Hintergrund: Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) ist eine komplexe, schwere Erkrankung, die mit Muskelschmerzen und -ermüdung einhergeht. Die Pathophysiologie von ME/CFS ist bisher ungeklärt, es gibt jedoch zahlreiche Hinweise auf endotheliale Dysfunktion und Hypoperfusion des Gewebes. Studien weisen darauf hin, dass ein Ungleichgewicht der Ionen in der Skelettmuskulatur, insbesondere eine Natrium- und nachfolgende Calciumüberladung, eine Folge der Hypoxämie bei ME/CFS sein könnte. Ziel dieser Studie war es daher, den Natriumgehalt des Muskelgewebes von ME/CFS-Patientinnen zu untersuchen und mit dem gesunder Kontrollpersonen zu vergleichen. Methoden: Sechs Patientinnen mit ME/CFS und sechs passende, gesunde Kontrollpersonen unterzogen sich einer Natrium-Magnetresonanztomographie (23Na-MRT) des linken Unterschenkels mit einem klinischen 3T-MRT-Scanner. Die Bildgebung wurde vor und nach einem dreiminütigen, anaeroben, dynamischen Training durchgeführt, wobei die Unterschenkelmuskeln durch Plantarflexion belastet wurden. Der dynamische Verlauf des Natriumgehalts der Unterschenkelmuskulatur wurde über einen Zeitraum von 40 Minuten mit Hilfe von Natrium-Referenzphantomen mit NaCl-Lösungen und einem speziellen Plug-in im Open-Source-DICOM-Viewer Horos gemessen. Außerdem wurde die Handmuskelkraft gemessen und mit dem Natriumgehalt der Muskulatur korreliert. Ergebnisse: In allen Muskelkompartimenten des Unterschenkels waren die Ausgangswerte des Natriumgehalts bei ME/CFS höher als bei der Kontrollgruppe. In den Extensoren zeigte sich der größte Unterschied im Ausgangswert des Natriumgehalts (Mittelwert±SD; 12,20±1,66mM bei ME/CFS vs. 9,38±0,71mM bei Kontrollpersonen, p=0,0034). Direkt nach dem Training stieg der Natriumgehalt des Gewebes des M. Triceps surae mit +30% bei ME/CFS (p=0,0005) und +24% bei den Kontrollen (p=0,0007) im M. Gastrocnemius medialis an. Der Anstieg des Natriumgehalts im M. Gastrocnemius medialis nach dem Training war bei ME/CFS stärker als bei den Kontrollpersonen mit +30% vs. +17% vom Ausgangswert nach 12 Minuten (p=0,0326) und +29% vs. +16% vom Ausgangswert nach 15 Minuten (p=0,0265). Im Vergleich zu den Kontrollen wiesen die Patientinnen eine geringere durchschnittliche Handmuskelkraft auf, die mit einem erhöhten durchschnittlichen Natriumgehalt im Muskelgewebe assoziiert war (p=0,0319; R2=0,3832). Zusammenfassung: Die 23Na-MRT bietet die Möglichkeit, die Natriumhomöostase bei ME/CFS zu untersuchen. Der Natriumgehalt der Unterschenkelmuskeln war bei ME/CFS-Patientinnen vor und nach der Muskelbelastung höher als bei gesunden Kontrollpersonen. Außerdem wurde eine inverse Korrelation zwischen dem Natriumgehalt und der Handmuskelkraft festgestellt. Die Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dass Natriumüberladung und konsekutive Calciumüberladung eine Rolle in der Pathophysiologie von ME/CFS spielen könnte. Mithilfe weiterer Forschung könnte ein therapeutischer Ansatz ermöglicht werden.
Background: Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) is a complex and debilitating disease with key symptoms of muscle fatigue and pain. While the distinct pathophysiology of ME/CFS remains unclear, there is substantial evidence indicating endothelial dysfunction and tissue hypoperfusion. Research hypothesized that ion imbalances in skeletal muscles, specifically sodium and subsequent calcium overload, may result from hypoxemia of ME/CFS patients. Thus, this study aimed to evaluate the sodium levels in skeletal muscle tissue of ME/CFS patients and compare them to those of healthy individuals. Methods: Six female patients with ME/CFS and six corresponding healthy controls underwent Sodium magnetic resonance imaging (23Na-MRI) of the left lower leg using a clinical 3T MR scanner. Imaging was performed before and after three minutes of anaerobic dynamic training of plantar flexion to exercise the lower leg muscles. The dynamic progression of lower leg muscles sodium content over 40 min was measured using sodium reference phantoms with NaCl solutions and a dedicated plugin in the open-source DICOM viewer Horos. Furthermore, handgrip strength was assessed and correlated with muscle sodium content. Results: In all lower leg muscle compartments, baseline tissue sodium levels were higher in ME/CFS than in control subjects. The highest difference in baseline muscle sodium content between ME/CFS and controls was observed in the anterior extensor muscle compartment (mean±SD; 12.20±1.66 mM in ME/CFS vs. 9.38±0.71 mM in controls, p=0.0034). Immediately after exercise, tissue sodium content increased in the triceps surae muscles with +30% in ME/CFS (p=0.0005) and +24% in controls (p=0.0007) in the medial gastrocnemius muscle. The increase of sodium content in the medial gastrocnemius muscle after exercise was stronger in ME/CFS than in healthy controls with +30% vs. +17% to baseline at 12 minutes (p=0.0326) and +29% vs. +16% to baseline at 15 minutes (p=0.0265). Compared to healthy subjects, patients had lower average handgrip strength, which was associated with increased average sodium levels of muscle tissue (p=0.0319, R2=0.3832). Conclusion: 23Na-MRI provides the opportunity to study the sodium homeostasis in patients with ME/CFS. Sodium content of lower leg muscles was higher in ME/CFS patients than in healthy controls, both before and after exercise. Moreover, an inverse correlation was found between muscle sodium content and handgrip strength. Our findings suggest that sodium overload and consecutive calcium overload may play a pivotal role in the pathophysiology of ME/CFS, indicating that further research could allow for potential therapeutic targeting.