Sexuell übertragbare Infektionen (STI) sind weltweit häufig und verlaufen meist asymptomatisch. Frauen sind von Komplikationen überproportional betroffen und Diagnosen werden später gestellt, Personen mit Migrationserfahrung und LBTQI-Personen werden von der Versorgung schlechter erreicht. Die deutsche ambulante Versorgungslandschaft ist segmentiert, Sexualanamnesen werden hier selten erho-ben und STI sind teils stigmatisiert. Das Gynäkologie-basierte System ist spezifisch für Deutschland und Polen, Hausärzt:innen (HÄ) könnten niedrigschwellige, gruppenübergreifende Versorgung leisten. In dieser Promotion wird daher die Rollenwahrnehmung von HÄ in der STI-Versorgung von Frauen untersucht, und ergänzend strukturelle und persönliche Bedingungen für variierende Versorgungsstrategien analysiert. Es wurden 19 qualitative, teilstandardisierte Leitfadeninterviews mit HÄ in Berlin geführt. Zwischen 10/2020 und 09/2021 wurden mit verschiedenen Samplingstrategien 75 Praxen kontaktiert, eingeschlossen wurden auch 6 Hausärzt:innen in infektiologischen Schwerpunktpraxen (HÄiS). Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte mit verschiedenen inhaltsanalytischen Techniken. Zuständigkeiten, Abrechnungsmöglichkeiten und diagnostische Optionen waren oft unklar, zugleich standen viele der befragten HÄ unter Zeitdruck. Innerhalb erschwerter struktureller Bedingungen zeigten sich drei Typen der hausärztlichen STI-Versorgung: die Gruppe der sich abgrenzenden HÄ überwies Patient:innen sofort an andere Stellen, zeigte stigmatisierende Wahrnehmungen, hatte keine Fort- oder Weiterbildungen zum Thema besucht, sah keinen Bedarf für hausärztliche STI-Versorgung und fühlte sich nicht verantwortlich. Eine weitere Gruppe von HÄ leistete selektive Versorgung in Einzelfällen, zeigte ambivalentere Einstellungen und sah sich als erste Ansprechpartner:in, hatte aber ebenfalls keine Fort- oder Weiterbildungen besucht. Sie sahen selten und eher bei Männern Bedarf für hausärztliche STI-Versorgung und zeigten ein intermediäres Verantwortungsgefühl. Dagegen zeigten HÄ, die bereits STI-Primärversorgung auch für Frauen leisteten offene Einstellungen zu Sexualität und STI, hatten relevante Fortbildungen besucht, nahmen einen Bedarf für Versorgung wahr und sahen sich in der Verantwortung, diesen abzudecken. Die konkreten Versorgungsstrategien variierten entsprechend erheblich. Im eigentlichen Sinne zuständig für STI-Versorgung von Frauen fühlte sich niemand, die HÄ sahen sich jedoch stark in der Rolle der ersten Ansprechpartner:innen und äußerten differenzierte Wünsche für die Verbesserung der Versorgung. HÄ können und wollen niedrigschwellige STI-Versorgung leisten; auch von Patient:innen wird dies gewünscht. Dem stehen strukturelle Schwierigkeiten und fehlende Kenntnisse, aber auch unzureichend reflektierte, persönliche Einstellungen der HÄ im Wege. Durch angepasste Leitlinien und Weiterbildungen könnten diese Aspekte adressiert werden.
Sexually transmitted infections (STIs) are common worldwide and often asymptomatic. Women are disproportionately affected by complications and late diagnoses, people with experiences of migration and LBTQI people are poorly reached by STI care. German ambulatory STI care provision is fragmented, sexual histories are rarely taken and STIs are sometimes stigmatised. The gynaecology-based system is specific to Germany and Poland; general practitioners (GPs) could offer accessible care across groups. This dissertation therefore investigates the role perception of GPs in the STI care of women and analyses structural and personal conditions leading to different care strategies. With GPs in Berlin, 19 qualitative, semi-structured guide-assisted interviews were conducted. Between 10/2020 and 09/2021, 75 practices were contacted using different sampling strategies, 6 GPs with an additional specialisation in infectious diseases were included. The results were analysed using various content analysis techniques. Responsibilities, remuneration and diagnostic options were often unclear, while at the same time many of the GPs surveyed were under time pressure. Within difficult structural conditions, three types of GP STI care provision emerged: the group of GPs distancing themselves immediately referred patients to other services, showed stigmatising perceptions, had not sought any further training on the topic, saw no need for GP STI care and did not feel responsible. Another group of GPs provided selective care in individual cases, showed more ambivalent attitudes, and saw themselves as the first point of contact but had also not attended any further training. They rarely saw a need for GP STI care but were more likely to see it in men and showed an intermediary sense of responsibility. In contrast, GPs who already provided STI primary care for women showed open attitudes towards sexuality and STIs, had attended relevant training courses, perceived a need for care and felt responsible for providing it. The specific care strategies varied considerably accordingly. No one felt formally responsible for STI care for women, but the GPs perceived themselves strongly in the role of first contact person and expressed nuanced wishes for improving care. GPs can and want to provide accessible STI care; this is also requested by patients. This is hindered by structural difficulties and a lack of knowledge, but also by insufficiently reflected personal attitudes on the part of GPs. Adapted guidelines and further training could address these aspects.