Naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind unsicher, vorläufig und diskursiv (z. B. Driver et al., 2000; Rosenberg et al., 2022). Dem gegenüber steht „üblicher“ Unterricht, in dem häufig ein positivistisches Bild der Naturwissenschaften vermittelt wird (McComas, 2004). In der Folge entsteht ein Bild von Wissenschaft als „sicher“ und „unveränderlich“ (z. B. Manz & Suárez, 2018; Rosenberg et al., 2022), wobei Behauptungen als „logisch“ und offensichtlich aus begrenzten Annahmen ableitbar dargestellt werden (Osborne, 2010). Um diesem Bild entgegenzutreten hat eine Reihe von fachdidaktischen Arbeiten daher den Erkenntnisgewinnungsprozess im naturwissenschaftlichen Unterricht und dabei insbesondere den Umgang mit Unsicherheiten beim Experimentieren untersucht. Vor diesem Hintergrund adressieren einige dieser Arbeiten einen wesentlichen Teil von Unsicherheit beim Experimentieren – Messunsicherheiten statistischen und systematischen Ursprungs (z. B. Heinicke, 2012; Priemer & Hellwig, 2018). Zu diesem Bereich gibt es eine Reihe von Befunden, z. B. zu Präkonzepten von Schüler:innen zu Messunsicherheiten (Gott & Duggan, 2007; Lubben et al., 2001), zur Kompetenzmodellierung (z. B. Priemer & Hellwig, 2018; Schulz, 2022) und zur Förderung entsprechender Kompetenzen (z. B. Kardas, 2023; Kok, 2022). Neben Messunsicherheiten kann ein Erkenntnisgewinnungsprozess beim Experimentieren jedoch weitere Quellen von Unsicherheiten aufweisen: Beispielsweise hinsichtlich der Eignung des Aufbaus, der eigenen Fähigkeit beim Experimentieren (Ludwig et al., 2021) oder der Eignung des Untersuchungsansatzes bzw. der dem Versuch zu Grunde liegenden Modellannahmen (Rosenberg et al., 2022). Diese Quellen von Unsicherheit können dazu führen, dass Erkenntnisse, die am Ende des Experimentierzyklus stehen, z. B. in Form von Schlussfolgerungen, mit einer epistemischen Unsicherheit, z. B. hinsichtlich der Gültigkeit der Schlussfolgerungen belegt sind. Dieser Aspekt wird jedoch nur selten zur Lerngelegenheit gemacht (z. B. Warren, 2020). Vor diesem Hintergrund versucht dieser Beitrag, Forschungsergebnisse, welche auf die unterschiedlichen Arten von Unsicherheiten fokussieren, zusammenzuführen und Konsequenzen für das Lernen von Naturwissenschaften abzuleiten. Ein Framework für den Zusammenhang von Arten von Unsicherheit beim Experimentieren unter Verwendung von Bayesian Updating wird motiviert und Unterstützungsmöglichkeiten für den Prozess aufgezeigt.