Diese Untersuchung hat zum Ziel, die Beziehung zwischen Arbeiten zeitgenössischer performativer Künste und dem Anthropozän, dem sogenannten geologischen Zeitalter des Menschen, auszuloten. These der Untersuchung ist, dass die performativen Künste im Anthropozän mit den natürlichen, nicht-menschlichen Prozessen untrennbar verbunden sind, und diese Beziehung nicht nur abbilden, sondern in der Bühnenrealität performativ wiederholen. Dieses Verhältnis wird in der Untersuchung mit dem Begriff des anthropozänen Engagements gefasst. Zur Konturierung dieses Begriffs teilt sich die Arbeit in eine theoretisch-normative Voruntersuchung, sowie in die Analyse von ausgewählten Beispielen der zeitgenössischen performativen Künste. Im ersten Teil der Untersuchung wird der Begriff des anthropozänen Engagements über eine Analyse des Diskurses des Anthropozän, seinen Auswirkungen für eine performative Ästhetik sowie über einschlägigen Theorien zum Begriff des Engagements entwickelt. Über die Bestimmung des Anthropozäns als Ereignis, das epistemologische, ontologische und ethische Fragen um den Umgang mit dem Nicht-Menschlichen aufwirft, konstatiert die Untersuchung eine Erweiterung des Geltungsbereiches der performativen Ästhetik. Die veränderte Ausgangsbedingungen der Ästhetik führen dazu, dass die performativen Künste nicht mehr ‚autonom‘ in Hinblick auf die Entwicklungen des Anthropozän sein können. Daher, so schließt die theoretische Voruntersuchung, kann die Beziehung zwischen den performativen Künsten und den nicht-künstlerischen Entwicklungen als anthropozänes Engagement beschrieben werden. Der zweite Teil der Untersuchung gilt sechs Anthroposzenen, künstlerisch-szenischen Anordnungen, in denen das anthropozäne Engagement paradigmatisch aufgezeigt wird. Dabei analysiert die Untersuchung verschiedene Arbeiten der performativen Künste, die seit circa 2000, insbesondere ab 2010 entstanden ist, und verfolgt dabei eine narrative Linie einer schrittweisen Erweiterung des Nicht-Menschlichen. Die Untersuchung zeigt dabei auf, dass die hier präsentierten Arbeiten der performativen Künste über die Problematisierung der Beziehung zwischen Mensch und Nicht-Mensch nicht nur bedeutende Aspekte des Diskurses des Anthropozän in der künstlerischen Realität wiederholen, sondern dass damit auch bestimmte Topoi der Produktion und Rezeption der künstlerischen Praxis selbst hinterfragt werden. Ein anthropozänes Engagement, so argumentiert die Untersuchung folglich, führt über die Problematisierung der Beziehung zwischen Mensch und Nicht-Mensch auch zu einem Umdenken und zu einer Neubestimmung einer performativen Ästhetik.