an sozialer Differenzierung und diakritische Elemente darstellen. In den Bildern sind keine fixierten Ikonographien von Herrschern oder anderen Personengruppen auszumachen. Die Variabilität der Sozialkörper resultiert neben regionalen und diachronen Unterschieden aus einer aktiven Konstruktion, die bewusst Differenzierungen und Ambivalenzen einsetzt. Über bestimmte Elemente (z. B. Gewänder, Frisuren, Kopfbedeckungen) können Analogien zwischen Menschen und anderen Entitäten (Gottheiten, Helden) konstruiert werden, welche zeigen, dass man die Grenzen zwischen ihnen nicht kategorisch zog, sondern dass alle Entitäten in einem kontinuierlichen Kosmos graduell voneinander differenziert wurden. Damit ist es möglich, dass z. B. Herrscher und Priester:innen sich dem Göttlichen über bestimmte Elemente, die auch bei Gottheiten auftreten, annähern konnten. Die vorliegende Arbeit untersucht, wie Bilder ihren ontologischen und soziopolitischen Rahmen nutzen und manipulieren, um neuen Sinn und eigene Realitäten zu erschaffen. Sie beleuchtet den Analogismus mesopotamischer Prägung und die essenzlogischen Verbindungen zwischen Entitäten anhand der Darstellungen menschlicher Sozialkörper. In einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Konstruktionen von Sozialkörpern wurden verschiedenste Aspekte wie sozialer Rang/Status, Gender (graduell abgestufte Formen von Maskulinitäten und Femininitäten, non-binäre Genderkategorien), regionale Unterschiede, diachroner Wandel, kulturelle Stereotypisierungen oder Materialität der Bildträger anhand der Darstellungen von Herrschern, verschiedenen Priester:innen, Tempelverwaltern, Beamt:innen, Schreiber:innen, Menschen in Bankett- und Verehrungsszenen, Musikant:innen, Bauern, Hirten, Fischern, Sklav:innen, Gefangenen, Feinden und anderen unter Einbeziehung ihres soziokulturellen Kontexts tiefergehend analysiert.