Die vorliegende Dissertationsschrift widmet sich dem Autoritätsproblem in Uwe Tellkamps Wenderoman Der Turm. Geschichte aus einem versunkenen Land (2008). Tellkamps Roman stellt die DDR nicht als einen Staat dar, der plötzlich zusammenbricht, sondern als einen Staat, der langsam untergeht. Der Untergang des Staates ist dabei im Roman auf grundlegende Weise mit der Erosion staatlicher Autorität verbunden. Auffällig ist hierbei, dass der Roman den Untergang der staatlichen Autorität mit dem Untergang der väterlichen Autorität in der späten DDR parallelisiert. Anhand des exponierten Korrespondenzverhältnisses beider Instanzen arbeitet die Studie die Kritikwürdigkeit der Autorität der späten DDR-Zeit im Roman heraus. Im Rahmen einer Analyse der im Roman verhandelten Autoritätsstrukturen kann in Kapitel 2 gezeigt werden, dass die kulturell konservative Lebensführung sowie die opportunistisch-adaptive politische Einstellung der Romanfiguren Reaktionen auf den Zusammenbruch der staatlichen Autorität darstellen. In Kapitel 3 macht die Untersuchung deutlich, dass die DDR zwar einen hypertropher Erziehungsraum bildet, dass persönliche Bildung hier jedoch letztlich unmöglich ist. Es wird dabei die These vertreten, dass Tellkamps Roman in der Form des Antibildungsromans nicht nur die Erziehungsversuche des Staats, sondern auch die Erziehung durch die Vätergeneration kritisiert. In Kapitel 4 wird gezeigt, dass die Erosion der staatlichen und väterlichen Autorität mit ihren jeweiligen moralischen Defiziten zusammenhängt und dass die Gewalt des Staates und des Vaters als Substitut ihrer geschwundenen Autorität nicht auf Dauer aufrechterhalten werden kann. In Kapitel 5 wird argumentiert, dass der Roman einerseits die Beschränkung speziell der männlichen Autorität des Staates und des Vaters aufzeigt und dass er andererseits ein alternatives Autoritätsmodell präsentiert, das horizontal und demokratisch funktioniert. In Kapitel 6 wird der Nachweis geführt, dass das Problem der Autorität in Der Turm eng mit einer Krise der Kommunikation verknüpft ist. Die Arbeit untersucht in Kapitel 7 das geschwächte Zugehörigkeitsgefühl der Ostdeutschen zu ihrem Staat, der in der späten Phase der DDR seine Autorität bereits weitgehend eingebüßt hatte. Die Arbeit macht deutlich, dass der Zusammenbruch der DDR für viele Ostdeutsche nicht notwendigerweise ein ungebrochen positives Erlebnis war, sondern mitunter auch zu Orientierungslosigkeit oder zu ambivalenten Gefühlen führte. Abschließend wird argumentiert, dass die Betrachtung der späten DDR-Gesellschaft, die in Tellkamps Roman als Autoritätsvakuum erscheint, einen möglichen Ausgangspunkt für ein umfassenderes Verständnis der Lebensrealität der ehemaligen DDR(-Bürger) und damit auch der Ursachen für die bis heute ungelösten Probleme nach der Wiedervereinigung bildet.