EINLEITUNG: Im Rahmen der Hygiene-Hypothese wird ein Zusammenhang zwischen der Verbesserung der Hygienestandards mit resultierender abnehmender Infektionslast und der Zunahme allergischer und autoimmuner Erkrankungen angenommen. Als pathogener Keim spielt dabei das Epstein-Barr-Virus (EBV) bei der Genese der Multiplen Sklerose (MS) eine Rolle. Mit zunehmendem Alter bei EBV-Infektion scheint das Erkrankungsrisiko für MS erhöht zu sein. Für die MS wurde ein Stadt-Land-Gefälle mit erhöhter Inzidenz auf dem Land statistisch ermittelt. Es stellt sich die Frage, ob das Virus einen Einfluss darauf haben könnte. Dazu ist eine Kenntnis der Epidemiologie des EBV notwendig. METHODIK: Eine retrospektive Datenanalyse (Querschnittstudie 2011) von Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis zum vollendeten 16. Lebensjahr wurde durchgeführt. Verglichen wurden 1.615 Patienten/-innen mit Wohnsitz in Brandenburg und 1.130 aus Berlin. Innerhalb der Studienpopulation wurde die EBV-Prävalenz in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Wohnortgröße berechnet und mittels Linearem Trend Test und logistischer Regression ausgewertet. Über die Berechnung des Marktanteils der teilnehmenden Labore an den in Brandenburg insgesamt durchgeführten EBV-Antikörper-Bestimmungen erfolgte eine Berechnung der EBV-Prävalenzrate für die Gesamtbevölkerung Brandenburgs nach Alter, Geschlecht und Einwohnerzahl des Wohnortes je 100.000 Einwohnern. ERGEBNISSE: In der Studienpopulation Brandenburg mit und ohne Berlin wurde das Alter als signifikanter Einflussfaktor, auf die Wahrscheinlichkeit EBV-positiv getestet zu werden, ermittelt. Die vier Altersgruppen einzeln betrachtet erscheinen sehr heterogen, jedoch mit einem linear absteigenden Trend der EBV-Prävalenz bei zunehmender Einwohnerzahl. Für die Gesamtpopulation und in der Altersgruppe unter 3 Jahre war dieser Trend signifikant nachweisbar (p=0,039 und p=0,020). Bei der Berechnung der EBV-Prävalenzrate für die Bevölkerung Brandenburgs lässt sich für alle Altersgruppen ein linear ansteigender Trend erkennen. Kinder und Jugendliche aus Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern infizieren sich weniger häufig und später mit dem Virus. Besonders große Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen bestehen im Alter von 3 bis 5 und 15 bis 16 Jahren. Mädchen haben ab einem Alter von 5 Jahren eine höhere EBV-Infektionsrate. SCHLUSSFOLGERUNG: Eine später im Leben stattfindende EBV-Infektion gilt als Risikofaktor für die MS. Kinder, die in Orten unter 20.000 Einwohnern leben, infizieren sich später mit dem Virus. Damit sprechen die Ergebnisse dieser Studie dafür, dass die spätere EBV- Infektion auf dem Land ein möglicher relevanter Einflussfaktor für die dort erhöhte MS-Prävalenz darstellt.
BACKGROUND: In the context of the hygiene hypothesis a relation between an im- proving hygiene standard with consequential decreasing infection burden and the in-crease of allergic and autoimmune diseases could be established. The pathogenic Ep-stein-Barr virus (EBV) plays a role in the development of Multiple Sclerosis (MS), where a later infection seems to have a critical influence on the risk to evolve MS. In addition a rural-urban gradient was discovered for this autoimmune disease with a higher prevalence in rural areas. This raises the question whether the virus has an influence on this or not. For this purpose knowledge about the distribution of EBV is essential. METHODS: This retrospective cross-sectional study included 1.615 children living in Brandenburg and 1.130 children living in Berlin, Germany, from birth until the completion of the 16th year of age. Within the population a comparison of the prevalence of EBV with age, sex and number of inhabitants of the hometown was executed, applying the linear trend test and the logistic regression. Using the share of the market of the participating laboratories on the EBV-antibody-tests performed for children from Brandenburg, a descriptive evaluation ensued. This included the EBV-prevalence-rate depending on age, sex and number of inhabitants of the hometown per 100.000 describing the whole federal state. RESULTS: Within the population only age could be outlined as a factor influencing the possibility to have a positive EBV-test-result. The four age groups give a heterogenic impression, but seem to have a descending trend of the EBV-prevalence dependent on an increasing number of inhabitants, independent from age and sex. This is statistically significant for the total population and the age group younger 3 years (p=0,039 and p=0,020). For the calculated prevalence rate of EBV in Brandenburg a linear increasing trend could be established. Children living in towns with less than 20.000 inhabitants seem to get in contact with the virus less often and later in life. Exceptionally large differences between rural and urban areas exist at the ages of 3 to 5 and 15 to 16 years. Girls have higher infection rates after 5 years of age. CONCLUSION: A later infection with EBV is considered to be a risk factor for developing MS. Children, living in towns with less than 20.000 inhabitants, acquire an EBV infection later in life. Therefore an influence of the later EBV infection in rural areas on the higher MS prevalence there can be suggested.