Ziel: Mit Hilfe einer systematischen Überprüfung der Literatur sollte beurteilt werden, inwieweit die minimal-invasiven chirurgischen Verfahren Piezozision, Piezopunktion und Osteoperforation eine Beschleunigung der orthodontischen Zahnbewegung bewirken können. Ergänzend hierzu wurden im Rahmen von zwei tierexperimentellen Studien der Einfluss einer einzelnen Piezozision im oberen Alveolarfortsatz auf die Geschwindigkeit der Zahnbewegung sowie die Auswirkungen der Piezotomie auf den Knochenumbau mittels Knochen-SPECT-Bildgebung untersucht.
Methodik: In den Datenbanken PubMed und Google Scholar wurde mit dem kombinierten Suchbegriff ‘‘piezo*’’ und ‘‘tooth movement’’ sowie mit den Suchbegriffen ‘‘osteoperforation’’ und ‘‘piezopuncture‘‘ recherchiert. Die Suche wurde auf die Spezies Mensch und auf den Anwendungsfall einer transmukosalen chirurgischen Vorgehensweise ohne Bildung eines Mukoperiostlappens beschränkt. Bei 10 Wistar-Ratten wurde nach dem Einsetzen der kieferorthopädischen Apparatur auf einer zufällig ausgewählten Seite eine vertikale Kortikozision mit einem Piezotom durchgeführt; die andere Seite diente als Kontrolle. Zu Beginn der Behandlung sowie 2 und 4 Wochen später wurde eine Mikro-Computertomographie des Schädels durchgeführt, mit deren Hilfe die Zahnbewegungen und Wurzellängen präzise rekonstruiert werden konnten. Zusätzlich wurde mittels 99mTc-MDP-Knochen-SPECT/CT der Verlauf des Knochen-Uptakes über die Zeit untersucht.
Ergebnisse: Die Literaturrecherche lieferte 576 Literaturstellen, von denen 36 Artikel die Bedingung einer klinischen Untersuchung am Menschen erfüllten. Unter diesen 36 Artikeln fanden sich nur 13 mit einer transmukosalen Vorgehensweise. 12 von ihnen berichteten über Piezozisionen, einer über Osteoperforationen des Alveolarfortsatzes. Nur 4 der 13 Artikel resultierten aus klinischen Studien. In allen 4 Artikeln wurde über eine Beschleunigung der kieferorthopädischen Behandlung berichtet, das Ausmaß war jedoch unterschiedlich. Tierexperimentell wurde auf der chirurgischen Seite eine signifikant höhere Geschwindigkeit der Zahnbewegung sowie eine starke Korrelation zwischen der Geschwindigkeit der Zahnbewegung und der Wurzelresorption beobachtet. Der Wurzellängenverlust war nach der Piezozision signifikant ausgeprägter als zuvor. Der Verlauf des Knochen-Uptakes über die Zeit zeigte einen signifikanten Anstieg des Uptakes innerhalb der ersten 2 Wochen, Unterschiede im Knochen-Uptake zwischen den Oberkieferseiten ohne und mit Piezotomie konnten dagegen zu keinem Zeitpunkt festgestellt werden.
Schlussfolgerungen: Die Evidenz für eine Beschleunigung der Zahnbewegung beim Menschen im Zusammenhang mit den betrachteten minimal-invasiven Methoden ist gegenwärtig als gering einzustufen. Im Tierexperiment konnte die Piezozision die kieferorthopädische Zahnbewegung zwar beschleunigen, verursachte aber eine erhöhte Wurzelresorption. Ein zusätzlicher Effekt der Piezotomie auf das Knochen-Uptake war nicht nachweisbar.
Objective: A systematic review of the literature was conducted to show the extent to which the minimally invasive surgical procedures of piezocision, piezopuncture and osteoperforation can accelerate orthodontic tooth movement. Additionally, two animal experimental studies were performed to identify the effect of a single piezocision in the upper jawbone, with the focus on the speed of the tooth movement and the effects of piezotomy on bone remodeling using bone SPECT imaging.
Methods: PubMed and Google Scholar databases were searched using the combined search terms ''piezo*'' and ''tooth movement'', followed by the search terms ''osteoperforation'' and ''piezopuncture.'' Furthermore the search was limited to the human species and to the transmucosal surgical approach without the elevation of a mucoperiosteal flap. A vertical corticision with a piezotome was performed on 10 Wistar rats, on a randomly selected side after the insertion of the orthodontic appliance; the other side served as control. To allow precise reconstruction of tooth movements and root lengths, micro-computed tomography of the skull was performed at the beginning of the treatment, after 2 weeks, and after 4 weeks. In addition, 99mTc-MDP bone SPECT/CT was used to examine the progression of bone uptake over time.
Results: The literature search showed 576 literature references, of which 36 articles dealt with human individuals. Among these 36 articles, only 13 were found with a transmucosal approach. 12 of them reported on piezocisions and one on osteoperforations of the alveolar process. Only 4 of those 13 articles were based on clinical studies. All 4 articles reported an acceleration of orthodontic treatment, but the extent of the acceleration was inconsistent. Animal experiments showed a significantly higher rate of tooth movement on the surgical side, in addition to a strong correlation between the speed of tooth movement and root resorption. The loss of root length was significantly more prominent after piezocision than before. Within the first 2 weeks, the progression of bone uptake showed a significant increase. There were no differences in bone uptake between the maxillary sides without and with piezotomy that could be identified at any given moment.
Conclusions: The evidence for an acceleration of tooth movement in humans linked to the minimal invasive methods described currently must be classified as low. In animal experiments, piezocision was able to accelerate orthodontic tooth movement but caused increased root resorption. An additional effect of piezotomy on bone uptake was not detectable.