Auch wenn zunehmend tierfreie Alternativmethoden, im Sinne des Replacements (Vermeiden) nach dem 3R-Prinzip von Russel und Burch in der biomedizinischen Forschung und in regulatorischen Arzneimittelprüfungen entwickelt werden und zum Einsatz kommen, so sind Forschende vor allem im Bereich der Grundlagenforschung noch auf Tierversuche angewiesen. Ist ein Tierversuch zur Beantwortung der Forschungsfragestellung unerlässlich, so fordert die RL 2010/63/EU i.V.m. dem Tierschutzgesetz die konsequente Umsetzung von Reduction (Verringern) und Refinement (Verbessern) nach dem 3R-Prinzip. Dies impliziert, dass nur die notwendige Anzahl an Versuchstieren eingesetzt wird und Schmerzen, Leiden und Schäden für die Versuchstiere durch die verwendeten Verfahren auf ein geringstmögliches Minimum reduziert werden müssen. Haltungsbedingungen von Versuchstieren müssen laut RL 2010/63/EU ebenfalls konsequent reevaluiert und verbessert werden, um so den fortschreitenden Wissenszuwachs im Bereich des Animal Welfares zur Haltung von Versuchstieren zu berücksichtigen. Die Empfehlungen der EU zu Maßen und Ausgestaltung der direkten Haltungsumgebung sind dabei nur als Mindeststandard für die Haltung von Versuchstieren zu verstehen. Die direkte Haltungsumgebung muss den Versuchstieren durch eine hinreichende Komplexität und Strukturierung ermöglichen, ein breites Repertoire spezies-spezifischem Verhaltens auszuüben. Eine Möglichkeit, die Komplexität des Haltungsumgebung zu erhöhen, besteht darin, den Tieren verschiedene Käfigausgestaltungselemente in Form von beispielsweise Kletterelementen und Unterschlüpfen als sogenanntes Environmental Enrichment (EE) anzubieten. Die Ausgestaltung der Haltungsumgebung von Versuchstieren wird in der RL 2010/63/EU ausdrücklich empfohlen. Bei Labormäusen konnten bereits zahlreiche positive Auswirkungen von EE auf tierwohlbezogene Gesundheitsparameter nachgewiesen werden. Jedoch sind nicht alle aus anthropozentrischer Sichtweise dargebotenen EE Elemente mit positiven Auswirkungen für das Tierwohl verbunden. Zur Evaluierung, ob eine angebotenes Ausgestaltungselement als Refinementmaßnahme geeignet und somit als Enrichment der Haltungsumgebung gewertet werden kann, sollte daher die Sichtweise der Mäuse mit einbezogen werden. Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, Ausgestaltungselemente der Kategorien Strukturelemente, Hauselemente und Futtersuchelemente auf ihre Eignung für die meistverwendete Versuchstierart Maus Mus musculus, im Speziellen weibliche C57BL/6J Mäuse, zu untersuchen. Die Evaluation der Eignung der untersuchten Ausgestaltungselemente für Mäuse beinhaltete die vergleichende Auswertung des Heimatkäfigverhaltens und des Körpergewichts als tierwohlbezogene Gesundheitsparameter, von angereichert gehaltenen Mäusen mit wöchentlich wechselnden Ausgestaltungskombinationen sowie einer Laufdisc, im Vergleich zu Mäusen in einer laborpraxisüblichen reizarmen Standardhaltung. Die quantitative Auswertung des aktiven und inaktiven Nutzungsverhaltens während der Aktivitätszeit der Mäuse gab Aufschluss über die Interaktionsmöglichkeiten mit den dargebotenen Ausgestaltungselementen. Anschließend folgte die direkte Befragung der angereichert gehaltenen Mäuse in heimatkäfigbasierten binären Präferenztests zum Wert (WV) und Entscheidungskonsens (CE) der Ausgestaltungselemente aus Tiersicht. Die Mäuse konnten im Präferenzsystem, bestehend aus zwei verbundenen Heimatkäfigen, innerhalb ihrer Gruppe zur Wahlentscheidung befragt werden. Basierend auf den ermittelten WV der vergleichenden Einzelanalysen wurde eine Rangfolge der untersuchten Ausgestaltungselemente innerhalb ihrer Kategorien ermittelt. Mäuse in der Standardhaltung zeigten signifikant häufigeres inaktives und stereotypes Verhalten, verglichen mit angereichert gehaltenen Mäusen. Angereichert gehaltene Mäuse erreichten ein höheres Körpergewicht und wandten mehr Zeit für Fressverhalten auf. Alle angebotenen Ausgestaltungselemente wurden von den Mäusen häufig für aktive und inaktive Interaktionen genutzt. Für aktive Interaktionen wurden Futtersuchelemente mit enthaltener Futterbelohnung und die Laufdisc vermehrt genutzt. Mit am Käfigdeckel befestigten Strukturelementen wurde von den Mäusen am wenigstens interagiert. Dahingegen wies eine zweite Ebene aus Holz bevorzugte Nutzung der Mäuse für inaktives und aktives Verhalten auf. In der Präferenzbefragung der Mäuse konnten keine einheitlichen Rangfolgen und Positionen der Ausgestaltungselemente mit allgemeingültigem Charakter für alle individuellen Mäuse ermittelt werden. Dennoch rangierten einige Ausgestaltungselemente, wie der Gitterball und die zweite Ebene, durchgehend auf höheren Positionen in der Rangfolge. Der hohe CE der Ranglisten spiegelt die starke individuelle Wahrnehmung der untersuchten Ausgestaltungselemente für die Mäuse wider und zeigt auf, dass der regelmäßige Wechsel der Ausgestaltungselemente im Käfig dazu beitragen kann die Bedürfnisse jeder individuellen Maus im Laufe der Haltungsperiode zu befriedigen. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Ausgestaltungselemente waren zusammenfassend geeignet, um tierwohlbezogene Verhaltensparameter bei C57BL/6J Mäusen im Sinne des Refinements von Tierversuchen positiv zu beeinflussen. Die individuellen Bedürfnisse der Tiere müssen bei der Planung der Haltung berücksichtigt werden. Ein Ausgestaltungskonzept, das die individuellen Bedürfnisse der Mäuse berücksichtigt, trägt durch eine Erhöhung des Tierwohls zu zuverlässigen, reproduzierbaren und somit aussagekräftigen Versuchsergebnissen bei.