Das OSCC ist eine Tumorerkrankung mit hoher (Therapie-assoziierter) Morbidität und Mortalität. Viele Aspekte der Ätiologie und Pathogenese sind noch wenig verstanden. Die in diese Habilitationsschrift einbezogenen fünf Originalarbeiten lassen sich in zwei Themenblöcke gliedern und befassen sich mit der Verbesserung des Verständnisses der Biologie des OSCC und dem Ziel, die Behandlung für Betroffene im Sinne einer risikoadaptierten Diagnostik und individualisierten Therapie weiter zu verbessern.
Neben den bekannten Risikofaktoren wie z.B. Nikotin- und/oder Alkoholabusus scheinen weitere Faktoren an der Krankheitsentstehung beteiligt zu sein. Bisherige Erkenntnisse legen nahe, dass die Bedeutung des HPV-Status in der Pathogenese des OSCC, im Gegensatz zum OPSCC, nur von geringer Bedeutung ist. Auch das im OPSCC etablierte Konzept des Surrogatmarkers p16 für eine HPV-Infektion ist nicht ohne weiteres auf das OSCC übertragbar und unterstreicht die unterschiedliche Biologie dieser in klinischen Merkmalen ähnlichen Erkrankungen. Ob die Expression von p16 eine unabhängige Rolle im OSCC als prognostischer Parameter spielt, wie z.B. in der einbezogenen Originalarbeit in Kapitel 2.1 in einem Subkollektiv von Patient*innen mit adjuvanter Therapie gezeigt, ist noch nicht abschließend geklärt und bedarf weiterer Studien. Im Gegensatz hierzu konnte die in dieser Habilitationsschrift dargestellte Originalarbeit in Kapitel 2.2 erstmals überhaupt einen prognostischen Wert des ERα für das OSCC zeigen. Dieser Zusammenhang könnte, zumindest für ein Subkollektiv des OSCC, zum besseren Verständnis der Krankheitsentstehung führen. Neben einer Risikostratifizierung steht hier ein potentielles Therapieziel zur Verfügung, sodass ein Einsatz von bereits bei anderen Tumorerkrankungen etablierten Medikamenten möglich sein könnte.
Die Individualisierung der Behandlung kann zur Reduktion der Therapie-assoziierten Morbidität sowie zum verbesserten onkologischen Outcome im OSCC führen und stellt das zweite zentrale Ziel dieser Habilitationsschrift dar. Die Ergebnisse der in Kapitel 2.3 dargestellten Originalarbeit in Kombination mit der Diskussion der aktuellen Literatur in Kapitel 3.2.1 legen eine risikoadaptierte Anwendung der (pan-)endoskopischen Untersuchung im Rahmen der prätherapeutischen Ausbreitungsdiagnostik für OSCC Patient*innen nahe. Hierdurch können nicht notwendige Untersuchungen vermieden und somit auch Ressourcen geschont werden. Vor allem im Hinblick auf die kontinuierliche Weiterentwicklung verschiedener bildgebender Verfahren, sollte zusammenfassend die Indikation zurückhaltend gestellt und nur im Sinne eines Risikogruppen-adaptierten Vorgehens bei symptomatischen Patient*innen, bei vorliegenden Risikofaktoren und/oder bei unklarer/auffälliger Bildgebung durchgeführt werden.
Das Management der Halslymphknoten von OSCC-Patient*innen ohne klinischen und radiologischen Hinweis auf Metastasierung wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Es zeigt sich ein Vorteil der END vs. „watch and wait“ hinsichtlich des OS und RFS in der randomisiert kontrollierten Studie von D’Cruz et al. aus dem Jahr 2015. Dennoch bleibt bis heute unklar, ob bzw. wie viele Patient*innen mit END letztlich von der Ausräumung der Lymphknoten an sich profitieren oder ob dieser Effekt (vorwiegend) auf die frühe adjuvante Therapie beim Nachweis von okkulten Lymphknotenmetastasen zurückzuführen ist. Da viele Patient*innen mit cN0-Hals, vor allem in den frühen Tumorstadien T1 und T2, keine okkulten Metastasen aufweisen, stellt die weniger invasive Intervention der SLNB eine Alternative zur END dar, um die Morbidität bei gleicher onkologischer Sicherheit zu verringern. Die Ergebnisse der beiden kürzlich veröffentlichten randomisierten Studien von Garrel et al. und Hasegawa et al. sind vielversprechend und bilden die Grundlage dafür, dass die SLNB einen festen Stellenwert in der Behandlung des OSCC auch in Deutschland in den nächsten Jahren erhalten wird. Die Nutzung neuartiger Tracer, wie in der Originalarbeit in Kapitel 2.4 gezeigt, bergen das Potenzial, die Methode weiter zu verbessern.
Für das Management der Halslymphknoten von OSCC-Kollektiven seltener Lokalisationen wie beispielsweise des Oberkiefers gibt es nur wenig (aktuelle) Literatur, wodurch eindeutige Handlungsempfehlungen bei cN0-Status aufgrund mangelnder Evidenz in der deutschen Leitlinie fehlen. In der in Kapitel 2.5 dargestellten Originalarbeit konnten wir eine Übersicht über das zervikale Metastasierungsverhalten des OSCC der oberen Mundhöhle zeigen und verschiedene klinische/histopathologische Parameter identifizieren, die der/dem Behandler*in eine Entscheidungshilfe für das Management der Halslymphknoten geben. Aufgrund der hohen Rate an okkulter Metastasierung, vor allem in höheren Tumorstadien, sollte auch beim OSCC des Oberkiefers bzw. der oberen Mundhöhle ein elektives Vorgehen bevorzugt werden. Auch hier könnte die SLNB perspektivisch die END ersetzen.