Hintergrund: Bewohnende von Pflegeeinrichtungen gelten auf sozialer, psychischer und körperlicher Ebene als vulnerable Gruppe. Ein Angebot zur Förderung ihrer Lebensqualität ist die musikalische Biografiearbeit, die zur Stärkung persönlicher Ressourcen und zum Erhalt der Autonomie beitragen soll. Bisherigen Angeboten mangelt es jedoch häufig an Systematik hinsichtlich der Erfassung und Verarbeitung biografischer Informationen, sodass viele von ihnen nur wenig relevanten Output für die Teilnehmenden haben. Gleichzeitig gibt es bisher nicht ausreichend Grundlagenforschung, um ein sinnvolles Konzept für die Praxis abzuleiten.
Ziele: Im ersten Teil dieser Arbeit soll die individuell zugeschriebene Bedeutung von Musik im Verlauf des Lebens hochaltriger Pflegeheimbewohnender exploriert werden (= erstes Ziel). Hieraus soll im zweiten Schritt ein Konzept zur Systematisierung der Erfassung und Verarbeitung biografischer Informationen für die Praxis musikalischer Biografiearbeit abgeleitet werden (= zweites Ziel).
Methode: Um das erste Ziel zu erreichen, wurde ein offenes, qualitativ-interpretatives Studiendesign gewählt. Es wurden hochaltrige Pflegeheimbewohnende nach dem Theoretical Sampling ausgewählt und biografisch-narrativ interviewt. Zehn Interviews wurden mit der Biografischen Fallrekonstruktion nach Rosenthal bzw. globalanalytisch ausgewertet. Zur Erreichung des zweiten Ziels wurden Empfehlungen für die Praxis aus den theoretischen Erkenntnissen und aus den methodischen Erfahrungen aus dem Untersuchungsprozess der Arbeit abgeleitet.
Ergebnisse: Es zeigte sich, dass der Einsatz von Musik in Pflegeeinrichtungen für einige Bewohnende durchaus relevant und vereinzelt für das Erreichen spezifischer Ziele innerhalb der Biografiearbeit sogar alternativlos ist. Zur Kontextualisierung der Musik innerhalb der Biografien Hochaltriger bildete sich eine dreiteilige Typologie heraus. Das für die Praxis der musikalischen Biografiearbeit abgeleitete Konzept zeigt auf, wie die Bedeutung der Musik im Kontext der Lebensgeschichte ermittelt und wie der jeweilige Typus zugeordnet werden kann. Zudem beinhaltet es Typus-spezifische Empfehlungen für die Weiterarbeit mit den erfassten Informationen.
Fazit: Die theoretischen Erkenntnisse zum Wert der Musik innerhalb der Biografien Hochaltriger sollten die Argumentation für den Ausbau des systematischen Einsatzes von Musik in Pflegeeinrichtungen stützen. Das erarbeitete Konzept kann dazu beitragen, persönliche Ressourcen der Teilnehmenden zu stärken und somit ihre Autonomie möglichst lange aufrecht zu erhalten. Indem das Konzept systematisch und Typus-spezifisch und damit an individuellen Bedürfnissen orientiert gestaltet ist, kann es den Teilnehmenden einen größeren Nutzen als bisherige Angebote bringen. Um das erarbeitete Konzept praktisch anwenden zu können, müssten konkrete Tools (weiter-)entwickelt werden. Zudem sollte die Wirksamkeit des Konzepts quantitativ nachgewiesen werden.
Background: Residents of nursing homes are a vulnerable group on a social, psychological and physical level. Musical biography work can promote their quality of life by strengthening personal resources and preserving their autonomy. However, in many previous concepts biographical information is not collected and processed systematically, so that in many of them, there is hardly any relevant output for the participants. At the same time, there is a lack of basic research to derive a meaningful concept for practice.
Aims: In the first part of this study, the individually attributed meaning of music in the course of the lives of very old nursing home residents will be explored (= first goal). From the results, in the second step, a concept for systematizing the collection and processing of biographical information will be derived for the practice of musical biography work (= second goal).
Method: To achieve the first aim, an open, qualitative-interpretative study design was chosen. Very old nursing home residents were selected according to the theoretical sampling to be interviewed biographically-narratively. Ten interviews were analyzed using Rosenthal's biographical case reconstruction or global analysis. To achieve the second aim, recommendations for practice were derived from the theoretical findings and from the methodological experiences from the research process of the study.
Results: The study shows that the use of music in nursing homes is quite relevant for some residents and in individual cases it is the only way to achieve specific goals within biography work. To contextualize music within the biographies of the very old, a three-part typology was developed. The concept for practitioners shows how to determine the biographical meaning of music and how to assign a case within the typology. In addition, it includes type-specific recommendations for further work with the information gathered.
Conclusion: The theoretical findings on the value of music within the biographies of the very old should support the argument for expanding the systematic use of music in care facilities. The developed concept can help to strengthen personal resources of the participants and thus to maintain their autonomy as long as possible. By being systematic and type-specific, and thus geared to individual needs, the new concept can provide greater benefits to participants than previous offerings. In order to be able to apply the concept in practice, special tools will have to be developed. In addition, the effectiveness of the concept should be proven with quantitative methods.