Hintergrund: Die deutsche Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag die Legalisierung von Cannabis ab 18 Jahren beschlossen. Fachleute fürchten als Folge einen Anstieg des Konsums - auch unter Jugendlichen. Dass Cannabis akute Auswirkungen auf die Kognition hat, gilt als belegt. Doch ob dauerhafte kognitive Einbußen zu befürchten sind, ist weitestgehend ungeklärt. Bisher existieren zu diesem Thema nur wenige Längsschnittstudien mit widersprüchlichen Ergebnissen. Daher soll im Rahmen dieser Arbeit die Frage beantwortet werden, ob Cannabiskonsum langanhaltende Auswirkungen auf die neurokognitiven Fähigkeiten Jugendlicher hat. Wir vermuten einen Rückgang der kognitiven Leistung bei Jugendlichen mit Cannabiskonsum im Vergleich zur Kontrollgruppe. Methodik: Die Daten wurden im Rahmen der Langzeitstudie IMAGEN erhoben, welche Jugendliche aus vier europäischen Ländern untersuchte. Die Gesamtstichprobe, die im Rahmen des veröffentlichten Papers analysiert wurde, bestand aus 804 Jugendlichen (441 weiblich, 363 männlich). Der Fokus des Manteltexts lag auf der deutschen Substichprobe. Diese umfasste 401 Jugendliche (215 weiblich, 186 männlich). Die neurokognitive Testung erfolgte mittels der Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery und beinhaltete die folgenden Domänen: Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, Entscheidungsfähigkeit und Risikobereitschaft. Der Substanzkonsum wurde mithilfe des Fragebogens European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs erhoben. Die Datenerhebung fand mit 14 Jahren, vor Beginn des Substanzkonsums sowie ein zweites Mal fünf Jahre später statt. Zunächst wurden Kovarianzanalysen berechnet, um Querschnittseffekte zwischen den Gruppen aufzudecken. Anschließend erfolgte die Auswertung der longitudinalen Daten mithilfe von Kovarianzanalysen mit Messwiederholung. Ergebnisse: Cannabiskonsument*innen gebrauchten signifikant mehr Alkohol und Tabak im Vergleich zur Kontrollgruppe. In den Querschnittsanalysen der Baseline-Erhebung der deutschen Substichprobe fanden wir zwei signifikante Effekte: Zum einen hatten deutsche Cannabiskonsument*innen einen höheren globalen Intelligenzquotienten. Zum anderen zeigten sie vor Initiation des Konsums eine schlechtere Leistung des Arbeitsgedächtnisses. In den longitudinalen Analysen der deutschen Stichprobe fanden wir zudem Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit über die Zeit bei Cannabiskonsument*innen. Die Analysen der Gesamtstichprobe zeigten hingegen eine Verbesserung der Entscheidungsfähigkeit bei denjenigen Cannabiskonsument*innen mit leichtem Gebrauch und spätem Beginn des Konsums. Schlussfolgerung: Wir fanden eine Verschlechterung der Aufmerksamkeitsleistung deutscher Jugendlicher durch Cannabiskonsum und konnten zeigen, dass Jugendliche, die Cannabis konsumieren, von einem späten Beginn und moderaten Gebrauch profitieren. Da Cannabiskonsum darüber hinaus mit weiteren gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden assoziiert ist, sollte die Politik ihren Schwerpunkt auf die Aufklärung und Resilienzförderung von Kindern und Jugendlichen legen, um den Konsum zu minimieren bzw. dessen negative Effekte abzuschwächen.
Background: The German government has decided to legalize recreational cannabis-use for adults. Specialists fear an increase of cannabis consumption, not only in adults but also in adolescents. It is well known that cannabis has an acute impact on cognitive function, but data on chronic effects in adolescents is scarce. Only few longitudinal studies with equivocal findings exist. Therefore, the aim of this study is to investigate the lasting effects of cannabis-use on neurocognitive functioning in adolescents. We hypothesize a decline in neurocognitive ability for the cannabis-users compared to the control group. Methods: Data were drawn from the longitudinal study IMAGEN, that investigated adolescents from four European countries. The full sample, which was analyzed in the published paper, consisted of 804 adolescents (441 boys, 363 girls). However, the synopsis focused on the German subsample that was comprised of 401 subjects (215 boys, 186 girls). Neurocognitive testing occurred via the Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery and contained the following domains: attention, working memory, short-term memory, decision-making, and risk taking. Substance use was acquired via the European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs questionnaire. Subjects were examined before the onset of drug-use at age 14 as well as five years later. First, we conducted analyses of covariance, to detect cross-sectional effects. Second, we analyzed longitudinal data by running repeated measures analyses of covariance. Results: Cannabis-users consumed more alcohol and tobacco compared to the control group. Before drug-initiation, we found two significant effects in the German sample: On one hand subsequent Cannabis-users had higher global intelligence quotients, but on the other hand impaired working memory was observed. Longitudinally, attention was significantly impaired in German Cannabis-users compared to the control group. However, analyses of the full sample showed an increase in decision-making skills when Cannabis was used in moderation and onset of use occurred at age 16 or later. Conclusion: Not only did we find a decrease in attention skills in German cannabis-using adolescents, but we also showed that cannabis-users in the full sample benefitted from late-onset as well as light use. Because cannabis-use is also associated with several other negative consequences, politics should focus on health education as well as promotion of resilience in children and youth, to prevent consumption or at least attenuate negative effects.