Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beabsichtigt der deutsche Gesetzgeber, den umweltbezogenen und menschenrechtlichen Risiken in Lieferketten bestimmter in Deutschland ansässiger Unternehmen entgegenzuwirken. Das Gesetz verfolgt das Ziel, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern und Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte zu verpflichten. Es zielt darauf ab, einen klaren, verhältnismäßigen und zumutbaren gesetzlichen Rahmen für die Erfüllung der sogenannten "menschenrechtlichen Sorgfalt" zu schaffen. Zu diesem Zweck normiert der Gesetzgeber ein komplexes System sich gegenseitig bedingender abstrakt-genereller Sorgfaltspflichten, die von verpflichteten Unternehmen "in angemessener Weise" zu beachten sind. Ausgangspunkt für eine Handlungsweise, die den Anforderungen des LkSG genügt, liegt mithin in der Beachtung des gesetzlichen Angemessenheitsvorbehalts, dem sogenannten Prinzip der Angemessenheit. Dieses Prinzip ist normübergreifend im Rahmen aller Sorgfaltspflichten des LkSG zu beachten und eng mit der dem LkSG zugrundeliegenden Bemühenspflicht verknüpft. Die Identifikation des individuellen Sorgfaltspflichtenmaßstabs liegt hierbei zunächst bei den Unternehmen selbst. Anhand von vier abstrakt-generellen in § 3 Abs. 2 Nr. 1–4 aufgeführten wesentlichen Kriterien müssen sie den individuell geltenden Sorgfaltspflichtenmaßstab identifizieren.
Die vorliegende rechtswissenschaftliche Dissertation analysiert den Sorgfaltspflichtenmaßstab des LkSG, wobei besonderes Augenmerk auf dem Prinzip der Angemessenheit liegt. Ziel ist es, das Prinzip der Angemessenheit handhabbar zu machen. Hierzu werden die vom Gesetzgeber zur Bestimmung der Angemessenheit normierten Kriterien ausgelegt und kontextualisiert, der im Rahmen der jeweiligen Sorgfaltspflicht eröffnete Umsetzungs- und Ermessensspielraum identifiziert und seine Auswirkungen auf die behördliche Kontrolle herausgearbeitet. Darüber hinaus widmet sich die Arbeit dem Vergleich zwischen dem LkSG und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), der europäischen Lieferkettenrichtlinie. Die Dissertation arbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Regelungsansätzen heraus, um Erkenntnisse über die europaweite Entwicklung und Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu generieren.
Durch eine gründliche juristische Analyse und systematische Kontextualisierung trägt diese Dissertation dazu bei, ein umfassendes Verständnis für die Anforderungen des LkSG und des Prinzips der Angemessenheit im Rahmen des Risikomanagements in Lieferketten zu schaffen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nicht nur die rechtswissenschaftliche Diskussion bereichern, sondern auch einen substantiellen Beitrag zur Fortentwicklung und effektiven Implementierung von Sorgfaltspflichten in der unternehmerischen Praxis leisten. Dieses Werk stellt somit einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über die rechtlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Verantwortung in globalen Lieferketten dar.